KAGB hat Rechtsunsicherheiten bei M&A-Transaktionen geschaffen
Von Dr. Peter Nussbaum, M.C.J.Partner Corporate/M&A Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLP undDr. Benjamin LeuchtenAssociate Corporate/M&A Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLPEines der erklärten Ziele des deutschen und des europäischen Gesetzgebers nach der letzten Finanzmarktkrise, die ihren Höhepunkt im Jahr 2008 fand, war die Austrocknung des sogenannten grauen Kapitalmarktes. Nach Auffassung der Politik hatten die Geschäfte von (unregulierten) alternativen Investmentfonds (AIF) die Krise zwar nicht verursacht, aber zumindest dazu beigetragen, bestehende Risiken über das Finanzsystem zu verbreiten und zu verstärken. Vor diesem Hintergrund wurde am 8. Juni 2011 eine EU-Richtlinie (AIFMD) erlassen, die eine umfassende Regulierung und Aufsicht von AIF-Verwaltern (AIFM) vorsieht.Die AIFMD wurde inzwischen von den meisten EU-Mitgliedstaaten umgesetzt. Im Grundsatz richtet sich die Anwendbarkeit des nationalen Rechts nach dem Sitz des jeweiligen AIFM. Teilweise knüpfen nationale Regelungen aber auch an den Sitz des AIF oder den Vertrieb der AIF-Anteile an. Dies bedeutet, dass auch ein Offshore-AIFM, der einen Offshore-AIF verwaltet, die AIFMD berücksichtigen muss, wenn der AIF an Investoren innerhalb der EU vertrieben wird.In Deutschland wurde die AIFMD durch das am 22. Juli 2013 in Kraft getretene Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) umgesetzt. Auch wenn der ursprüngliche Regelungsansatz des KAGB im Wesentlichen auf die Bekämpfung des grauen Kapitalmarktes (etwa im Zusammenhang mit Pre-Initial-Public-Offering-(IPO)-Beteiligungen) begrenzt war, hat das Gesetz einen potenziell weiteren Anwendungsbereich. Etwaige Auswirkungen auf Mergers & Acquisitions-(M&A)-Transaktionen sind deshalb grundsätzlich immer dann zu prüfen, wenn sich mehrere Parteien zum gemeinsamen Erwerb eines Targets zusammenschließen.Das KAGB umfasst auf erster Ebene eine für jeden AIFM geltende Zulassungskontrolle in Form der Erlaubnis oder (bei Unterschreiten gewisser Schwellenwerte) der Registrierung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Auf zweiter Ebene statuiert das KAGB insbesondere für den Fall der Übernahme von Unternehmen ein recht umfangreiches Pflichtenprogramm für AIFM. Relevant sind insoweit vor allem bestimmte Mitteilungs- und Offenlegungspflichten bei Erreichen beziehungsweise Über- oder Unterschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen an dem Zielunternehmen sowie bei der Erlangung von Kontrolle.Zudem unterliegen AIFM für zwei Jahre nach Erlangung der Kontrolle über ein Zielunternehmen dem sogenannten Zerschlagungsverbot (Verbot des asset stripping). Dies untersagt unter anderem eine Dividendenausschüttung, wenn infolge der Ausschüttung das Nettoaktivvermögen des Zielunternehmens den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich nicht ausschüttbarer Rücklagen unterschreiten würde. Verstößt ein AIFM gegen Pflichten nach dem KAGB, kann dies zu empfindlichen Bußgeldern führen. In Extremfällen kommt sogar eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der handelnden Personen in Betracht.Im Jahr 2015 ist zu konstatieren, dass sich die Finanz- und Investmentbranche weitgehend auf die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen eingestellt hat. Fondsmanager haben sich in aller Regel frühzeitig beraten lassen, ob sie unter den Anwendungsbereich der AIFMD fallen, und haben entsprechend gehandelt. Völlig unabhängig von der Frage, ob ein Investor als AIF (und sein Manager damit als AIFM) zu qualifizieren ist, kann die AIF-Thematik aber auch bei “normalen” M&A-Transaktionen immer wieder eine Rolle spielen.Das liegt daran, dass der europäische und der deutsche Gesetzgeber – in der Absicht einer möglichst umfassenden Regulierung des grauen Kapitalmarktes – den zentralen Begriff des AIF extrem weit gefasst haben: Ein AIF ist nach der (leicht verkürzt wiedergegebenen) Definition des KAGB “jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren”. Aufgrund dieser offenen Gesetzesformulierung besteht die Gefahr, dass AIF-Recht in Fallgestaltungen relevant wird, die offenkundig nichts mit dem Gesetzeszweck des KAGB zu tun haben.Abgesehen von der klassischen Kapitaleinsammlung von Private-Equity-Fonds stellt sich die AIF-Thematik insbesondere auf Ebene der Akquisitionsgesellschaft (in der Regel als Special Purpose Vehicle gegründet) und im Zusammenhang mit der Eigenkapitalbeteiligung Dritter. Das KAGB sieht für bestimmte Fallkonstellationen zwar ausdrücklich Ausnahmen vor, deren Voraussetzungen sind aber in jedem Einzelfall genau zu prüfen.Auf Ebene der Akquisitionsgesellschaft ist vor allem die Ausnahme für Holdinggesellschaften relevant. Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Ausnahme sind insbesondere das Vorliegen einer Geschäftsstrategie der Holdinggesellschaft (im Gegensatz zu einer bloßen Anlagestrategie) sowie eine langfristige Orientierung dieser Geschäftsstrategie. Zudem dürfen Holdinggesellschaften nicht mit dem Hauptzweck gegründet worden sein, ihren Anlegern durch Veräußerung ihrer Tochterunternehmen eine Rendite zu verschaffen. Erfasst sein dürften insoweit vor allem strategische Joint Ventures. Problematisch erscheint dagegen die Konstellation einer Akquisitionsgesellschaft, an der neben dem Hauptinvestor noch weitere Co-Investoren (zum Beispiel frühere Gesellschafter der Zielgesellschaft oder von Add-on-Akquisitionen) beteiligt werden, sei es durch eine Kapitalerhöhung der Akquisitionsgesellschaft oder die Syndizierung von Anteilen des Hauptinvestors.Eine weitere in der Praxis anerkannte Ausnahme besteht für Family Offices, bei denen die Kapitaleinsammlung nur im Rahmen der (engeren) Familie stattfindet. Weitgehend ungeklärt ist dagegen die Behandlung von Multi-Family-Offices oder sogenannten Investment-Clubs.Sollen – wie regelmäßig bei Private-Equity-Investments – bestimmte Mitglieder des Managements des Zielunternehmens durch eine Eigenkapitalbeteiligung incentiviert werden, stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Entstehen eines regulierungspflichtigen AIF. Zwar sind Arbeitnehmerbeteiligungssysteme vom Anwendungsbereich des KAGB ausgenommen. Allerdings ist in der Praxis stets zu prüfen (und in Grenzfällen mit der BaFin abzustimmen), ob die zu beteiligenden Personen tatsächlich als Arbeitnehmer im Sinne des KAGB qualifiziert werden können. Auch wenn sich Tendenzen erkennen lassen, dass der Arbeitnehmerbegriff des KAGB durch die BaFin weit ausgelegt wird (so richtigerweise zum Beispiel auch auf Organmitglieder), verbleibt bis zu einer offiziellen Stellungnahme eine gewisse Rechtsunsicherheit.An diesen Beispielen sollte deutlich werden, dass der potenzielle Anwendungsbereich des KAGB weit über das hinausgeht, was der europäische Gesetzgeber bei der Schaffung der AIFMD im Sinn hatte. Weder die Beteiligung von Co-Investoren noch die Kapitaleinsammlung durch (Multi-) Family Offices oder Investment-Clubs noch die Aufsetzung eines Incentivierungsprogrammes erfordern eine Aufsicht durch die BaFin, weil der Kreis der Kapitalgeber jeweils von vorneherein beschränkt ist (sogenannte “pre-existing group”). Die aufgezeigten Konstellationen sind damit in keiner Weise mit dem grauen Kapitalmarkt vergleichbar, den der Gesetzgeber eigentlich in den Griff bekommen wollte.Das KAGB hat eine Reihe von Rechtsunsicherheiten geschaffen, die bei der Durchführung von M&A-Transaktionen relevant werden können. Mangels verlässlicher Rechtsquellen wird sich in Grenzfällen häufig nicht mit Sicherheit klären lassen, ob der Anwendungsbereich des KAGB eröffnet ist oder nicht. In solchen Fällen bleibt als Option zumeist nur eine förmliche Anfrage bei der BaFin, deren Bescheidung aber regelmäßig mehrere Monate in Anspruch nimmt. Angesichts der drohenden Konsequenzen eines Verstoßes gegen das KAGB ist daher in Konstellationen, in denen Gelder mehrerer Investoren auf irgendeine Art und Weise gepoolt werden, frühzeitig eine rechtliche Prüfung dieser Aspekte erforderlich.