PERSONEN

Karl-Josef Neukirchen

ds - Ein raubeiniger Sanierer mit Raubtierlächeln, der Mann der Deutschen Bank fürs Grobe bei den Industriebeteiligungen, ein Herr mit barschem Ton und ohne Manschetten - so haben viele in der Financial Community Dr. Karl-Josef (Kajo) Neukirchen...

Karl-Josef Neukirchen

ds – Ein raubeiniger Sanierer mit Raubtierlächeln, der Mann der Deutschen Bank fürs Grobe bei den Industriebeteiligungen, ein Herr mit barschem Ton und ohne Manschetten – so haben viele in der Financial Community Dr. Karl-Josef (Kajo) Neukirchen noch heute in Erinnerung. Neukirchen starb am 26. Dezember 2020 im Alter von 78 Jahren an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. In den vergangenen Jahren hat die Finanzgemeinde Neukirchen vor allem als smarten, bei gesellschaftlichen Anlässen präsenten und in vielen Gremien und Ehrenämtern kulturell engagierten Unternehmer erlebt.Auch wenn Neukirchens “Rambo”-Zeit bald 20 Jahre her ist, wäre eine Hagiografie anlässlich seines Todes völlig unangemessen. Sie würde ihm nicht gerecht. Und auch damals hatte “Kajo” natürlich schon eine weiche Seite, was in der Todesanzeige seiner Frau Erika und seiner Familie zum Ausdruck kommt. Dort heißt es: “Nach kurzer schwerer Krankheit verstarb nach 58 Jahren Ehe die große Liebe meines Lebens, unser geliebter und treu sorgender Vater, Schwiegervater und Opi.”Als Mann mit zwei Gesichtern wird Neukirchen jetzt gern geschildert – als entspannt und witzig, wenn er im Kreis seiner Familie war, sowie als angsteinflößend und hart, sobald er die Pforte der von ihm geführten Unternehmen durchschritt. In den zehn Todesanzeigen, die in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” auf gut zweieinhalb Seiten nach Neukirchens Tod erschienen sind, wird seine “strategische Brillanz” hoch gelobt. Neukirchen schrieb sich ehemalige Turnarounds von Klöckner Humboldt Deutz, Hoesch, FAG Kugelfischer und Metallgesellschaft (MG) auf die Fahnen und bescheinigte sich gleichermaßen gute Drähte zu Betriebsräten und finanzierenden Banken. Er galt jahrelang als der Ausputzer für die verpatzten Industriebeteiligungen der Deutschen Bank. Lange in Erinnerung bleiben wird Neukirchen mit der Schlammschlacht um die Metallgesellschaft, die er mit dem Milliardär Otto Happel führte. Neukirchen musste gehen, nachdem er im Clinch mit Happel, der damals MG-Großaktionär war, die Flinte ins Korn geworfen hatte. Danach agierte Neukirchen als Verwalter seines Vermögens. Mit der Hilfe des Geldes, das er verdient hatte, gründete er in Eschborn die Kajo-Neukirchen-Gruppe. Sie hält Beteiligungen an diversen Mittelständlern und handelt mit diesen.Umhängen, verkaufen, abbauen, sanieren – das hat er vielfach praktiziert. Wohl kaum ein deutscher Top-Manager polarisierte dabei so stark wie er. Extern, so scheint es, wollte er jovial wirken, kumpelhaft, manchmal griff er dabei zu kernigen Sprüchen und Zoten. “Ich verlange Performance, wer nicht liefert, der bekommt Probleme”, sagte er einmal. Und feuerte reihenweise Führungskräfte. Neukirchen machte sich auch öffentlich über Analystenresearch mit den Worten “gelesen, gelacht, gelöscht” lustig. Klassische Chefallüren, die der hoch gewachsene Mann offen auslebte.Er kam aus kleinen Verhältnissen und steht für die klassische Aufsteigergeschichte – von kaufmännischer Lehre und nachgeholtem Abitur über Studium und Promotion zum Dr. rer. pol. zum Spitzenmanager und Unternehmer. Seiner Rolle als Polarisierer, der die Schlagzeilen beherrscht, stets auf sein Äußeres bedacht ist und es gar nicht darauf anlegt, von allen gemocht zu werden, war er sich wohl bewusst. Er pflegte sein raues Image wie eine Marke und konnte zuweilen Anflüge von Selbstironie zeigen, zumindest im kleinen Kreis. Als “Freund” bezeichnet ihn in einer der vielen Todesanzeigen Carl-Ludwig von Boehm-Bezing, ehemals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.