IM GESPRÄCH: ERIC FELLHAUER

"Keine Liste potenzieller Käufer ohne Chinesen"

Lazard-Co-Chef in Frankfurt: Deutsche Konzerne suchen nach Übernahmechancen, halten sich bisher aber weitgehend zurück

"Keine Liste potenzieller Käufer ohne Chinesen"

Was bliebe am M&A-Markt ohne potente chinesische Interessenten? Nicht viel. Mit Macht drängen die Bieter aus der Volksrepublik auf den Markt. Wie Eric Fellhauer, Co-Chef der Investmentbank Lazard in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt, sind deutsche Unternehmen dagegen wenig aktiv.Von Walther Becker, FrankfurtDie größte Übernahme in diesem Jahr bisher: Das Schweizer Pflanzenschutzunternehmen Syngenta geht für 48 Mrd. Dollar an Chemchina. Das Interesse aus China ist groß – und es geht weiter: Der Finanzinvestor EQT verkauft die deutsche Müllverbrennungsanlagen EEW für 1,8 Mrd. Euro nach Peking, Bilfinger gibt das Wassergeschäft in die Volksrepublik ab, und der Maschinenbauer KraussMaffei geht für 925 Mill. Euro ins Reich der Mitte. So retten Bieter aus dem kommunistisch regierten Land mit vollen Taschen den M & A-Markt über die Runden.”Die Pipeline mit Interessenten aus China ist voll”, berichtet Eric Fellhauer, Co-Chef der Investmentbank Lazard in Deutschland, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Es gibt kaum eine Liste mit potenziellen Käufern ohne einen chinesischen Namen.” Er spricht von einem staatlich gestützten Kapitalexport. Ganz mauOhne das Interesse aus der Volksrepublik wäre der M & A-Markt ziemlich mau – im ersten Quartal brachen die Aktivitäten global um 20 % ein, und in Deutschland fielen die Gebühreneinnahmen der Banken aus M&A um 44 % auf gerade noch 97 Mill. Dollar – das schwächste Vierteljahr seit dem zweiten Quartal 2003 und gar der flaueste Jahresstart seit 1998, wie Dealogic herausgefunden hat. Einzig die eingefädelte Börsenfusion mit London im Volumen von 13 Mrd. Euro hat den Markt am Leben gehalten. Angekündigt wurden Deals ausländischer Bieter hierzulande für 5,7 Mrd. Dollar – 3,2 Mrd. Dollar davon kommen aus China.Anders als die “fokussierten, disziplinierten und verlässlichen” Bieter aus Japan interessierten sich Bieter aus der Volksrepublik, mit denen man über längere Zeit kaum gerechnet habe, sehr breit für Assets in Europa. So hatte sich Chemchina beim Reifenhersteller Pirelli für 7 Mrd. Dollar, bei Syngenta und dem deutschen Maschinenbauer KraussMaffei in kurzer Folge eingekauft – Aktivitäten, die jedenfalls direkt nichts miteinander zu tun haben.Fellhauer lässt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung durchblicken, dass die Verhandlungen mit Chinesen sich oft nicht gerade einfach gestalten, da die Entscheidungsträger in den seltensten Fällen mit am Tisch säßen und es im Verlauf häufig Überraschungen gebe. Japaner, denen es nicht auf Technologie, sondern Internationalisierung ankomme, befürchteten teilweise, dass die noch vergleichsweise junge Konkurrenz das Marktgefüge kaputtmache.Nach einem über fünf Jahre dahindümpelndem M & A-Markt in Europa kam 2015 mit einem Volumen von 584 Mrd. Euro das Hoch seit 2007. In Deutschland allerdings brach der Markt seit Anfang vorigen Jahres um 20 % ein, die größte Volkswirtschaft der Region stand für lediglich 9 % des M & A-Volumens, verglichen mit 33 % für Großbritannien oder 19 % für Benelux und 13 % für Frankreich. “Die deutschen Schlüsselindustrien sind vergleichsweise wenig aktiv”, beobachtet Fellhauer, “sie suchen alle, ihre Preisdisziplin führt jedoch häufig zu Zurückhaltung.” Erwartungen, dass der Markt 2016 anziehe, trogen, denn Aktienkursentwicklung und Volatilität hätten den Nachholbedarf im Keim erstickt. Mittlerweile sind die Notierungen aber wieder zurückgekommen, und Fellhauer setzt darin Hoffnungen. Unsicherheit herrschtDie Transaktionen deutscher Unternehmen seien zuletzt sämtlich “auf wesentliche strategische Ziele fokussiert” gewesen, wie Deutsche Börse/LSE, Boehringer Ingelheim/Sanofi oder Kaufhof/Hudson’s Bay zeigten. “Keine Transaktion wurde nur angekündigt, weil die Taschen voll sind und Geld billig zu haben ist.” Aber “die Unsicherheit ist noch präsent”, sagt Fellhauer und hält es für zumindest mühsam, dass der Markt wieder anzieht.Während es feindliche Übernahmeversuche nur nach langen Aufschwungphasen gebe, gehöre der Dual Track, also das gleichzeitige Einleiten von Verkaufs- und Börsengangsprozess, heute zum Standardrepertoire. “Ein IPO zieht internationale Investoren von einer Streubesitzmarktkapitalisierung ab 250 Mill. Euro an.” Dies setze Unternehmenswerte von etwa 1 Mrd. Euro bei einem Free Float von 50 % voraus.Die Dax-Bewertungen seien gegenüber dem Hoch 2015 von 9,8-mal bezogen auf Enterprise Value (Marktkapitalisierung plus Nettofinanzschulden) zu operativem Ergebnis (Ebitda) etwas zurückgekommen auf etwa 9,3-mal. In dieser Situation habe es Private Equity anders als der M & A-Markt insgesamt nie mehr geschafft, die Höhen von 2007 zu erklimmen. Die Beteiligungshäuser zahlten dieses Jahr aber 10,4-mal Ebitda nach 9,2 vor Jahresfrist. Beruhigend sei der auf 49 % gestiegene Eigenkapitalanteil bei Private-Equity-Transaktionen. Und immer neue Fonds strömten nach Deutschland, alle rangelten um die gleichen wenigen Assets. Allein 30 bis 40 neue Adressen seien zuletzt in die Bundesrepublik gekommen. Hinzu kommen die arrivierten Akteure, deren neue Fonds wieder größer ausfallen.”Was zehn Jahre gut gelaufen ist, das wird auch weiter gut laufen”, beschreibt er den Herdentrieb vieler Fondsmanager und deren Secondary Buy-outs. “Doch es gibt immer eine gewisse Zyklik”, erinnert er – eine positive Entwicklung in der Vergangenheit sei nun einmal keine Gewähr für eine aussichtsreiche Zukunft. Restrukturierungsfälle in den Portfolios seien rar – noch.