Kein Testat für Wirecard in Singapur
jh München – Neue Zweifel an einer korrekten Bilanzierung haben den Aktienkurs von Wirecard am Mittwoch schwer unter Druck gesetzt. Der Börsenwert des Zahlungsdienstleisters sank in der Spitze im Xetra-Handel um mehr als 7 %, vorbörslich ging es um 8 % nach unten. Der Schlusskurs von 117,25 Euro bedeutete für den Dax-Titel einen Tagesverlust von 3,3 %.Wieder einmal geht es um die Tochtergesellschaft in Singapur. Im Januar dieses Jahres hatte die britische Wirtschaftszeitung “Financial Times” erstmals Betrugsvorwürfe erhoben. Später hatte Wirecard zugegeben, dass einige Positionen in Singapur falsch bilanziert worden seien. Nun berichtete das “Handelsblatt”, die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hätten der Tochter in Singapur ein Testat der Jahresbilanz 2017 verweigert. Bedeutung wird relativiertDas Unternehmen mit Sitz in Aschheim bei München bestätigte dies, relativierte aber die Bedeutung der Sache. Für die Konzernabschlüsse der Jahre 2017 und 2018 habe Wirecard einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer erhalten. Der lokale Einzelabschluss 2017 in Singapur sei auf der Grundlage lokaler Rechnungslegungsvorschriften (SFRS) geprüft worden. Wegen der Untersuchung der Bilanzierungspraxis in Singapur sei ein Teil der Akten nicht verfügbar gewesen. Der lokale Wirtschaftsprüfer sei deshalb nicht in der Lage gewesen, ein abschließendes Prüfungsurteil abzugeben.Weiter heißt es in der in Englisch formulierten Stellungnahme von Wirecard, diese Beschränkungen seien für die Prüfung des Konzernabschlusses nach IFRS nicht relevant. Die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke von Ernst & Young für die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Geschäftsberichte 2017 und 2018 blieben unberührt. Wirecard weist zudem darauf hin, dass die Berichterstattung über den Einzelabschluss in Singapur für das Geschäftsjahr 2018 kurz vor dem Abschluss stehe.Die Analysten der DZ Bank, die die Wirecard-Aktie mit einem fairen Wert von 185 Euro weiterhin zum Kauf empfehlen, sind der Ansicht, dass die Aktionäre über die andauernden Vorwürfe gegen das schnell wachsende Unternehmen besorgt seien. Vertrauen in die Qualität der Bilanzierung sei unabdingbar. “Wir erwarten, dass das Unternehmen seine Rechnungslegungsstandards überprüft und verbessert”, schreibt Analyst Harald Schnitzer. “Wirecard muss diesbezüglich für mehr Klarheit und Glaubwürdigkeit sorgen.” KPMG prüft Vor einem Monat hat das Unternehmen nach neuen Vorwürfen der “Financial Times” die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG beauftragt, die Bilanzen von Wirecard unter die Lupe zu nehmen (vgl. BZ vom 22. Oktober). Mit dieser Sonderprüfung wollen Vorstand und Aufsichtsrat für mehr Transparenz sorgen und Vorwürfe widerlegen, dass Zahlen manipuliert worden seien. Wirecard kündigte an, das Ergebnis des Untersuchungsberichts zu veröffentlichen.Die Vorgänge in Singapur hatte Wirecard im Frühjahr von einer Anwaltskanzlei prüfen lassen. Diese erkannte im Verhalten von leitenden Mitarbeitern Verdachtsmomente strafbaren Verhaltens, schloss einen systematischen Betrug unter Beteiligung und Mitwissen des Konzernvorstands jedoch aus. Auch die Polizei in Singapur nahm Ermittlungen auf. – Wertberichtigt Seite 8