Kaum Versicherungsschutz im Pandemiefall

Unternehmen bleiben auf Schäden durch das Coronavirus meist sitzen - Munich Re registriert steigende Nachfrage nach Deckungen

Kaum Versicherungsschutz im Pandemiefall

Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie Schätzungen über Schäden gehen weit auseinander, doch schon heute ist klar: Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs werden für zahlreiche Firmen spürbar sein. Versichert gegen Pandemierisiken sind jedoch nicht viele Unternehmen. Ausfälle in der Lieferkette, geschlossene Produktionsstätten, abgesagte Flüge, Meetings, Messen und Geschäftsreisen – vor allem global agierende Konzerne können an sehr vielen verschiedenen Stellen negativ betroffen sein. Doch die klassische Versicherung gegen Betriebsunterbrechung – ein Must-have im Versicherungsportfolio der allermeisten größeren Unternehmen – greift im Fall einer Pandemie nicht. Denn sie setzt einen Sachschaden wie zum Beispiel die Zerstörung von Anlagen durch Feuer oder Erdbeben voraus. Betriebsunterbrechungen aufgrund einer grassierenden Krankheit gehören nicht dazu.Hier sind zusätzliche Verträge nötig, falls die Unternehmen überhaupt Versicherungsschutz finden. Die Allianz als Marktführerin in der Industrieversicherung bietet spezielle Erweiterungen zum klassischen Betriebsunterbrechungsschutz an. Hier können auch Pandemien versichert werden. Diese Deckungen sind nach Auskunft der Allianz jedoch nicht weit verbreitet. “Spezielle Deckungserweiterungen, die Werkschließungen nach behördlicher Anordnung bei meldepflichtigen Krankheiten absichern, sind auf dem deutschen Markt selten und nur mit sehr niedrigen Deckungssummen verfügbar”, erläutert Philip Beblo, Sachversicherungsexperte bei Allianz Global Corporate & Specialty. Bislang kaum gefürchtetPandemierisiken waren zuletzt im Risikobewusstsein von Unternehmenslenkern nur wenig präsent. Der Ausbruch des Sars-Virus – der vor dem Coronavirus jüngste Fall, der die globale Wirtschaft bedrohte -liegt 17 Jahre zurück. Konzerne und Mittelständler fürchten heute virtuelle Viren viel stärker als physische. Im gerade veröffentlichten Risk Barometer der Allianz dominiert die Angst vor Cybergefahren, etwa vor IT-Ausfällen durch Hackerangriffe, vor Datenabfluss und vor Strafen wegen der Missachtung von Datenschutzregeln. Pandemien finden sich nicht unter den Top Ten der meistgefürchteten Risiken, sondern tauchen erst auf Rang 17 der Liste auf. Die Allianz hat für ihre Studie mehr als 2 700 Führungskräfte unter ihren Kunden im Oktober und November 2019 befragt. Wahrscheinlich sähe die Risikowahrnehmung in Bezug auf Pandemien mittlerweile etwas anders aus. Individualpolice im AngebotDie Munich Re bietet nach eigenen Angaben eine eigenständige Versicherungslösung gegen Pandemien an. “Epidemic risk solutions” sei jedoch keine Standardpolice, sondern ein individuell auf die Bedürfnisse eines Kunden zugeschnittenes Produkt, sagte ein Sprecher. Hier biete die Munich Re neben finanziellen Leistungen auch Epidemie-Expertise an. “Ein dezidierter Versicherungsmarkt für solche Lösungen ist erst am Entstehen.” Die Nachfrage aber wachse: “Anfragen erreichen uns derzeit aus verschiedenen Industriesektoren wie zum Beispiel der Tourismusindustrie, aber genauso von Handelsbetrieben oder dem produzierenden Gewerbe.”Die Talanx, die als zweitgrößter Industrieversicherer in Deutschland gilt, bietet keine Versicherung für Unternehmen gegen wirtschaftliche Schäden durch eine Pandemie an. Im Sonderfall könnten Lebensmittelproduzenten eine Deckung abschließen für den Fall, dass Behörden wegen Krankheitserregern den Betrieb schließen. Das gilt jedoch nur für Produktionsstätten in Deutschland. Die Nachfrage nach solchem Schutz sei sehr verhalten und der Bestand beim Industrieversicherer HDI Global sehr überschaubar, teilte das Unternehmen mit. Pandemie-Bond der WeltbankBei der Zurich Gruppe Deutschland ist eine Deckungserweiterung in Sachen Pandemie in Ausnahmefällen möglich. Im deutschen Markt sei sie jedoch so gut wie gar nicht verbreitet, sagte eine Sprecherin. Eher gebe es Interesse bei international agierenden Konzernen hierzulande, aber auch da sei die Nachfrage bislang eher gering.Für eine sehr spezielle Nische des Kapitalmarktes ist das Coronavirus allerdings ein Thema. Denn Pandemierisiken werden ähnlich wie Hurrikan- oder Erdbebenrisiken auch an den Kapitalmarkt transferiert – in Form von Katastrophenanleihen (Cat Bonds). Die Weltbank hat 2017 einen Bond über 320 Mill. Dollar zur Abdeckungen von Pandemierisiken begeben. Begleitet haben die Emission Swiss Re und Munich Re. Die Anleihe sichert die Pandemic Emergency Financing Facility (PEF) der Weltbank ab. Mit der PEF soll im Falle einer Pandemie zügig Geld in betroffene Entwicklungs- und Schwellenländer gepumpt werden, um die Krankheit zu bekämpfen und die Länder zu stabilisieren. Coronaviren können ein Trigger sein.Ob der Bond tatsächlich betroffen ist und die Investoren teilweise oder ganz ihr Kapital verlieren, hängt im Wesentlichen von der Zahl der Toten und der Zahl der Länder ab, in die sich das Virus ausgebreitet hat.