Klage aus Angst vor Wiederholung
Aller Voraussicht nach findet der Ausschüttungsstreit zwischen der Stadtsparkasse Düsseldorf und ihrem Träger eine Fortsetzung vor Gericht. Warum die Sparkasse gegen den Beschluss der Sparkassenaufsicht klagt, erläutern die Anwälte von Hengeler Mueller im Interview.- Herr Prof. Krieger, Herr Dr. Uwer, als Rechtsberater der Stadtsparkasse Düsseldorf im Ausschüttungsstreit mit dem Träger mussten Sie kürzlich eine Niederlage einstecken. Was ist schiefgelaufen?Uwer: Ob es sich um eine Niederlage handelt, ist weder rechtlich noch wirtschaftlich ausgemacht. Vorstand und Verwaltungsrat der Stadtsparkasse haben für das Jahr 2014 einen Jahresabschluss aufgestellt und festgestellt, der nach der Überzeugung beider Organe rechtmäßig war. Abschlussprüfer und externe wissenschaftliche Gutachter haben das bestätigt. Der Oberbürgermeister sah dies anders und bekam von der Sparkassenaufsicht im Finanzministerium NRW Recht. Der von der Aufsicht aufgehobene Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses 2014 wurde unterdessen vom Verwaltungsrat unverändert bestätigt, nachdem der Vorstand den Abschluss überprüft und unverändert aufrechterhalten hat. Am Zahlenwerk hat sich also nichts geändert. Dabei haben Vorstand und Verwaltungsrat die Auffassung des Finanzministeriums unabhängig davon berücksichtigt, dass sie falsch ist und höherrangiges Recht verletzt.- Warum klagen Sie dann gegen den Beschluss?Uwer: Richtig ist: Wirtschaftlich hat der Oberbürgermeister keinen Erfolg gehabt. Hatte er anfänglich eine Ausschüttung von über 50 Mill. Euro allein für 2014 verlangt, hat er am Ende für 2014 und 2015 zusammen 25 Mill. Euro erhalten. Darin enthalten ist für 2014 genau der Betrag, den Vorstand und Verwaltungsrat von vornherein vorgesehen hatten, und für 2015 nur relativ wenig mehr, als ohnehin avisiert war. Der Oberbürgermeister akzeptiert zwar jetzt politisch den unveränderten Jahresabschluss 2014, beharrt aber nachdrücklich, auch in zahlreichen Interviews, auf seiner Rechtsauffassung. Die Stadtsparkasse musste deshalb wegen der Wiederholungsgefahr für die folgenden Geschäftsjahre Klage erheben.- Wie wichtig ist es, im Nachgang zur Entscheidung der Sparkassenaufsicht rechtlich Klarheit zu schaffen?Krieger: Die Auseinandersetzung berührt Grundsatzfragen, wie weit der Einfluss kommunaler Organe auf bankaufsichtsrechtlich vorgegebene Risikovorsorgeentscheidungen, die in die gesetzlich vorgesehene, ureigenste Kompetenz von Vorstand und Verwaltungsrat fallen, durchschlagen darf. Die Entscheidung der Sparkassenaufsicht würde, wenn sie bestätigt werden sollte, die Sparkassen in einem Ausmaß den fiskalischen Begehrlichkeiten ihrer Träger aussetzen, die es für die Organe der Sparkassen massiv erschweren könnte, die nach europäischem und Bundesrecht zwingende Risikovorsorge zu treffen.- Reicht dafür die Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder zeichnet sich ein Weg durch die Instanzen ab?Uwer: Es ist zu erwarten, dass ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, wenn es durchgeführt und nicht zuvor eine außergerichtliche Einigung in der Grundsatzfrage erzielt wird, voraussichtlich durch drei Instanzen bis zu einer höchstrichterlichen Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht gehen wird. Beteiligte eines solchen Verfahrens sind die durch den Vorstand vertretene Stadtsparkasse und das Land NRW, das durch das Finanzministerium vertreten wird. Der Oberbürgermeister in seiner Rolle als sogenannter Beanstandungsbeamter und der Verwaltungsrat sind zu diesem Verfahren beigeladen.- Was bedeutet die Entscheidung für die gut 400 deutschen Sparkassen?Krieger: Ob andere Sparkassenaufsichten den Erwägungen des Düsseldorfer Finanzministeriums folgen werden, ist nicht abzusehen. Sie wären gut beraten, den fachlich dazu allein kompetenten Organen der einzelnen Institute die Beurteilung von Kapitalausstattung, Risikostrategie und Risikotragfähigkeit zu überlassen. Seine begrenzte Kompetenz hat das Ministerium auch anerkannt. Es hat den Beschluss des Verwaltungsrats zwar aufgehoben, aber damit verband sich nur die Verpflichtung, unter Berücksichtigung der Auffassung des Ministeriums noch einmal neu zu entscheiden. Das hat der Verwaltungsrat getan und seinen ursprünglichen Beschluss nach dieser Vorgabe im zweiten Durchgang mit gleichem Inhalt bestätigt.- Wie groß ist nach Ihrer Einschätzung die Gefahr, dass der Fall in anderen Kommunen Nachahmung findet?Krieger: Politische Begehrlichkeiten, auf eine den häufig unterfinanzierten kommunalen Haushalten geschuldete hohe Ausschüttung zu drängen, könnten steigen. Darauf reduzierte Trägerinteressen verfehlen jedoch die gesetzlich definierten Ziele und Aufgaben der Sparkassen. Diese Institute sind in besonderer Weise auf hohe Eigenkapitalquoten und Risikovorsorge angewiesen.- Die Sparkassenaufsicht stellt in der Begründung auf das Interesse des Trägers ab, das der Vorstand in seine Entscheidung einfließen lassen muss. Welche Besonderheiten gibt es an dieser Stelle im Sparkassengesetz (SpKG) Nordrhein-Westfalens?Uwer: Das nordrhein-westfälische Sparkassengesetz weist Vorstand und Verwaltungsrat größtmögliche bilanzpolitische Eigenverantwortung zu. Dieses Ermessen haben die Organe im Einklang mit ihren bilanzrechtlichen und nach ihrer Überzeugung auch mit ihren spezifisch sparkassenrechtlichen Pflichten ausgeübt. Das hat für einen einzigen Jahresabschluss dazu geführt, dass die Finanzinteressen des Oberbürgermeisters nicht so erfüllt wurden, wie er es politisch wünschte.- Das sah die Sparkassenaufsicht anders.Uwer: Die richtig verstandenen Interessen des Trägers haben der Vorstand und mehrheitlich auch der Verwaltungsrat, in dem die Stadtratsfraktionen nach Proporz vertreten sind, jederzeit berücksichtigt. Um dem Oberbürgermeister Recht geben zu können, musste die Aufsicht mit der Figur der Ermessensüberschreitung wegen vermeintlich unzureichender Berücksichtigung der Trägerinteressen argumentieren. Ob dieser Ansatz gerichtlicher Überprüfung standhält, wird sich erweisen.- Wie sieht das in den anderen Bundesländern aus?Uwer: Mit Ausnahme von Hamburg hat jedes Bundesland ein eigenes Sparkassengesetz. Anders als das Sparkassengesetz NRW regeln viele der anderen Sparkassengesetze ausdrücklich die Dotierung der Sicherheitsrücklagen. In diversen Sparkassengesetzen ist ausdrücklich vorgesehen, dass der gesamte Jahresüberschuss zwingend zur Risikovorsorge verwendet werden muss, solange nicht bestimmte Vorgaben des Kreditwesengesetzes erfüllt sind (z.B. Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland). Verschiedene Sparkassengesetze erlauben es auch, den gesamten Jahresüberschuss im Wege der Vorwegzuführung in Sicherheitsrücklagen einzustellen, so dass kein Jahresüberschuss zur Ausschüttung mehr zur Verfügung steht.- Verfolgt der Gesetzgeber in NRW andere Ziele?Uwer: Nein. In den Sparkassengesetzen ist in der Regel nur vorgesehen, dass ein nach der Risikovorsorge verbleibender Jahresüberschuss an den Träger ausgeschüttet werden “kann”, also nicht muss. In der Gesamtschau räumen die Sparkassengesetze der Risikovorsorge damit ganz klar den Vorrang vor den Ausschüttungsinteressen der Träger ein. Das Finanzministerium NRW steht mit seiner Meinung zum Sparkassengesetz NRW also auch im Ländervergleich alleine da.- Warum kommt der auch Nichtjuristen bekannte Satz “Bundesrecht bricht Landesrecht” im vorliegenden Fall nicht zum Tragen?Krieger: Die Sparkassenaufsicht hat dieses Problem nur zum Teil gesehen. Sie hat erkannt, dass die bilanzrechtlichen Regeln im Bundesrecht, konkret im Handelsgesetzbuch, wurzeln, meinte jedoch, dass insoweit kein Widerspruch zu ihrer Auslegung des Handelsgesetzbuchs bestehe, weil das Handelsgesetzbuch nicht regele, welches Organ des Kreditinstituts für die Bilanzierung zuständig sei. Dabei hat die Sparkassenaufsicht jedoch ausgeblendet, dass nach den Grundprinzipien des Kreditwesengesetzes der Vorstand eigenverantwortlich über die Risikovorsorge entscheidet. Die Auslegung, die die Sparkassenaufsicht dem SpKG gibt, beeinträchtigt die Eigenverantwortlichkeit des Vorstands bei der Risikovorsorge. Das verletzt vielleicht nicht das Handelsgesetzbuch, aber es widerspricht dem Kreditwesengesetz, das ebenfalls als Bundesrecht dem Landessparkassenrecht vorgeht.- Sehen Sie einen Zielkonflikt zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden Bundesbank, BaFin, Sparkassenaufsicht? Falls ja, worin liegt dieser?Krieger: Einen Zielkonflikt zwischen den verschiedenen Aufsichtsbehörden darf es eigentlich nicht geben. Ihnen allen muss gleichermaßen an gesunden Kreditinstituten gelegen sein, die mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet sind, um den besonderen Risiken ihres Geschäftszweigs standzuhalten. Anders als Bundesbank und BaFin ist die Sparkassenaufsicht aber keine von (partei-)politischen Interessen unabhängige Institution. Das ist vielleicht auch die Erklärung dafür, dass vor der Entscheidung vielfältige Gespräche zwischen den Beratern des Oberbürgermeisters und dem Finanzministerium stattgefunden haben, in welche die Sparkasse und ihre Vertreter nicht einbezogen wurden und über deren Inhalt sie bis heute nichts wissen.- Konkret wird dem Sparkassenvorstand vorgeworfen, seinen Ermessensspielraum bei der Dotierung des Sonderpostens für allgemeine Bankrisiken (§340g HGB) überzogen und damit rechtswidrig gehandelt zu haben. Warum kommen Sie zu einem anderen Schluss?Krieger: Lassen Sie uns zunächst ein verbreitetes Missverständnis ausräumen. Die Sparkassenaufsicht hat dem Vorstand nicht vorgeworfen, seinen Ermessensspielraum dadurch überschritten zu haben, dass er als Sonderposten für allgemeine Bankrisiken einen zu hohen Betrag ausgewiesen hat. Sie hat die in den Sonderposten eingestellte Summe nicht beanstandet.- Sondern?Krieger: Vielmehr beanstandete die Sparkassenaufsicht, dass der Vorstand vermeintlich die Ausschüttungsinteressen der Stadt nicht ausreichend in seinen Abwägungsprozess einbezogen hat, sondern davon ausgegangen sei, ihm stehe insoweit freies Ermessen zu. Tatsächlich hat der Vorstand nie in Anspruch genommen, den Sonderposten nach freiem Ermessen bilden zu können. Er war und ist aber der Meinung, dass bei der konkreten Thesaurierungsentscheidung das Interesse der Sparkasse an einer soliden Kapitalausstattung stärker wog als das Interesse des Oberbürgermeisters an einer höheren Ausschüttung. Der Bescheid der Sparkassenaufsicht erweckt den Eindruck, dass hier versucht wurde, ein politisch gewünschtes Ergebnis mit einer konstruierten Begründung zu rechtfertigen.- Kann der Vorstand den Vorwurf, einen rechtswidrigen Abschluss aufgestellt zu haben, auf sich sitzen lassen?Krieger: Wie gesagt, hat die Sparkassenaufsicht gerade nicht den Jahresabschluss 2014 als solchen als rechtswidrig angesehen. Die Sparkassenaufsicht meint nur, im Entscheidungsprozess seien die Interessen der Stadt nicht ausreichend gewürdigt worden. Das ist zwar unzutreffend. Trotzdem hat der Verwaltungsrat der Stadtsparkasse bei der erneuten Feststellung des Jahresabschlusses 2014 diese Auffassung berücksichtigt. Im Ergebnis hat sich nichts geändert, der Vorstand also Recht behalten.- Muss die BaFin nach diesem Urteil handeln – Stichwort: Banklizenz?Uwer: Nein. Die BaFin war und ist in die Risikovorsorgestrategie der Stadtsparkasse Düsseldorf eingebunden und hat diese Strategie ausdrücklich unterstützt.- Wie kann es sein, dass die Prüfer des Sparkassenverbands “ungeschoren” davonkommen? Diese hatten den strittigen Abschluss mit einem uneingeschränkten Testat versehen.Uwer: Dieses Testat war und ist auch nach nochmaliger Prüfung richtig. Es besteht auch für die Prüfer keine Pflicht, aufgrund einer gerichtlich nicht bestätigten, bislang singulären und mit höherrangigem Recht voraussichtlich unvereinbaren Rechtsauffassung des Finanzministeriums ein Testat zu widerrufen.—-Die Fragen stellte Annette Becker.