RECHT UND KAPITALMARKT

Kickstart für Verbriefungen

Nutzt die Kapitalmarktunion der deutschen Wirtschaft ohne Erleichterungen bei Verbriefungen in Deutschland?

Kickstart für Verbriefungen

Von Sandra Wittinghofer *)Die Europäische Kommission will mit der Kapitalmarktunion den europäischen Kapitalmarkt stärken. Der Binnenkapitalmarkt soll durchlässiger und leistungsfähiger werden. Dadurch wäre die Wirtschaft weniger abhängig von Bankkrediten. Die Kapitalmarktunion will aber nicht nur Kapitalmarktfinanzierungen als Alternative zu Bankkrediten stärken. Sie will damit gleichzeitig auch die Kreditvergabe an die Wirtschaft erleichtern.Um dies zu erreichen, will die Kommission ausdrücklich Verbriefungen fördern. Dazu werden Forderungen zu handelbaren Wertpapieren gebündelt. Banken oder Unternehmen verkaufen dabei einen Teil ihrer Kredite, Handels- oder Leasingforderungen an eine Zweckgesellschaft. Zur Finanzierung des Kaufs solcher realwirtschaftlichen Forderungen begibt die Zweckgesellschaft Anleihen als Asset Backed Securities (ABS). Warum aber gerade diese Finanzierungsform, mag sich mancher fragen. Verbriefungen wurden doch lange Zeit als angeblicher Verursacher der Finanzkrise diskreditiert. Entlastung der BilanzenVerbriefungen können Bilanzen entlasten und steigern damit die Kreditvergabekapazitäten von Banken. Mittelständische Unternehmen stellen durch die Verbriefung ihrer Handels- und Leasingforderungen ihre Finanzierung breiter auf. Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Fonds wiederum können mit Anleihen oder Geldmarktpapieren aus Verbriefungen ihre Anlagen diversifizieren.Allerdings bedürfen Verbriefungen auch der ausdrücklichen Förderung, das hat die Europäische Kommission richtig erkannt. Der Verbriefungsmarkt hat sich von der Finanzkrise nie ganz erholt. Mit den Folgen der US-Subprime-Krise konfrontiert, nahm die Öffentlichkeit in Europa sämtliche Verbriefungsprodukte unterschiedslos in Kollektivhaftung. Die Maßnahmen des europäischen Gesetzgebers sahen daher immer wieder eine, im Vergleich zu anderen Assetklassen wie Covered Bonds, strenge Regulierung von Verbriefungen vor. Marktvolumen schrumpftDas Ergebnis ist ernüchternd: Viele Investoren haben sich wegen des beschwerlichen regulatorischen Umfelds und gestiegener Eigenkapitalanforderungen für Verbriefungen aus dem Markt zurückgezogen. Zusammen mit dem derzeitigen Zinsniveau drückt dies auf die Zahl und das Volumen der Neuemissionen. Der vor Beginn der Finanzkrise fast 600 Mrd. Euro große Markt ist heute mit 216 Mrd. Euro auf weniger als die Hälfte geschrumpft.Der Verbriefungsmarkt konnte über die letzten Jahre seine Reputation wieder aufbauen, nicht zuletzt weil der überwiegende Teil europäischer Verbriefungen sich auch während der Finanzkrise als solide erwies. So liegt das kumulierte Ausfallrisiko europäischer Verbriefungen seit dem Jahr 2007 bei unter 0,5 %. In Deutschland ist das Bild ähnlich: Bei den wesentlichen Assetklassen, das heißt Auto-ABS, Handels- und Leasingforderungen, KMU-Verbriefungen, kam es zu keinen nennenswerten Ausfällen. Insbesondere gelten deutsche Autoverbriefungen als besonders zuverlässige Assetklasse mit regelmäßig überzeichneten Emissionen.Folgerichtig gelangten Auto-ABS im vergangenen Jahr auch in den Katalog hochliquider Aktiva, die von europäischen Banken im Rahmen der durch Basel III eingeführten Liquiditätsdeckungsquote vorgehalten werden müssen. Regulierer und Verbriefungsmarkt diskutierten in diesem Zusammenhang intensiv, welche Kriterien sich als Qualitätsmerkmale für ABS eignen.Das Thema blieb im Fokus: Die Europäische Zentralbank hat gemeinsam mit der englischen Notenbank im Mai 2014 eine Studie veröffentlicht, in der sie sich für transparente und einfach strukturierte Verbriefungen von Konsumenten- und Unternehmensforderungen starkmachte. Diesem Aufschlag folgten mit weiteren Konsultationspapieren unter anderem die europäische Banking Authority und der Baseler Ausschuss mit dem Ziel, ein sogenanntes High-Quality-Securitisation-Segment im Verbriefungsmarkt zu identifizieren. Weitere HarmonisierungDie Europäische Kommission hat diese Bewegung im Rahmen des Grünbuchs zur Kapitalmarktunion aufgegriffen. Konkrete Kommissionsvorschläge gibt es derzeit noch nicht. Wichtig ist aber, dass der Regulierungsrahmen für Qualitätsverbriefungen angepasst wird, insbesondere hinsichtlich der Eigenkapitalanforderungen.Die Kapitalmarktunion kann den regulatorischen Rahmen für Verbriefungen rekalibrieren. Das ist positiv, aber ist dies ausreichend? Die aufsichtsrechtliche Komponente allein wird für die Revitalisierung des Verbriefungsmarktes allerdings nicht genügen.Um dem Markt nachhaltig einen Anschub zu geben, sind auf europäischer Ebene harmonisierte Regeln im Steuerrecht und Insolvenzrecht wünschenswert. Letztlich gilt dieser Appell aber in noch größerem Maße als der Europäischen Kommission dem deutschen Gesetzgeber. Denn Deutschland spielt nicht auf Augenhöhe mit anderen europäischen Ländern mit.Viele europäische Länder wie zum Beispiel Spanien, Frankreich und Luxemburg haben die steuerlichen, zivil- und insolvenzrechtlichen Aspekte der Verbriefung bereits in speziellen Gesetzen geregelt. Luxemburgs Verbriefungsgesetz gewinnt den Preis als flexibelstes und in Europa erfolgreichstes Regime. Insbesondere ist es, mangels äquivalenten Verbriefungsregimes bei uns, bei deutschen Transaktionen beliebt. WettbewerbsnachteilDer Standort Deutschland für Verbriefungsgesellschaften bei wichtigen Assetklassen wie Handels- und Leasingforderungen führt aufgrund der hiesigen Gewerbesteuerlast zur Unrentabilität der Transaktion. Dass es anders geht, beweist das Gewerbesteuerprivileg bei Bankkreditverbriefungen, bei denen überwiegend deutsche Verbriefungsgesellschaften zum Einsatz kommen. Auswertungen der True Sale International GmbH zeigen, dass die Verbriefungsgesellschaften mit wenigen Ausnahmen in dem Land bleiben, aus dem die Forderungen stammen und ein nationales Verbriefungsregime dafür genutzt wird – nur in Deutschland nicht.Von 86 deutschen Transaktionen wurden für 42 Transaktionen Verbriefungsgesellschaften in Luxemburg, den Niederlanden und in Frankreich eingesetzt. Zählt man noch die über Geldmarktpapiere refinanzierten Programme mit deutschen Leasing- und Handelsforderungen hinzu, steigt die Anzahl um etwa 150 Zweckgesellschaften, die alle nicht in Deutschland residieren. Deutschland verlagert auf diese Art Wertschöpfungsketten ins Ausland, die problemlos hier bleiben könnten.Der französische, spanische und luxemburgische Nachbar wusste auch Regeln zur Verfügung zu stellen, die insbesondere insolvenzrechtliche Risiken einfacher handhabbar machen. Die Übertragung von Forderungen oder anderer Vermögenswerte an ein ausgewiesenes Verbriefungsvehikel ist ohne weitere Maßnahme insolvenzfest. Das bedeutet, dass die Insolvenz des Forderungsverkäufers die Übertragung der Forderungen und den daraus folgenden Zahlungsfluss nicht beeinträchtigt.In Deutschland ist eine solche schlichte Aussage nicht möglich, insbesondere nicht bei Leasingforderungen. Auch hier würde eine klare gesetzliche Aussage den Vorsprung ausländischer Verbriefungsregimes wiedergutmachen. Gesetzgeber gefordertDer deutsche Gesetzgeber hat die Möglichkeit, deutschen Verbriefungen im Rahmen der europäischen Bewegung zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes Chancengleichheit zu ermöglichen. Dieses “level playing field” in Gestalt eines sicheren Rechtsrahmens könnte die inländischen Verbriefungen von Banken, Leasinggesellschaften und dem KMU-Segment stärken. Sogar Infrastrukturinvestitionen könnte sich ein solches Regime nutzbar machen.Um das europäische Ziel einfacher, transparenter und standardisierter Verbriefungen zu erreichen, und nicht zuletzt dem deutschen Verbriefungsmarkt Wettbewerbsnachteile auszugleichen, würde ein deutsches Verbriefungsgesetz für einen Kickstart sorgen.—-*) Sandra Wittinghofer ist Partner Banking & Finance der Kanzlei Baker & McKenzie in Frankfurt.