Kapitalmarktunion stellt Europa vor große Aufgaben

Akteure sollten entschlossen zusammenarbeiten - Plädoyer für modernen, fairen und digitalen EU-Binnenmarkt ohne Grenzen für den Kapitalverkehr

Kapitalmarktunion stellt Europa vor große Aufgaben

Am Ende des Monats wird die Europäische Kommission ihren Aktionsplan für die Kapitalmarktunion vorstellen. Das Ziel dieser Union ist es, durch die Schaffung und Förderung eines effizienten EU-Binnenmarkts für Kapital bis 2019 wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen. Mit anderen Worten, einen gemeinsamen EU-Markt, in dem Anleger auch wirklich ohne Hürden grenzüberschreitend investieren und kleine und mittelständische Unternehmen sich unabhängig von ihrem Standort kostengünstig mit Kapital aus verschiedenen Quellen versorgen können. Kein leichter WegAls internationaler Finanzplatz begrüßen die politischen und wirtschaftlichen Akteure Luxemburgs dieses Vorhaben. Der Weg dahin erscheint jedoch weit und alles andere als leicht. Die Realisierung einer tatsächlichen Kapitalmarktunion stellt Europa vor große Herausforderungen. Zu unterschiedlich scheinen heute die kulturellen, juristischen und fiskalischen Unterschiede der EU-Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass die schiere Masse der sehr schnell eingeführten Finanzmarktregulierungen der letzten Jahre, denen sicher ein guter Grundgedanke zugrunde liegt, insbesondere die Kreditvergabe erheblich erschwert und verteuert hat.Im Allgemeinen ist die Umsetzung vieler neuer Standards sogar für Großunternehmen oft irreführend, sehr ressourcenaufwendig und mit hohen Kosten verbunden. In 2013 hat die Umsetzung der Regulierungen die Banken in Luxemburg 3,6 % vom Nettogewinn gekostet. Im Durchschnitt machen die Regulierungskosten 41 % der Gesamtinvestitionen der Banken aus. Das Verhältnis erreicht bei kleineren Instituten sogar bis zu 67 %. Der Spielraum für Geschäftserweiterung oder Dienstleistungsverbesserungen wird dadurch erheblich geschmälert. Tendenziell haben sich die regulatorischen Kosten in den letzten vier Jahren pro Jahr um 20 % erhöht. Auch wirken die sukzessiven Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre im Finanzdienstleistungsbereich auf viele Nicht-EU-Investoren abschreckend, da sie Unsicherheit, Verwirrung oder Zweifel an der Sicherheit einiger Produkte schüren.Es ist zu befürchten, dass dadurch viele wirtschaftsfördernde Initiativen verhindert werden. Die im Frühjahr 2015 von der EU-Kommission durchgeführten Konsultationen ermöglichen, die regulatorischen Maßnahmen der letzten Jahre Revue passieren zu lassen und ihre Auswirkungen insbesondere auf das Wachstum zu erfassen. Die Luxemburger Bankenvereinigung (ABBL) hofft, dass die EU-Kommission nach Auswertung der Konsultationen einige Gesetzgebungen, die die Umsetzung der Kapitalmarktunion besonders behindern, überdenkt.Darüber hinaus bieten die Konsultationen aber auch die Möglichkeit, bereits existierende Gesetzgebungen zu identifizieren, die der Kapitalmarktunion zugutekommen. Wenn es beispielsweise um die Schaffung eines paneuropäischen Investmentvehikels für Investoren geht, gibt es mit dem Investmentvehikel Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) ein erprobtes und reguliertes Produkt, das heute schon als erfolgreiches Mainstreamvehikel für grenzüberschreitende Investitionen gilt. Es könnte noch wirksamer eingesetzt werden wenn existierende nationale Barrieren, technischer oder legaler Natur, die von einigen Mitgliedstaaten eingeführt worden sind und den grenzüberschreitenden Vertrieb erschweren, abgebaut würden. Die Rolle der BankenLaut dem Europäischen Bankenverband werden 80 % der Firmenfinanzierungen über Banken abgewickelt. Banken werden auf lange Sicht eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Kapitalmarktunion spielen. Die ABBL begrüßt das Vorhaben, eine Diversifikation der Finanzierungsquellen zu fördern, aber man sollte dabei realistisch bleiben. Die so oft ins Spiel gebrachte US-amerikanische Firmenfinanzierung über Kapitalmärkte ist nicht wünschenswert. Zu unterschiedlich sind die Typen, Größen, Kapitalstrukturen oder Marktbreiten europäischer Unternehmen. So homogen der US-Kapitalmarkt ist, so fragmentiert ist der Europas. Banken sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Luxemburgische Banken haben erste Partnerschaften mit der in Luxemburg ansässigen Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem Europäischen Investitionsfonds geschlossen.Damit ist Luxemburg, wie es der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna kürzlich formulierte, “in der Umsetzung des Juncker-Plans vorne mit dabei und vielleicht einigen Ländern schon einen Schritt voraus”. Inwieweit Banken durch Kreditvergabe aber die Wirtschaft letztendlich fördern können und ob die Kapitalmarktunion in diesem Zusammenhang ein Erfolg wird, hängt davon ab, inwieweit gestrige, heutige und eventuell noch kommende Regulierungsmaßnahmen es zulassen.Wie sich zum Beispiel die gerade beschlossenen Restrukturierungsmaßnahmen, die die EU den Banken auferlegt hat, auswirken oder ob Finanztransaktionen besteuert werden oder nicht, spielt eine große Rolle. Begrüßenswert ist, dass die Kapitalmarktunion, zumindest auf dem Papier, den freien Kapitalverkehr innerhalb der EU und die Reduzierung der Fragmentierung der Finanzdienstleistungsmärkte ins Zentrum stellt, was für europäische Banken von Vorteil wäre. Dabei ist allerdings bei der Förderung von Akteuren im Schattenbankbereich darauf zu achten, dass gleiche Regeln für alle eingeführt werden, damit ein fairer Wettbewerb und maximaler Investorenschutz gewährleistet bleiben. Noch ist allerdings nicht absehbar, ob die EU und ihre Mitgliedstaaten auch wirklich gemeinsam in diese Richtung gehen wollen oder, wie leider so oft, aus nationalen Erwägungen heraus mit angezogener Handbremse fahren werden. Sicht der ABBLKaum ein anderes EU-Land hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so viel Wissen und Erfahrung im grenzüberschreitenden Handel mit Finanzprodukten angeeignet wie Luxemburg. Kein Land ist so vielsprachig und multikulturell wie Luxemburg. Luxemburg und sein Finanzplatz sind bereit, dieses ambitiöse Projekt zu unterstützen, und können hierbei durch diese einmaligen Erfahrungswerte ihren Beitrag leisten. Schon heute finanziert Luxemburg den Großteil internationaler Investitionen über Kapitalmärkte. Luxemburg hat zum Beispiel viel Erfahrung in der Beschaffung von Drittländer-Investitionen, die durch Investmentvehikel wie OGAW und Alternative Investmentfonds in die europäische Wirtschaft geleitet werden. Auch Verbriefungen spielen bei der Umsetzung der Kapitalmarktunion eine wichtige Rolle. Der europäische Verbriefungsmarkt ist seit der Finanzkrise stark geschrumpft. Es ist wichtig, diese Finanzprodukte wieder attraktiver zu machen, da qualitativ hochwertige Verbriefungen helfen können, die Investitionstätigkeit in Schwung zu bringen.In vielen legislativen Bereichen besteht unserer Meinung nach Nachholbedarf. Die ABBL hält die fehlende Harmonisierung bei Insolvenzverfahren sowie bei der Reglementierung von Fusionen und Übernahmen für hinderlich. Auch sollten Emittenten die Freiheit bekommen, ihre Instrumente in jedem Mitgliedstaat, unabhängig von ihrem Standort, ausgeben zu dürfen. CSD-R, T2S und die Mifid-Regeln gehen in die richtige Richtung. Leider bestehen immer noch zu viele nationale Hürden.Auch sind wir der Ansicht, dass die gegenwärtige Prospektrichtlinie die Latte für Investoren zu hoch anlegt und so Investitionsmöglichkeiten besonders in kleine und mittelständische Unternehmen unnötig hemmt. Wir brauchen ebenfalls einen paneuropäischen Ansatz, sowohl bei der Identifikation der verschiedenen Finanzierungsstadien eines Unternehmens als auch bei einem EU-Status für die verschiedenen Dienstleister (Seed Financing, Business Angels, Venture Capital), die in diesen verschiedenen Stadien der Unternehmensfinanzierung zum Einsatz kommen. Dies würde es ermöglichen, die verschiedenen Modelle und Profile einzelner Unternehmen besser zu berücksichtigen und ihnen den Zugang zu diesen Finanzdienstleistungsunternehmen, die vor der klassischen Bankenfinanzierung in Erscheinung treten, zu vereinfachen.Eine wesentliche Rolle spielt ebenso die digitale Agenda. Die potenziellen Möglichkeiten, die uns das Internet im Bereich Informationszugang, -teilung und -analyse bietet, können und müssen besser genutzt werden. Neue moderne Standards würden es Investmenthäusern, Anwaltskanzleien und anderen Dienstleistungsunternehmen ermöglichen, anderweitig schwer zugängliche Informationen besser und schneller zu bekommen und verarbeiten zu können. Die Effizienzsteigerungen und die damit verbundenen Kosteneinsparungen wären für alle beteiligten Akteure substanziell. Ambitiöses ProjektNeben den hier genannten Maßnahmen erfordert die erfolgreiche Umsetzung der Kapitalmarktunion noch weitere und teilweise nicht einfach umzusetzende Maßnahmen. Alle politischen und wirtschaftlichen Akteure sollten, im Interesse Europas und seiner Bürger, entschlossen zusammenarbeiten, um dieses ambitiöse Projekt umzusetzen.—Yves Maas, Präsident der Luxemburger Bankenvereinigung (ABBL)