IM INTERVIEW: PETER BARKOW

"Keiner denkt über Moonshot-Projekte nach"

Barkow Consulting befürwortet Fintech-Masterplan für Deutschland - Ziel: Auf das Radar internationalen Wagniskapitals kommen

"Keiner denkt über Moonshot-Projekte nach"

Der Fintech-Experte Peter Barkow betrachtet die Entwicklung der deutschen Fintech-Branche mit Ausbau der Ökosysteme grundsätzlich optimistisch, wünscht sich aber bei der Fintech-Förderung eine Überwindung des regionalen Klein-Klein und fordert den Aufbau einer Dachmarke “Fintech made in Germany”. Von einem Brexit-Effekt für Fintech sei nichts zu spüren, so Barkow im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Barkow, das Investmentklima für Fintechs in Deutschland scheint sich abzukühlen. Trennt sich jetzt die Spreu vom Weizen?In der Tat wird die Anzahl der Finanzierungsrunden in diesem Jahr wohl erstmalig rückläufig sein. Jedoch beobachten wir einzelne Finanzierungsrunden auf Rekordniveau, so dass im ersten Quartal so viel Geld in den Sektor investiert wurde wie noch nie. Dass dreistellige Millionenrunden auch für deutsche Fintechs möglich sind, ist grundsätzlich ermutigend. Zu den in Großbritannien darstellbaren Volumina fehlt aber immer noch einiges. Gerade für junge Fintech-Gründer ist es aktuell sicherlich schwerer, Geld einzusammeln. Gute, differenzierte Ideen haben aber immer noch sehr gute Aussichten. Dafür ist das Fintech-Thema einfach zu groß und der adressierbare Markt zu attraktiv.- Sind deutsche Fintechs zu wenig ambitioniert und denken nicht international beziehungsweise skalierbar genug?Das ist ja ein Vorwurf, den man deutschen Start-ups gerne generell macht. Wenn man sich dann die Größenordnungen anschaut, in denen amerikanische Start-ups denken, ist das auch wirklich beeindruckend. In Deutschland baut kein Start-up mal eben so ein Elektroauto oder entwickelt Raketen. Niemand denkt über Moonshot-Projekte à la Google nach. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Voraussetzungen in Deutschland schwieriger sind. Der deutsche Markt ist verglichen mit China oder den USA sehr klein. Wenn man in diesen Ländern Marktführer ist, ist das oft gleichbedeutend mit Weltmarktführerschaft. Mit den einhergehend hohen Bewertungen kann man dann auf internationale Einkaufstour gehen. Der Druck, einem Kaufangebot eines mehrfach größeren internationalen Käufers standzuhalten, ist dann naturgemäß schwer. Der Bieter lässt dann mehr oder weniger explizit wissen: Entweder ich kaufe dich oder deinen wichtigsten Wettbewerber oder ich starte in Deutschland einfach selbst. Die sicherste Variante für ein Start-up ist dann oft, sich kaufen zu lassen. Das führte dann dazu, dass das bislang erfolgreichste deutsche Fintech verkauft wurde, bevor es Unicorn-Status erreicht hatte.- Was trauen Sie denn zum Beispiel N26 und der Solaris Bank zu?Bis auf die Tatsache, dass beide Banken sind, haben die Geschäftsmodelle eher wenig gemein. N26 ist ein schönes Beispiel dafür, wie zügig Fintechs im Retailbereich skalieren können. Für Banken sollte dies eine eindringliche Erinnerung daran sein, wie schnell Marktanteile, ganze Märkte oder Teile der Wertschöpfungskette verloren gehen können. Die Solaris Bank ist dagegen eher ein Beschleuniger für Fintech-Angebote für eine ganze Reihe von potenziellen Anbietergruppen (Fintechs, ausländische Banken, Retail). Mit Anbietern wie der Solaris Bank verringert sich die Markteintrittsbarriere für den Start von Bankprodukten noch einmal erheblich.- Wird sich der Trend fortsetzen, dass die Gelder für größere Runden von internationalen VC und ausländischen Banken kommen?An der bislang größten Fintech-Finanzierungsrunde in Deutschland war die Allianz zumindest beteiligt. Für Finanzierungsrunden über 100 Mill. Euro wird es aber vorerst so bleiben, dass die Gelder aus dem Ausland kommen. Auch 50-Mill.-Euro-Runden sind nur mit wenigen einheimischen Venture-Capital-Gesellschaften (VC) darstellbar. Generell muss Fintech Deutschland aber noch mehr auf den Radar internationaler VC-Schwergewichte. Mit der Entwicklung des Ökosystems und einzelner Start-ups wird das aber sicherlich auch passieren.- Die Masse an Robo-Advisern schreit nach Konsolidierung, oder?Auf der Start-up-Seite wird sich das Wachstum sicherlich stark abschwächen. Auch werden einzelne Anbieter verschwinden, wenn sie nicht genügend Assets akquirieren oder eben das Geschäftsmodell in Richtung B2B drehen. Die Anzahl von Robo-Advisern von Banken, Versicherungen, Assetmanagern und anderen Finanzdienstleistern wird allerdings noch weiter steigen.- Insbesondere in Frankfurt und Berlin hatte man ja gehofft, aufgrund des Brexit stärker Fintechs anzuziehen. Ist davon schon was zu bemerken?In Großbritannien ist aktuell kein Massenexodus zu beobachten. Aus Investorensicht scheint das Thema eh abgehakt, da sich das VC-Investmentvolumen 2017 gegenüber dem Vorjahr fast verdreifacht hat. Wenn ich darüber nachdenke, kenne ich kein Fintech-Start-up, das nicht vorher schon deutsche Wurzeln hatte, das nach Deutschland gekommen ist. – In Sachen Fintech-Förderung haben wir in Deutschland dieses schablonenhafte Hub-Prinzip der Regionen und Schwerpunkte, was ja von Wirtschaftsminister Altmaier schon als blutleer kritisiert wurde, um ihn zu paraphrasieren. Wären wir besser beraten, den Föderalismus in Sachen Fintech hinter uns zu lassen?Um mit den internationalen Zentren mitzuhalten, braucht Deutschland sicherlich einen Fintech-Masterplan. Das bedeutet dann, wie das Wort schon sagt, einen Master und einen Plan. Die vielen dem Föderalismus geschuldeten Hubs haben es wirklich allein extrem schwer, genügend internationale Strahlkraft aufzubauen. Ich denke, dass eine Dachmarke à la “Fintech made in Germany” sinnvoll sein könnte.- So mancher in der Branche stöhnt über den Konferenzen- und Awards-Overkill bei Fintech und Digitalisierung. Ist die Branche zu sehr mit sich selbst beschäftigt beziehungsweise zu selbstverliebt?Das würde ich so nicht sagen, aber die Veranstaltungsdichte ist schon immens. Allein in Frankfurt gibt es oft mehrere Fintech- beziehungsweise Digitalveranstaltungen am Tag. Wenn man regionale Meet-ups mitzählt, gibt es aktuell vermutlich mehr Veranstaltungen als Fintech-Start-ups. Auch hier wird aber vermutlich eine Konsolidierung eintreten.- Wann haben wir das erste deutsche Fintech-Unicorn, und wer ist der heißeste Kandidat dafür?Zu einzelnen Unternehmen können und wollen wir uns da nicht äußern. Generell haben wir in Deutschland nach den letzten Exits ja nicht mal mehr als eine Handvoll Unicorns. In Bezug auf Fintech und die Bewertungen, die aktuell in Großbritannien erzielt werden, ist es eigentlich erstaunlich, dass wir noch keines haben.—-Die Fragen stellte Björn Godenrath.