Bauspartarife ohne Guthabenzins stark nachgefragt
Bauspartarife ohne Guthabenzins werden stark nachgefragt
Bausparkassen können ihr Neugeschäft auf hohem Niveau halten – Anpassung an die gestiegenen Zinsen ist eine große Herausforderung
spe Stuttgart
Im Zuge der Zinswende der EZB ist das Neugeschäft der Bausparkassen explosionsartig angesprungen. Doch um das hohe Tempo des Zinsanstiegs zu verarbeiten, müssen die Institute ihr Geschäftsmodell auf die neue Situation einstellen. Dann aber, nach zwei, drei Jahren, werde die gesamte Branche vom erhöhten Zinsniveau profitieren, schätzt Bernd Hertweck, Chef der Bausparkasse Wüstenrot und Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Privaten Bausparkassen.
Neuer Rekord in Sicht
Tatsächlich konnten die zehn privaten Bausparkassen im ersten Halbjahr 2023 an das vorangegangene Rekordjahr anknüpfen und die Bausparsumme nochmals um 10% auf 38,3 Mrd. Euro erhöhen. Dieses und andere Themen diskutierten Branchenvertreter auf dem gut besuchten Finance Summit der Börse Stuttgart, auf dem die Financial Community in ihrer Breite zu Gast war. Allein das hohe Niveau des Neugeschäfts, das 2022 um 47% zulegte, zu bestätigen, wäre laut Hertweck schon eine gute Leistung. Wüstenrot steigerte zum Halbjahr das Bruttoneugeschäft nach Bausparsumme um 27% auf rekordhohe knapp 11 Mrd. Euro. Als Ziel für das Gesamtjahr gibt Hertweck das Niveau des Vorjahres aus, betont aber, dass man bereits heute vor dieser Prognose liege.
Nach dem kräftigen Boom hat sich auch für die LBS-Gruppe der Markt auf einem hohen Niveau stabilisiert, was sich in einem Plus von 8% bei den neu abgeschlossenen Verträgen widerspiegelt. „Wir stehen wieder auf festem Eis“, sagt dazu Stefan Siebert, Vorstandsvorsitzender der LBS Süd.
Branche muss gestiegenes Zinsniveau kurzfristig verarbeiten
Die Branche muss kurzfristig das stark gestiegene Zinsniveau verarbeiten – je nachdem, wie sich die einzelnen Anbieter bei den Zinsen positioniert und welche Abrufzahlungen sie einkalkuliert haben. Um in Liquidität zu bleiben, mussten manche Anbieter Wertpapiere mit Verlust verkaufen oder sich über Pfandbriefe refinanzieren, was vorübergehend zu Belastungen geführt hat. „Temporär wird’s manchmal stressig“, sagt Hertweck.
So wurde bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall die Liquidität knapp, nachdem im ersten Halbjahr doppelt so viele Kunden wie im Vorjahr ihr Bauspardarlehen abriefen. Diese Lücke musste der Marktführer kurzfristig teuer am Kapitalmarkt schließen. Das führte zu einem IFRS-Halbjahresverlust von 14 Mill. Euro. Nach HGB wären es knapp 100 Mill. Euro Plus gewesen. „Ein vorübergehender Effekt“, versichert Reinhard Klein, Vorstandschef von Schwäbisch Hall. Weil der Kasse über neu abgeschlossene Verträge wieder günstige Liquidität zufließe, werde Schwäbisch Hall das Jahr 2023 dennoch mit einem positiven Ergebnis im niedrigen zweistelligen Millionenbereich abschließen. Gut zweistellig soll es dann 2024 werden und dreistellig 2025 – sofern das Umfeld so bleibt.
In zwei bis drei Jahren wird’s leichter
Ohnehin dürfte es bei dem gestiegenen Zinsniveau den Bausparkassen in zwei bis drei Jahren leichter fallen, das Bausparkollektiv zu steuern, „was im Endeffekt die gesamte Branche entlasten wird“, so Hertweck. Der Tanker der Bausparkollektive habe begonnen, sich zu drehen, stellt Siebert fest. Das mag dauern, sei aber auch nachhaltiger, so der Chef der LBS Süd.
Ursache der anhaltend starken Nachfrage bleibt der Wunsch vieler Menschen, sich die niedrigen Darlehenszinsen aktueller Bauspartarife zu sichern: 1,5 bis 2,5% bei einem Sparzins von annähernd null. „Die Kunden sind weiter stark auf den Darlehenszins fokussiert“, sagt Siebert, weshalb auch noch keine neuen Tarife mit spürbaren Guthabenzinsen am Markt sind.
Noch ein bis zwei Jahre
Bis die Branche wieder über höherverzinsliche Tarife nachdenken wird, dürften noch ein bis zwei Jahre vergehen, rechnet Hertweck. Während Bausparen einen Boom erlebt, ist das Geschäft mit Baudarlehen um die 50% eingebrochen. Dennoch sehen die Kassen den Bestand nicht abschmelzen. Vielmehr gibt es hier Zuwächse, weil es zu geringeren Ab-
gängen und, aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus, weniger Sondertilgungen kommt.