Steuerhinterziehung

Cum-ex-Prozess gegen Spitzenanwalt eröffnet

In einem neuen Prozess vor dem Landgericht Frankfurt werden ein bekannter Steueranwalt und ein Ex-Geschäftsführer der inzwischen geschlossenen Maple Bank der schweren Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe in Zusammenhang mit so genannten Cum-ex-Geschäften angeklagt.

Cum-ex-Prozess gegen Spitzenanwalt eröffnet

Cum-ex-Prozess gegen Spitzenanwalt eröffnet

Früherer Freshfields-Partner Johannemann und Ex-Maple-Banker Hagen W. der schweren Steuerhinterziehung angeklagt

Vor der 24. großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt hat der Prozess gegen den bekannten Steueranwalt Ulf Johannemann und einen Ex-Geschäftsführer der inzwischen geschlossenen Maple Bank begonnen. Es geht um schwere Steuerhinterziehung bei sogenannten Cum-ex-Geschäften.

tl Frankfurt

Der Cum-ex-Steuerskandal hält die Finanzwelt weiter in Atem. Am Donnerstag, 7. September, wurde vor dem Landgericht das Verfahren gegen den Steueranwalt Ulf Johannemann und einen ehemaligen Geschäftsführer der Maple Bank, Hagen W., eröffnet (Az 5/24 KLs-7480 Js 208433/21). Johannemann soll der Bank jahrelang Gefälligkeitsgutachten geschrieben haben, auf deren Grundlage sie Steuerrückerstattungen aus Aktientransaktionen rund um den Dividendenstichtag vom Fiskus gefordert und teilweise auch erhalten hat. Der Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt lautet auf schwere Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe dazu.

In der zu Prozessauftakt von den Staatsanwälten Hun Chai und Stephan Wiens verlesenen Anklageschrift wird Johannemann (seit Ende 2000 bei der großen Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, seit 2007 dort Partner und seit 2016 globaler Steuerchef) als "federführend bei der Entwicklung und anschließenden Verschleierung" der Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag beschrieben. Anfängliche Bedenken der Maple-Banker habe er mit "erkennbar fadenscheinigen Argumenten und unter Hinweis auf ein noch zu erstellendes Gutachten" ausgeräumt.

"Gezielte Falschdarstellung"

Ab 2006 habe Johannemann, heißt es in der Anklageschrift, in "Gefälligkeitsgutachten" "Sachverhalte gezielt falsch dargestellt". Die Durchführung des Handels von Aktien und später Derivaten wurde zwischen den Handelspartnern bis ins Kleinste abgesprochen. Johannemann habe aber zum Beispiel 2009 in einer Kurz-Stellungnahme "wahrheitswidrig angegeben, keine Kenntnisse über die Vertragspartner zu haben".

Den Steuerbehörden sei es erschwert worden, die Natur der Geschäfte zu erkennen, die Grundlage für Forderungen auf Erstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag waren, trugen die Staatsanwälte weiter vor. Cum-ex-Geschäfte waren in den Erstattungsanträgen enthalten, wurden aber nicht als solche benannt. Stattdessen wurde "wahrheitswidrig" behauptet, es handele sich um Arbitragestrategien - und dabei um die Wiederaufnahme einer Strategie, die schon früher angewendet wurde.

Einziger Zweck der Geschäfte war es, von den Finanzämtern Steuern "erstattet" zu bekommen. Dabei sei allen Beteiligten klar gewesen, heißt es in der Anklageschrift, dass es um die Anrechnung nicht einbehaltener Steuern gehe und dass dies "steuerlich zumindest unzulässig sein könnte". Nachdem das Jahressteuergesetz 2007 die Gesetzeslücke nicht vollständig schließen konnte, gelang dies endlich 2012. Erst 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu bewerten sind. Schon 2016 wurde die Maple Bank von der BaFin geschlossen, da sie aufgrund von Steuerrückforderungen aus den Cum-ex-Geschäften überschuldet war.

Zum Schluss des ersten Verhandlungstags verlas der Hauptverteidiger von Johannemann, Werner Leitner, ein Opening Statement, aus dem sich die Umrisse der Verteidigungsstrategie erkennen lassen. Leitner verwies auf den späten Beginn der Verfahren (die "Ersttat" war ja schon 2006), die breite Behandlung von Cum-ex in der Öffentlichkeit (von Untersuchungsausschüssen bis zu Medien), das jähe Ende der bis dahin sehr erfolgreichen beruflichen Karriere, die Komplexität der Cum-ex-Geschäfte (die man aus damaliger Warte beurteilen müsse, nicht aus heutiger), die unzulänglichen "Reparaturmaßnahmen" des Gesetzgebers - um dann zu schließen mit "Die Magie der horrenden Zahlen darf nicht die individuelle Schuld bestimmen".

Verteidigungslinie angedeutet

Interessant war auch, dass Leitner die Vorbefassung des Vorsitzenden Richters in einem anderen Cum-ex-Prozess nicht als Anknüpfung für einen Befangenheitsantrag nutzte, sondern daraus den Schluss zog, die Beteiligten könnten dadurch "sachkundiger" geworden sein. Es entstand der Eindruck, dass das Gericht durch diesen Vortrag milde gestimmt werden soll. Damit könnte der Prozess in Frankfurt ganz anders laufen als der erst kürzlich in Wiesbaden abgeschlossene, in dem Hanno Berger bis zum Schluss auf der Rechtmäßigkeit seines Handelns bestand und das Verhältnis zwischen Angeklagtem und Pflichtverteidigern durchgehend bis zum Äußersten angespannt war.

Der Prozess soll am 11. September mit Einlassungen des Angeklagten W. fortgesetzt werden. Johannemann will sich vorläufig nicht zur Sache äußern, wie der Vorsitzende Richter am ersten Verhandlungstag feststellte. Bisher sind 26 Verhandlungstage bis zum 18. Dezember 2023 angesetzt.

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