Kapitalerleichterungen werfen Fragen auf

Ratingagentur Scope fürchtet nach Krisenintervention der Aufsicht um Kupon-Zahlungen auf Coco-Anleihen

Kapitalerleichterungen werfen Fragen auf

lee Frankfurt – Die wegen der Corona-Pandemie temporär gelockerten Kapitalvorschriften für Banken machen Hybridanleihen riskanter. Wie die Analysten der Ratingagentur Scope in einem aktuellen Report herausstellen, wirken sich die regulatorischen Zugeständnisse positiv auf die Fundamentaldaten der Institute aus, weil sie ihre Kredite mit weniger Kapital unterlegen müssen. Die regulatorischen Erleichterungen liegen zwar auch im Interesse der Inhaber von bedingten Pflichtwandelanleihen, sogenannten Coco-Bonds und anderen Nachranganleihen, die dem Hybridkapital (Additional Tier 1, AT1) zugerechnet werden. Sollte die Konjunktur jedoch dauerhaft unter den Folgen der Pandemie leiden, müssen sie sich nach Einschätzung von Scope-Analystin Pauline Lambert auf negative Effekte einstellen. Kind der FinanzkriseCoco-Bonds sind ein Kind der Finanzkrise von 2008. Sie rangieren in der Haftungskaskade zwischen dem Eigenkapital und dem Fremdkapital und sollen die Banken dank ihrer verlustabsorbierenden Eigenschaften stabiler machen. Damit sie dem AT1-Kapital zugeschlagen werden können, müssen diese Nachranganleihen bestimmte Kriterien erfüllen. So muss etwa die Stückelung groß genug sein, um private Anleger außen vor zu halten, und die Emission muss direkt über das Institut erfolgen und nicht über spezielle Anlagevehikel, wie es in der Vergangenheit Usus war.Die verlustabsorbierenden Eigenschaften sind in den Anleihebedingungen verankert. Darin festgelegte Auslöseereignisse, sogenannte Conversion Trigger, führen zu einer Umwandlung in hartes Kernkapital beziehungsweise Abschreibung der Anleihen. In der Regel handelt es sich dabei um Schwellenwerte für das harte Kernkapital. Diese sind in der Regel sehr niedrig: Die Spanne reicht von 5,85 % bei Emittenten wie der Deutschen Bank, der Commerzbank oder Unicredit und 8 % (Nordea, Swedbank). Bei den Emissionen der meisten französischen, britischen und schweizerischen Instituten liegen die Schwellenwerte bei 7 %.Manche Experten, darunter die Bundesbank in einem Monatsbericht (vgl. BZ vom 20.3.2018) haben die verlustabsorbierende Wirkung von Coco-Anleihen in Zweifel gezogen, weil diese Schwellenwerte so weit unter den von den Banken längst erfüllten regulatorischen Kapitalvorschriften liegen, dass die Anlagegläubiger erst zu einem Zeitpunkt zur Kasse geboten würden, an dem die zuständige Aufsichtsbehörde schon längst den Stecker gezogen hätte. Abstand schrumpftDie nun beschlossenen regulatorischen Kapitalerleichterungen lassen den Abstand zwischen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und den Schwellenwerten schrumpfen. Wie die Scope-Analysten herausstellen, ist das besonders dort relevant, wo die antizyklischen Kapitalpuffer vor dem Ausbruch der Coronakrise aktiviert waren.Um die Banken in der aktuellen Krise zu entlasten haben nahezu alle europäischen Aufsichtsbehörden das Instrument in den vergangenen Wochen ausgesetzt oder zumindest spürbar gesenkt. In Deutschland und Frankreich, wo der Puffer von lediglich 0,25 % auf null gesetzt wurde, mag dies nur geringfügig ins Gewicht fallen. In Irland hatte er vor der Aussetzung jedoch immerhin bei 1 % gelegen und Norwegen senkte ihn von 1,5 % auf 1 %.Vorläufig seien AT1-Anleihen zwar sicher, schreibt Scope. Als beunruhigendes Signal werten die Analysten jedoch die entschiedene Aufforderung der Aufsichtsbehörden, während der Pandemie auf die Zahlung von Dividenden und Boni zu verzichten: “Das wirft Fragen auf hinsichtlich einer möglichen Intervention gegen die Zahlung von AT1-Kupons.”