Kapitalanforderungen für deutsche Mittelstandskredite eröffnen Spielraum

Bundesbank vergleicht systematische Risiken der Forderungen von über 400 Banken an kleine und mittlere Unternehmen mit den Baseler Vorgaben

Kapitalanforderungen für deutsche Mittelstandskredite eröffnen Spielraum

bn Frankfurt – Die momentanen Vorgaben für die Eigenkapitalunterlegung von Krediten an deutsche Mittelständler könnten weniger streng sein. Darauf lässt eine Studie der Deutschen Bundesbank schließen, die entsprechende Datenreihen über einen längeren Zeitraum ausgewertet hat. “Für bestimmte Mittelstandskredite fällt die empirisch geschätzte Entlastung der Eigenkapitalanforderungen relativ zu Großunternehmen größer aus als regulatorisch nach Basel II vorgesehen”, erklärt Klaus Düllmann, Bundesbankdirektor im Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht der Deutschen Bundesbank und Leiter der Hauptgruppe Bankenaufsichtliche Analysen.Für ihre Studie hat die Bundesbank die Daten zu Mittelstandskrediten von über 400 deutschen Banken im Zeitraum von 2005 bis 2011 ausgewertet und das systematische Kreditrisiko mit den von der Größe eines Schuldners abhängigen Kapitalanforderungen nach Basel II verglichen. Als Benchmark diente ein Portfolio mit Forderungen an Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 50 Mill. Euro, da die Kapitalanforderungen für Kredite an diese Gruppe als angemessen kalibriert gelten. Anschließend wurde jeweils die Differenz berechnet zwischen diesen Vorgaben und den Kapitalanforderungen für Kredite an kleine und mittlere Unternehmen, die sich nach Basel II ergeben bzw. empirisch gemessen wurden. Diese Differenzen können rechnerisch als Spielraum für mögliche Erleichterungen der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen betrachtet werden.Ergebnis: Die Berechnungen der Bundesbank deuten darauf hin, dass die relative Differenz zwischen den Kreditrisiken von Mittelständlern und großen Unternehmen “deutlich größer” ausfällt als in den regulatorischen Kapitalanforderungen nach Basel II vorgesehen. Dies gilt für Mittelstandskredite im Unternehmensportfolio, deren Kapitalunterlegung auf Basis interner Ratings oder nach dem Standardansatz berechnet wird, gleichermaßen, wie Düllmann und Mitautor Philipp Koziol festgestellt haben.Im Kreditrisikostandardansatz etwa lassen die Ergebnisse je nach Umsatz der Schuldner auf einen Spielraum für Erleichterungen zwischen 15 bis 35 Prozentpunkten bei den regulatorischen Anforderungen schließen. Der Standardansatz ist aufgrund seiner geringeren Risikosensitivität im Vergleich zum auf bankinternen Ratings basierenden Ansatz jedoch bewusst konservativ angelegt, was höhere Risikogewichte gegenüber den empirischen Schätzungen zumindest zum Teil erklärt, wie die Autoren betonen. Im auf bankinternen Ratings basierenden Ansatz nach Basel II ergibt sich zumindest für Kredite an Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 2,5 Mill. und 50 Mill. Euro ein Spielraum von bis zu 24 Punkten. Hinsichtlich Mittelstandsforderungen im Retail-Portfolio im Volumen von weniger als 2,5 Mill. Euro hätten sich indes keine empirischen Hinweise ergeben, die eine Änderung der momentanen Mindestkapitalanforderungen nahelegten, heißt es. Balsam für BankmanagerDennoch ist der Befund Wasser auf die Mühlen vor allem der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, die sich im Zuge der Verhandlungen um das neue Regelwerk Basel III vehement für eine Lockerung der Kapitalvorgaben für Mittelstandskreditrisiken starkgemacht haben – mit Erfolg. So legt die EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD IV/CRR, die das Regelwerk Basel III europaweit umsetzt, fest: Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko von Forderungen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit einem Jahresumsatz zwischen 5 Mill. und 50 Mill. Euro “werden mit dem Faktor 0,7619 multipliziert”, sofern die Forderung der Bank unter 1,5 Mill. Euro bleibt. Das Reformpaket wurde Mitte April im Europäischen Parlament angenommen. Es tritt Anfang kommenden Jahres in Kraft. Die für Mittelstandskredite vorgesehene Eigenkapitalvergünstigung nach der neuen Richtlinie ist Balsam für viele Bankmanager, schließlich steigen mit Basel III und CRD IV/CRR die Kapitalvorgaben auf breiter Front an.Düllmann indes hält es für voreilig, aus der Untersuchung der Bundesbank den Schluss abzuleiten, dass die Kapitalanforderungen nach Basel II abzusenken sind. Bei den Eigenkapitalvorgaben handele es sich um Mindestanforderungen, die international festgelegt werden und gelten, gibt er zu bedenken. Angesichts der Besonderheiten des deutschen Mittelstands sei fraglich, ob sich der durch die Studie nahegelegte Spielraum auch in anderen Ländern ergeben würde. Deutschland sei in einer besonderen Situation. Der deutsche Mittelstand habe dank hohen Exportvolumens, reger Nachfrage aus Asien sowie auch Kurzarbeit unter der Finanzkrise vergleichsweise wenig gelitten. Daher seien die für Deutschland erhobenen Ergebnisse nur bedingt übertragbar.Bedeutet dies, dass deutsche Mittelständler nun benachteiligt werden, weil sie ungeachtet bundesweit niedrigerer Risiken über europaweit festgelegte Kapitalanforderungen mittelbar höhere Kreditzinsen zahlen müssen? Dieser These tritt Düllmann entgegen. Selbst wenn die Risikogewichte für deutsche Mittelstandskredite im Standardansatz zu hoch wären, lägen die Kapitalanforderungen in Ländern mit schwächeren Schuldnern höher, sagt er. Denn über die Eigenkapitalunterlegung entscheide eben nicht nur die Risikogewichtung, sondern auch die Ausfallwahrscheinlichkeit. Diese wiederum sei in einem Land mit schwächeren Schuldnern tendenziell höher zu veranschlagen. Es sei der Fluch internationaler Kapitalvorgaben, dass sie nationalen Besonderheiten nur bedingt gerecht werden könnten. Unter dem Regelwerk Basel I, das nur eine Handvoll Ratingklassen gekannt habe, seien die Unschärfen gleichwohl weitaus größer gewesen. Tendenziell gebe die Studie keinen Hinweis darauf, dass der sich im Rahmen von Basel II eröffnende Spielraum für eine höhere Erleichterung bei der Kapitalunterlegung von Mittelstandskrediten größer sei als von CDR und CRR vorgesehen. Vielmehr sei es gut möglich, dass er tatsächlich eher geringer sei.Auch die europäische Politik will den Eigenkapitalrabatt für Mittelständler nicht auf ewig festschreiben. Laut CRR erstellt die EU-Kommission bis Anfang 2017 einen Bericht über die Auswirkung der neuen Eigenmittelanforderungen auf die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen und legt ihn nötigenfalls mit einem Gesetzgebungsvorschlag Rat und Parlament vor.Koziol zufolge machen sich bei den Aufsehern internationale Arbeitsgruppen daran, das Kreditrisiko kleiner und mittlerer Unternehmen europaweit zu vergleichen. Der Fokus liege auf Ländern, in denen der Mittelstand eine wichtige Rolle spiele. Man stehe aber am Anfang. Probleme bereite weniger die Berechnung der Risiken, sondern die Erstellung einer soliden Datenbasis. Mit ersten Ergebnissen einer europaweiten Analyse sei daher vorerst nicht zu rechnen. Düllmann: “Das Thema wird uns mittelfristig begleiten.”