KOMMENTAR

Kein Kredit für Abgeordnete

Die Abgeordneten des Stuttgarter Landtags seien schier vom Stuhl gefallen, so erzählt der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider, als er ihnen eröffnete, dass die Chancen auf eine Immobilienfinanzierung für sie denkbar schlecht...

Kein Kredit für Abgeordnete

Die Abgeordneten des Stuttgarter Landtags seien schier vom Stuhl gefallen, so erzählt der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider, als er ihnen eröffnete, dass die Chancen auf eine Immobilienfinanzierung für sie denkbar schlecht stünden. Nur für fünf Jahre gewählt – da könnte es eng werden mit der Kapitaldienstfähigkeit über die gesamte Kreditlaufzeit. Den Parlamentariern geht es insoweit nicht besser als etwa Rentnern oder Selbständigen.Schuld ist einmal nicht die EU, sondern der deutsche Gesetzgeber, der bei der Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie glaubte, im Interesse des Verbraucherschutzes draufsatteln zu müssen. Auf den Wert der Immobilie – selbst wenn er viel höher wäre als die Kreditsumme – und zu erwartende Wertsteigerungen darf die Bonitätsprüfung entgegen der bewährten früheren deutschen Praxis “nicht hauptsächlich” abheben. Das hat die EU so nicht vorgegeben, und nicht alle Länder legen die Direktive so eng aus.Wozu die restriktive deutsche Regelung führt, ist erstmals an den aktuellen Zahlen der 52 Sparkassen im Südwesten deutlich abzulesen. Waren die Darlehenszusagen für Immobilien von Januar bis März im Vorjahresvergleich um 13 % gestiegen, brachen sie im zweiten Quartal, nachdem Ende März die Umsetzung der EU-Richtlinie wirksam wurde, um happige 20 % ein – obwohl Häuser und Wohnungen heute weggehen wie warme schwäbische Laugenbrezeln und obwohl das sonstige Kreditgeschäft zwischen Tauberfranken und Bodensee brummt wie lange nicht mehr.Aber es wird eben nicht mehr so freigebig finanziert wie vor dem – Achtung, es folgen 46 Buchstaben – Wohnimmobilienkreditrichtlinie-Umsetzungsgesetz. Mit zuweilen abartigen sozialen Folgen: Ein Rentner etwa, der sein Wohneigentum alters- oder behindertengerecht umbauen lassen möchte, wird mit Blick auf seine rechnerische Lebenserwartung Mühe haben, Kredit zu bekommen, mag die Immobilie noch so werthaltig sein.Hinzu kommt, dass nach den Wertpapiersparern nun auch die Kreditsuchenden mit Papierbergen nachgerade zugemüllt werden. Derweil gehen die Berater von Banken und Sparkassen das Risiko ein, wegen Falschberatung belangt zu werden, sollten sie doch zu sehr auf den Wert der Immobilie schielen.Gab es einen sachlichen Anlass für diese Verschärfung? Nein. Der Gesetzgeber wollte es nur perfekt machen. Hat aber nicht ganz geklappt.