Kirch-Prozess auf der Zielgeraden
bg München – Im Prozess der Kirch-Erben gegen die Deutsche Bank hat das Oberlandesgericht München am Montag die Beweisaufnahme im KGL-Pool-Verfahren zur Haftung für beendet erklärt. Als Zeugen vernommen wurden zwei Sprachwissenschaftlerinnen, die Aufschluss darüber geben sollten, wie Formulierungen eines in Englisch verfassten Vorstandsprotokolls von Ende Januar 2002 zu verstehen sind.Dabei drehte es sich zum Beispiel um die Frage, ob die Verwendung des unbestimmten Artikels im Deutschen und Englischen deckungsgleich sei – was verneint werden konnte. Es ging um die Formulierung, ob der Deutsche Bank “ein” Mandat oder “das” Mandat angetragen wurde, bei Kirch die Rolle eines Mediators im Sinne eines Vermittlers zu übernehmen. Dabei wurde deutlich, dass eine der Expertinnen den bestimmten Artikel in der deutschen Übersetzung mehr aus ihrem Sprachgefühl heraus verwendete als zwingend aus dem Kontext des Protokolls – ein feiner Unterschied, wenn es darum geht, zu deuten, was bei dieser Sitzung vereinbart wurde.Auch wenn so manche Frage offenblieb und sich der Rechtbeistand der Deutschen Bank eine kontroverse Diskussion mit dem Gericht zur Würdigung von Zeugenaussagen der Beklagten lieferte, erklärte der Vorsitzende Richter Guido Kotschy die Beweisaufnahme zur Frage der Haftung für beendet. Einem Hinweisbeschluss des Gerichts von Anfang September zufolge hält es folgenden Sachverhalt für “sehr wahrscheinlich”: Ziel der Interviewäußerung des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Rolf Breuer sei es gewesen, eine Umstrukturierung der Kirch-Gruppe zu begleiten oder zumindest eine Sanierung an der Deutschen Bank vorbei zu verhindern, heißt es sinngemäß in dem Dokument. Kirchs Schaden hätte im “Entzug der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit” bestanden, den die Bank “zumindest billigend in Kauf genommen” hätte. Bereits bei früherer Gelegenheit hatte Kotschy seine Einschätzung kundgetan, Breuer habe bei dem Interview quasi spontan die Gelegenheit genutzt, Kirch zu schaden – womit er Breuer vorsätzliches Handeln bescheinigt.Fortgesetzt wird der Prozess, in dem die KGL Pool mehr als 2 Mrd. Euro Schadenersatz fordert, am Freitag. Dann wird Kirchs damaliger Geschäftsführer Dieter Hahn über einen Anfang 2002 geplanten Verkauf der ProSiebenSat.1-Beteiligung an Disney berichten. Die Amerikaner waren angeblich bereit, 1,3 Mrd. Euro zu zahlen; wegen des Breuer-Interviews sei die Transaktion dann aber geplatzt. Diese Zeugenvernehmung ist wichtig für die Ermittlung der Kausalität sowie der Schadenshöhe. Am 16. November könnte dann ein Urteil fallen. Zu diesem Termin ist auch das persönliche Erscheinen des neuen Deutsche-Bank-Chefs Jürgen Fitschen angeordnet.