Mehr ländliche Entwicklung, weniger Agrar
Serie Förderbanken (7): Landwirtschaftliche Rentenbank
Mehr ländliche Entwicklung, weniger Agrar
Volumina der Förderprogramme verschieben sich – Vorstandssprecherin Steinbock will CO2-Fußabdruck des Förderportfolios ermitteln lassen
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Viele Bauern halten sich mit Investitionen zurück, weil sie verunsichert sind, welche politischen Vorgaben auf sie zukommen. Das sagt Nikola Steinbock, Chefin der Landwirtschaftlichen Rentenbank im Gespräch der Börsen-Zeitung. Für das Förderportfolio des Instituts, das in diesem Jahr voraussichtlich geringer ausfallen wird, soll perspektivisch der CO2-Fußabdruck ermittelt werden.
Die Landwirtschaftliche Rentenbank wird in diesem Jahr voraussichtlich im Neugeschäft ein Fördervolumen von rund 6,5 Mrd. Euro erreichen, gut 5% weniger als im Vorjahr. Die Vorstandssprecherin der staatlichen Förderbank, Nikola Steinbock, zeigt sich im Gespräch mit der Börsen-Zeitung dennoch zufrieden mit der Prognose: „Wenn man sich anschaut, welchen Boom wir im vergangenen Jahr bei erneuerbaren Energien hatten und wo wir dieses Jahr stehen, sind 6,5 Mrd. Euro eine tolle Entwicklung.“
Schon die kürzlich vorgelegten Halbjahreszahlen haben gezeigt, wohin die Reise geht. Im Programmkreditgeschäft haben drei von vier Fördersparten an Bedeutung verloren, einzig die Förderung des ländlichen Raums hat enormen Zuwachs verzeichnet. In der ersten Jahreshälfte ist das Neugeschäft insgesamt um 16% auf 3,2 Mrd. Euro zurückgegangen. Dabei ist die Fördersparte ländliche Entwicklung um drei Viertel gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 gewachsen und nimmt somit die Hälfte des Volumens der Programmkredite ein. Die Förderzahlen in den Programmen erneuerbare Energien, Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Landwirtschaft sind hingegen eingebrochen.
Es deutet einiges darauf hin, dass sich diese Verschiebungen vorerst verstetigen. Die Förderung der ländlichen Entwicklung, beispielsweise im Tourismus, in der Einkommensdiversifizierung, im Ausbau von Infrastruktur wie öffentlichem Personennahverkehr und Glasfaserkabel-Verlegung, erweise sich weiter als Wachstumstreiber, sagt Steinbock. Das bestätigten auch die Zahlen für Juli und August. Erneuerbare Energien hingegen boomten nicht mehr. „Wir stellen im Moment eine Zurückhaltung fest, was aus meiner Sicht auch regulatorische Gründe hat wie zum Beispiel die Genehmigungen von Windrädern.“
In der Landwirtschaft ist ihrer Beobachtung zufolge Verunsicherung über die künftige Agrarpolitik weit verbreitet, weshalb sich die Bauern in Zurückhaltung übten. „Die unsicheren Rahmenbedingungen behindern langfristigere Investitionen. Wer Landwirt ist und auf 10, 20 Jahre investiert, der wünscht sich etwas mehr Klarheit und Sicherheit“, sagt Steinbock.
Der Druck nimmt zu
Vieles treibt die Bauern um: Sei es das Ansinnen der Regierung, den Anteil des Öko-Landbaus bis 2030 auf 30% zu vervielfachen oder Schweineställe zum Wohle der Tiere umzubauen, sei es die Inflation, die die Kosten nicht nur für Dünger und Landmaschinen in die Höhe treibt. „Wir haben 20 Jahre wenig transformiert im Land, egal, ob es um erneuerbare Energien geht oder Tierhaltung“, sagt Steinbock. „Es war ja sehr gemütlich, und wir haben gedacht, es läuft immer so weiter. Aber jetzt merken wir, dass dem nicht so ist. Damit steigen der Druck und die Unsicherheit.“
Ihres Erachtens tragen aber nicht nur bundesdeutsche Entwicklungen, sondern auch globale wie die Beziehung zu China und auch der Ukraine-Krieg zur Verunsicherung bei, und das in der gesamten Gesellschaft. „Ob Klimawandel, Inflation oder geopolitische Lage: Es kommen jetzt verschiedene Faktoren zusammen, und es fühlt sich so an, als ob sich das Maß an Herausforderungen auch nicht mehr ändert“, sagt Steinbock.
Um die Transformation der Landwirtschaft zu bewerkstelligen und den Bauern mehr Planungssicherheit zu verschaffen, plädiert sie für klare, mittelfristige Vorgaben. „Wir brauchen ein Zukunftsbild Landwirtschaft, das beschreibt, wo wir 2030 stehen und wie wir dahin kommen wollen.“ Zudem sei eine Diskussion vonnöten, wie Berufe in der Landwirtschaft attraktiver und in der Gesellschaft besser anerkannt werden können „und nicht nur als Knochenjob angesehen werden“.
In aktuell sechs „Zukunftsfeldern im Fokus“ fördert die Rentenbank Investitionen in Land- und Ernährungswirtschaft mit vergünstigten Zinskonditionen gegenüber den Standardkonditionen des Hauses. Dazu zählen unter anderem die Förderung regionaler Lebensmittelproduktion und von jungen Hofnachfolgerinnen und Existenzgründerinnen, werden doch jüngsten verfügbaren Daten von 2020 zufolge nur 11% der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland von Frauen geführt. Viel verspricht sich Steinbock auch von Lösungen, die Flächenkonflikte lösen wie Agri-Fotovoltaik. Damit ist die Installation von Solaranlagen auf landwirtschaftlich genutztem Boden gemeint, um knappe Flächen möglichst effizient zu nutzen.
„Unser Beitrag zur Transformation ist unter anderem, unser Förderprogramm ,Zukunftsfelder im Fokus` zu bespielen und neue Ideen und Geschäftsmodelle zu fördern“, sagt die Rentenbank-Chefin. „Und das über zahlreiche Wege. Wir refinanzieren Hausbanken und finanzieren Lösungen mit, die ansonsten zumindest teilweise nicht stattfinden würden.“ Als Beispiele nennt sie das auf zehn Jahre ausgelegte Projekt „für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft“, kurz „Franz“. Es unterstützt Naturschutzmaßnahmen wie Lebensräume für wildlebende Tier- und Pflanzenarten auf bewirtschafteten Agrarflächen. Getestet wird das bundesweit in zehn Demonstrationsbetrieben.
Darüber hinaus spielen Steinbock zufolge auch Venture-Capital-Fonds (VC) eine bedeutende Rolle in der Transformation. Jüngst hat sich die Rentenbank beispielsweise mit insgesamt 15 Mill. Euro an den beiden Venture-Capital-Fonds Astanor und Zintinus beteiligt. Bis Ende 2024 sei geplant, etwa 140 Mill. Euro in VC-Fonds zu investieren, gab die Bank nun bekannt.
Nur noch ein Fünftel ESG-konform
Von den Programmkrediten über insgesamt 3,2 Mrd. Euro im ersten Halbjahr waren Steinbock zufolge 600 Mill. Euro, also knapp ein Fünftel, ESG-konform, entsprachen also Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien. „Dazu zählen erneuerbare Energien, alles, was wir zur Emissionsminderung machen und zu tiergerechten Haltungsformen sowie zur Energieeffizienz.“
Ein Jahr zuvor sei der nachhaltige Anteil an den gesamten Programmkrediten von 3,8 Mrd. Euro mit etwa einem Drittel deutlich höher gewesen. Dass das nicht mehr der Fall ist, begründet die Rentenbank-Vorstandssprecherin mit dem seinerzeit sehr viel umfangreicheren Programmkredit zu erneuerbaren Energien. Betrug das Volumen in der ersten Jahreshälfte 2022 noch 1 Mrd. Euro, so schrumpfte es um zwei Drittel auf 340 Mill. Euro. Die Bank führt das seinerzeit hohe Volumen auf Vorzieheffekte bei der Finanzierung von Windkraftanlagen zurück, in Erwartung von Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.
Perspektivisch will die Rentenbank den CO2-Fußabdruck für das gesamte Förderportfolio ermitteln. Dafür müsse jedoch erst die Datengrundlage geschaffen werden, sagt Steinbock und ergänzt: „Wir schauen uns dann genau an, welchen Weg zur Reduktion der Emissionen wir gehen und wie das funktioniert.“ Angedacht sei es, Finanzierungsleitlinien für die verschiedenen Sektoren zu entwickeln. Hier stehe die Rentenbank noch in Diskussionen mit den Stakeholdern, allen voran Politik und Berufsverbände: „Wir unterbreiten Vorschläge, was wir bis wann machen wollen und was dann nicht mehr und wann wir die Stufe erreicht haben, wo wir hinwollen.“ Steinbock ist zuversichtlich, dass das im Einvernehmen mit den Stakeholdern der Bank funktionieren wird: „Ich sehe dem gelassen entgegen, wir werden eine Lösung finden.“ Dem Verwaltungsrat der Rentenbank steht Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, vor. Sein Stellvertreter ist Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
IT-Mängelliste abzuarbeiten
Noch längere Zeit beschäftigen wird die Rentenbank die IT. Nach einer Sonderprüfung, die Mängel in den Prozessen des Informationssicherheitsmanagements und des Auslagerungsmanagements aufgedeckt hatte, erlegte die Bankenaufsichtsbehörde BaFin dem Institut nicht nur zusätzliche Eigenmittelanforderungen auf, sondern auch eine Aufgabenliste auf, die es nun abzuarbeiten gilt.
„Bei vielen Themen handelt es sich um aufsichtsrechtliche Erwartungen“, erläutert Steinbock. Etwa im IT Security Management und in der Netzwerksegmentierung, wo die BaFin fordere, dass bestimmte Bereiche innerhalb des Netzwerks nochmals abgeschottet werden. Das Institut arbeite bereits seit Januar den breiten Maßnahmenkatalog ab, der mit BaFin und Bundesbank abgestimmt ist. Bis Ende 2025 will die Rentenbank die Liste abgehakt haben.
Zuletzt erschienen: Zentraler Akteur in Italiens Wirtschaft (16. August)