GASTBEITRAG

Keine Rendite ohne Risiko

Oliver Schlick, Chief Investment Officer der BayernInvest, zählt Anleihen von Unternehmen und Schwellenländern zum Kerninvestment

Keine Rendite ohne Risiko

Infolge der Finanz- und Verschuldungskrise haben Investoren manches Investmentkonzept auf den Prüfstand gestellt. Die veränderten Bedingungen an den Kapitalmärkten führen zu neuen Einsichten im Portfoliomanagement. Dies gilt auch für den Core-Satellite-Ansatz.Der risikolose Zins ist seit Jahren ein zentraler Begriff der Finanzmarktheorie sowie fester Bestandteil des Portfoliomanagements institutioneller Investoren in der Praxis. Er beruht auf der Annahme, dass am Finanzmarkt Schuldner existieren, bei denen nach allgemeiner Ansicht kein Ausfallrisiko besteht. Verzinsung und Rückzahlung des eingesetzten Kapitals sind mithin vollumfänglich gewährleistet. Investoren dient der risikolose Zins als wichtiger Bezugspunkt für den Vergleich mit risikobehafteten Assets. Die Differenz zwischen der Rendite aus risikobehafteten und risikolosen Anlagen ergibt den im gegenwärtigen Umfeld so dringend benötigten Mehrertrag.Die jüngste Vergangenheit hat dieses Gedankengebäude nachhaltig beschädigt. Galten bis dahin Staatsanleihen als sichere Häfen und Referenz für den risikolosen Zins, so mussten Investoren im Verlauf der Finanz- und Verschuldungskrise die schmerzhafte Erfahrung machen, dass ihre Annahmen fehlerhaft waren. Zum einen erwiesen sich Staaten durchaus als unsichere Schuldner mit hohem Ausfallrisiko. Zum anderen zeigte sich, dass mit Staatsanleihen hoher Bonität Risiken nur um den Preis von extrem niedrigen Zinszahlungen zu begrenzen sind, die mitunter nicht einmal für eine reale Rendite ausreichen. Der risikolose Zins ist zu einem zinslosen Risiko mutiert. Im anhaltendenden Niedrigzinsumfeld stehen damit gerade deutsche institutionelle Investoren, deren Portfolios traditionell durch Rentenanlagen dominiert sind, vor großen Herausforderungen. Ohne ein Umdenken und die Neubewertung gewohnter Konzepte werden diese oftmals nicht zu bewältigen sein.Dies gilt insbesondere für den sogenannten Core-Satellite-Ansatz, bei dem die Grundannahme des risikolosen Zinses eine herausgehobene Rolle spielt. Die zentrale Idee dieses Ansatzes ist die rendite- und risikoadäquate Strukturierung eines Portfolios durch die Aufteilung des Anlagevermögens in zwei Gruppen. Die Kerninvestments (Core) machen den größten Teil der Allokation aus und sollen Sicherheit und einen nachhaltigen Kapitalzuwachs sicherstellen. Ein geringerer Teil des Anlagevermögens wird in Rendite-Satelliten investiert, die möglichst unabhängig vom Kerninvestment für den Mehrertrag sorgen sollen. Im Rentenmanagement institutioneller Investoren fand dieser Ansatz zunächst nur geringe Berücksichtigung. Mit dem durch das rückläufige Zinsniveau ausgelösten, wachsenden Renditedruck hatten entsprechende Konzepte jedoch zunehmend Einzug in die Investmentpraxis gehalten: Um einen Kern vor allem deutscher und europäischer Staatsanleihen kreisten dabei klassischerweise verschiedene Renten- aber auch Aktienvehikel mit höherem Risiko- und Renditepotenzial. Dieser Ansatz wird angesichts des veränderten Investmentumfeldes in dieser Ausprägung nicht mehr durchzuhalten sein. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass ein risikoloser Zins nicht wirklich existiert, Anleihen westlicher Industriestaaten also weder die nötige Sicherheit bieten noch die erforderlichen Renditen erwirtschaften, ist die Basis des Core-Satellite-Modells brüchig geworden. Über kurz oder lang wird es in dieser Zusammensetzung verschwinden oder zumindest inhaltlich neu ausgestaltet werden müssen.Wie könnte eine Neugestaltung des brüchigen Kerns aussehen? Ein Königsweg ist nicht in Sicht. Grundsätzlich bieten sich zur Lösung der Aufgabenstellung jedoch zwei Perspektiven an. Die erste läuft auf eine stärkere Diversifikation des Kerns hinaus. Mit Hilfe einer breiten Streuung über das gesamte Spektrum des Investment-Grade-Universums hinweg kann das angeschlagene Risiko-Rendite-Profil des Kerns im Sinne stabiler Erträge verbessert werden. Im Zuge dieser Strategie könnte sich der Kern dahingehend verändern, dass die bisherigen Satelliten im Portfolio künftig eine stärkere Gewichtung erfahren, wodurch sich das Verhältnis von Kern und Satellit automatisch verändern wird. Was früher Satellit war, könnte künftig stärker zum Kern gehören und umgekehrt.Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Schwellenländer zu. Daran hat sich vor dem Hintergrund der jüngsten Marktturbulenzen grundsätzlich nichts geändert. Immer noch bieten Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets ein vorteilhaftes Risiko-Rendite-Verhältnis. Gleiches gilt auch für den Bereich der Emerging-Markets-Staatsanleihen. Die Attraktivität von Emerging-Markets-Anleihen dürfte ungeachtet gewisser Schwankungen auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Hierfür spricht, dass sich die gegenüber den entwickelten Volkswirtschaften besseren Wachstumsperspektiven in den vergangenen Monaten aus fundamentaler Sicht nicht nachhaltig verändert haben. Die Emerging Markets werden daher voraussichtlich der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bleiben und Investoren weiterhin die Chance auf den notwendigen Mehrertrag auch im Investment-Grade-Bereich bieten. Wann und in welchem Ausmaß eine Abkehr von der lockeren Geldpolitik in den entwickelten Industriestaaten dort zu einer Zinserhöhung führen wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem nicht vorhersagen. Ein schnelles und grundlegendes Umsteuern der Notenbanken ist allerdings aus heutiger Sicht nicht wahrscheinlich. Denn noch hängen sowohl die wirtschaftliche Erholung als auch die Finanzierung der Staatsverschuldung in den entwickelten Ländern unverkennbar am Tropf niedriger Zinsen. Eine weitere Option zur Anpassung des Kerns an die veränderten Investmentbedingungen stellt dessen Management nach Maßgabe von Absolute-Return-Ansätzen dar. Nach wie vor dominieren im traditionellen Rentenmanagement relative Mandate, bei denen die Kerninvestments relativ zu einem Standardindex als Benchmark gemanagt werden. Ertrag und Risiko werden dabei weitgehend durch die Benchmark bestimmt und richten sich nur begrenzt nach den tatsächlichen Bedürfnissen des Investors. An einer Benchmark orientierte Strategien erschweren zudem die für den stabilen Ertrag in diesen Zeiten so wichtige Dynamisierung der Asset Allocation. Absolute-Return-Ansätze vermeiden diese Nachteile und können durch ihre asymmetrische Struktur einen wertvollen Beitrag zu einem stabilen Risiko-Rendite-Profil des Kerninvestments leisten. Ihr Grundgedanke “Risikobegrenzung und Sicherheit vor Renditemaximierung” entspricht geradezu idealtypisch der zentralen Anforderung an das Basisinvestment im klassischen Core-Satellite-Konzept, erfordert aber ein Umdenken beim Investor.