Kerviel muss um Entschädigung bangen
wü – Es war der erste Sieg, den er in der langen juristischen Auseinandersetzung mit seinem früheren Arbeitgeber erringen konnte. Doch nun muss Ex-Skandaltrader Jérôme Kerviel fürchten, dass ein Pariser Berufungsgericht doch noch zugunsten von Société Générale entscheidet. Die französische Bank hat Einspruch gegen das Urteil eines Arbeitsgerichts eingelegt, das Kerviel im Sommer 2016 eine Entschädigung in Höhe von 455 000 Euro zugesprochen hatte, weil Société Générale dem 41-Jährigen unrechtmäßig ohne wirklichen und ernsthaften Grund und unter beleidigenden Bedingungen gekündigt habe. Arnaud Chaulet, der Anwalt der Bank, bezeichnete das Urteil seinerzeit als “skandalös”.Mehr als zehn Jahre nach dem durch Kerviel ausgelösten Skandal und seiner daraufhin erfolgten Entlassung befasste sich das Berufungsgericht Paris diese Woche erneut mit dem Fall. Sein Urteil will es jedoch erst am 19. Dezember verkünden. Im Mittelpunkt der Debatten stünde die Frage nach der Verjährung, betonte die vorsitzende Richterin der Sozialkammer des Berufungsgerichts, Marie-Luce Grandemange, zu Beginn der Anhörung. Denn laut französischem Arbeitsrecht muss ein Arbeitgeber spätestens zwei Monate nachdem er Kenntnis von dem fehlerhaften Verhalten eines Mitarbeiters erlangt hat, Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten.Das Arbeitsgericht hatte jedoch 2016 geurteilt, dass Société Générale schon lange vor dem 18. Januar 2008 gewusst habe, dass ihr damaliger Börsenhändler Kerviel bei seinen Geschäften die erlaubten Obergrenzen überschritt. Deshalb seien die für seine Entlassung im Februar 2008 geltend gemachten Gründe verjährt gewesen. Der Bretone hatte der Bank mit mutmaßlich betrügerischen Geschäften Anfang 2008 einen Verlust von 4,9 Mrd. Euro eingebrockt. Er war deshalb in zwei Instanzen zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren, davon zwei auf Bewährung, verurteilt worden.Ursprünglich war Kerviel zudem dazu verdonnert worden, Société Générale den Verlust in voller Höhe zu erstatten. Doch das Berufungsgericht Versailles befand dann 2016, er sei nur teilweise für den Verlust verantwortlich, da das Kontrollsystem der Société Générale lückenhaft gewesen sei. Es verringerte deshalb den Schadenersatz, den Kerviel seinem früheren Arbeitgeber zahlen muss, auf 1 Mill. Euro. Einen Antrag, den Strafprozess gegen ihn neu aufzurollen, lehnte die Justiz jedoch jetzt im September ab.Die Anwälte von Société Générale versuchten nun erneut geltend zu machen, dass die strafrechtliche Entscheidung Vorrang vor der zivilrechtlichen habe und dass die Bank erst im Januar 2008 von den betrügerischen Geschäften Kerviels erfahren habe. Dagegen wies Julien Dami Le Coz, der Anwalt des Skandaltraders, darauf hin, dass inzwischen zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Finanzbrigade erklärten, das Gefühl zu haben, von Société Générale in dem Fall instrumentalisiert worden zu sein.