Kleine Privatbanken in der Ergebniskrise
Oft ist kleineren Privatbanken prophezeit worden, dass sie angesichts der Kosten von Regulierung und Digitalisierung im Zinstief kaum vorankommen würden. Nun scheint es so weit zu sein. Die jüngsten Ergebnisse fallen ernüchternd aus. Kooperationen oder Auslagerungen scheuen die Institute indes.Von Bernd Neubacher, FrankfurtWer etwas tun möchte, was noch nie jemand zuvor getan hat, muss nicht im Weltraumanzug aus knapp 40 Kilometer Höhe auf die Erde springen oder 100 Meter in weniger als 9,58 Sekunden laufen. Es kann schon reichen, im Internet den Offenlegungsbericht einer der vielen kleinen deutschen Privatbanken aufzurufen. Die Zahl der Klicks auf diese Dokumente lässt sich oft an zwei Fingern einer Hand abzählen, wie in der Branche anekdotisch berichtet wird.Es sind Pflichtdokumente wie diese, welche den Aufwand kleinerer Banken hierzulande treiben, während das Zinstief die Erträge zerreibt. “Die Regulierung etwa in Form der Finanzrichtlinie Mifid II oder der Institutsvergütungsverordnung mit ihrer Verpflichtung, einen Vergütungsbeauftragten zu ernennen, ist für die kleinen Institute mehr und mehr mit immer schwerer darstellbaren bürokratischen Belastungen verbunden. Es ist deshalb wichtig, in der Bankenregulierung den Proportionalitätsgedanken angemessen umzusetzen”, sagt Peter Hüfner, Leiter des Stabs der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB). So oder ähnlich klingt aus der Branche seit Jahren dieselbe Klage. Neu ist aber, dass die Ergebnisse der Häuser zunehmend zu diesem Lamento passen. Die jüngsten Berichte der Privatbanken sind wenig erbaulich ausgefallen.Dies gilt selbst für die großen Adressen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Bei Berenberg etwa ist der Jahresüberschuss angesichts volatiler Börsen zum Jahresende von 90 Mill. auf 23 Mill. gefallen. Das Bankhaus Lampe unterwirft sich einer mehrjährigen Restrukturierung, baut Stellen ab und konnte den Überschuss 2018 nur dank Auflösung von Rückstellungen auf Vorjahresniveau halten. Beim Bankhaus Metzler hat sich das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit infolge steigenden Verwaltungsaufwands gut halbiert. Erst recht trifft es für die kleinen Häuser zu: Die Fürstlich Castell’sche Bank hat nur dank geringer Steuern und sonstiger betrieblicher Aufwendungen bei sinkenden Erträgen und höheren Kosten den Jahresüberschuss gesteigert, die Zahl ihrer Filialen gleichwohl um drei auf acht reduziert, und das Bankhaus Schilling wird von der Merkur Bank geschluckt, wie vor Tagen bekannt wurde. “Umsetzungsdruck”Im Geschäftsbericht der mittelständischen Direktbank Augsburger Aktienbank AG, Tochter des LVM Landwirtschaftlichen Versicherungsvereins Münster und mit 3 Mrd. Bilanzsumme ein Schwergewicht, heißt es wie vielfach andernorts in ähnlichen Worten: “Die vor dem Hintergrund der Niedrig- und Negativzinsphase für Banken unverändert schwierigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und die hohen regulatorischen Anforderungen stellten für die Augsburger Aktienbank AG in 2018 erhebliche Herausforderungen dar.” Die Gruppe habe ihr für 2018 geplantes Ergebnis vor Steuern mit minus 4,1 Mill. Euro “nicht erreicht”. Zu den Aussichten für 2019 heißt es, “der Umsetzungsdruck von Regulierungsvorschriften und der sich weiter beschleunigende technologische Wandel anhaltende Investitionen”. Das zur italienischen Mediolanum-Gruppe gehörende Bankhaus Lenz, das eine Bilanzsumme von immerhin knapp 200 Mill. Euro zeigt und seinen Jahresfehlbetrag 2018 von 3 Mill. auf 8 Mill. Euro ausgeweitet hat, plant für 2019 unterdessen mit einer Ausweitung des Defizits auf gut 11 Mill. Euro. Das Bankhaus von der Heydt schreibt ebenfalls rot. Diese Aufzählung reicht gerade einmal bis zum Buchstaben B der Mitgliederliste des Bundesverbandes deutscher Banken, ließe sich indes fortsetzen. Niemand führt detailliert Buch Dass gerade kleinere Privatbanken es angesichts von Regulierung, Digitalisierung und Zinstief schwer haben würden, ist ihnen schon oft vorhergesagt worden. Inzwischen häufen sich die Anzeichen dafür, dass es so kommt. Zwar hat die Zahl der privaten Banken zuletzt sogar zugenommen (siehe Grafik). Dies dürfte indes vor allem darauf zurückzuführen sein, dass vermehrt große Auslandsbanken in Deutschland auf den Plan treten. “Die Zahl der Privatbankiers hat im Laufe der Jahre abgenommen, unter anderem weil Häuser mit persönlich haftenden Gesellschaftern in Aktiengesellschaften umfirmierten”, sagt zudem BdB-Stabsleiter Hüfner.Wie sich die Ergebnisse der kleineren Privatbanken in den vergangenen Jahren entwickelt und wie viele davon ihre Segel gestrichen haben, darüber hingegen führt niemand detailliert Buch. Die Bundesbank publiziert zwar Zahlen zu “Regionalbanken und sonstigen Kreditinstituten”. Sie umfasst neben den traditionellen Privatbanken aber auch Adressen wie die Mercedes Bank, Volkswagen Financial Services und die Airbus Bank. In dieser Gruppe ist das Betriebsergebnis vor Bewertung zwischen 2011 und 2017 wohlgemerkt von 1,04 % der durchschnittlichen Bilanzsumme auf 0,67 % geschrumpft.Selbst bei einem so großen Haus wie der Commerzbank schlägt der wachsende Aufwand kräftig ins Kontor. Das rund 500 Mrd. Euro Bilanzsumme schwere Institut ist zum Startquartal 2019 dazu übergegangen, unter Aufwand eigens einen Posten “Pflichtbeiträge” mit der Summer regulatorischer Abgaben auszuweisen: 265 Mill. Euro standen da fürs erste Quartal zu Buche. Das waren 21 Mill. mehr als das Ergebnis aus fortzuführenden Geschäftsbereichen vor Steuern konzernweit. Ohne Pflichtbeiträge hätte die Bank eine Aufwandsquote von 72,8 % ausgewiesen und nicht von 85,1 %. Der Zeitpunkt für den separaten Ausweis ist gut gewählt, bucht die Commerzbank im Startquartal doch den größten Teil ihrer regulatorischen Abgaben fürs gesamte Jahr vorab – vom zweiten bis vierten Quartal fielen jeweils nur Beträge zwischen 55 Mill. und 63 Mill. Euro an. Dennoch kann man sich ausmalen, wie der das Commerzbank-Management nervende Aufwand kleinere Häuser belasten muss. Entweder also sind die Regulierungskosten zu strikt, die Zinsen zu niedrig und die Digitalisierung zu teuer – oder die Häuser schlicht zu klein, um sich Mengeneffekte zu Nutze zu machen. Auf jeden Fall sind ihre Kosten zu hoch, um profitabel genug zu sein, um auch investieren zu können. Zusammenarbeit ist tabuUnd dennoch: Kostensenkungen durch Kooperationen oder Auslagerungen sind gerade für die kleineren Institute unter den privaten Banken, die nicht wie Sparkassen oder Genossenschaftsbanken auf verbundweite Infrastrukturanbieter zurückgreifen können, noch immer ein Tabu. Mit einer Mischung aus Faszination und Verzweiflung wird bei Insourcern von mächtigen Beharrungskräften berichtet, welche diese Banken selbst bei dreistelligen Aufwandsquoten am Manufaktur-Konzept festhalten lassen. Zum Ersten dominiert die Scheu, sich Wettbewerbern gegenüber zu öffnen, zum Zweiten geht die Befürchtung um, der Kunde könnte abspenstig gemacht werden, und zum Dritten kursieren Ängste, der exklusive Privatbankencharakter werde verloren gehen, wie es im Markt heißt. Damit deutet vorerst wenig darauf hin, dass die Ergebnissaison 2019 erfreulicher ausfallen wird als jene für 2018.