SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (30) - DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER

Klimarisiken richtig reflektieren

Börsen-Zeitung, 10.3.2018 Der Klimawandel ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und ist nicht erst seit der Klimakonferenz in Rio 1992 ein öffentliches Thema. Mit der Verabschiedung globaler Ziele bei der Pariser...

Klimarisiken richtig reflektieren

Der Klimawandel ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und ist nicht erst seit der Klimakonferenz in Rio 1992 ein öffentliches Thema. Mit der Verabschiedung globaler Ziele bei der Pariser Klimakonferenz und den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) ist das Thema mittlerweile oben auf der Tagesordnung angekommen. Um diese Ziele noch erreichen zu können, bedarf es breiter Anstrengungen, und auch die Finanzwirtschaft hat hier eine bedeutende Rolle, denn sie entscheidet maßgeblich über die Allokation von Kapital und steht in einer engen Wechselwirkung mit der Realwirtschaft. Im Zuge von Vorschlägen, wie die Finanzwirtschaft einen Beitrag leisten kann und wie Anreize und regulatorische Vorgaben dafür geschaffen werden können, wurden in den letzten Wochen auch ein “Green Supporting Factor” und ein “Brown Penalising Factor” diskutiert, denn wesentliche Größen für die Entscheidung sind sowohl das Risiko einer Finanzierung bzw. Investition als auch Anreize, die durch die Kapitalanforderungen an diese gestellt werden. Die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) hat in ihrem Abschlussbericht diese Mechanismen als Ansätze zur Förderung von “Green Finance” aufgegriffen. Als Argument für einen “Green Supporting Factor” – geringere Kapitalanforderungen bei grünen Finanzierungen bzw. Investments – wird der Beitrag zur Reduktion von langfristigen Umweltrisiken genannt. Des Weiteren soll mit dieser Maßnahme die Finanzwirtschaft Anreize erhalten, Projekte und Unternehmen zu finanzieren, die einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele der EU und der SDGs leisten. Studien der Global Alliance for Banking on Values weisen eindeutig nach, dass die Geschäftsmodelle der Nachhaltigkeitsbanken im Vergleich zu systemrelevanten Banken weniger risikoreich sind. Es ist jedoch falsch, daraus zu schließen, dass “grüne” Finanzierungen per Definition risikoärmer sind, wie Beispiele wie der Fall Prokon zeigen. In der Debatte der letzten Wochen wurde der “Green Supporting Factor” daher von verschiedenen Seiten kritisiert, da es ein politischer Anreiz ist, der tatsächliche Risiken nicht berücksichtigt. Die Idee, die unterschiedlichen Risiken von “Green” und “Brown Assets” zu berücksichtigen, ist dennoch richtig. Daher ist es verwunderlich, dass in der Debatte der “Brown Penalising Factor” kaum adressiert wurde, da die Berichterstattung von Klimarisiken bereits seit einiger Zeit Thema ist. Auch die HLEG nimmt hier eine klare Position ein, indem sie die Empfehlungen der vom Financial Stability Board (FSB) eingesetzten Task Force on Climate-related Financial Disclosure (TCFD) unterstützt, die bereits auf dem G 20-Gipfel in Hamburg diskutiert wurden. Große UnsicherheitDie Existenz des Klimawandels und der Risiken, die dadurch entstehen, sind allgemein anerkannt. Die Herausforderungen sind sowohl die große Unsicherheit über die Wirkung des Klimawandels als auch die hohe Komplexität, diese Wirkungsmechanismen zu erfassen. Aus Sicht der TCFD ist es zentral, über diese Risiken zu berichten, damit diese von Marktteilnehmern in der Bewertung und damit in Preisen Berücksichtigung finden können. Ein wesentliches Element der Empfehlung ist die Einführung von Szenario-Analysen zur Erfassung der Risiken aus dem Klimawandel. Die TCFD verweist auf eine Studie, die den “Value at Risk” für das global verwaltete Vermögen durch den Klimawandel zwischen heute 4,2 Bill. Dollar und bis zu 43 Bill. Dollar am Ende des Jahrhunderts schätzt.Fälschlicherweise wird oft verstanden, dass die Risiken aus dem Klimawandel erst langfristig Wirkung zeigen und daher bei heutigen Entscheidungen keine Berücksichtigung finden müssen. Dabei wird das Pariser Klimaabkommen von nahezu allen Ländern des Globus mitgetragen und aktiv in der Politik umgesetzt. Es geht um die massive Reduktion von CO2-Emissionen. Wenn die Pariser Ziele eingehalten werden sollen, sind zum Beispiel 60 bis 80 % der Kohle-, Öl- und Gasreserven der gelisteten Unternehmen “unburnable” und werden zu “stranded assets”. Aber die Transformation in eine “Low carbon”-Wirtschaft betrifft eben nicht nur die Kohle- und Ölindustrie, sondern die gesamte Wirtschaft. Diese immensen Auswirkungen auf die Realwirtschaft werden nicht nur über “stranded assets” auch die Finanzwirtschaft und deren Stabilität massiv beeinflussen.Mit der Frage, wie sich der Klimawandel auf die Stabilität des Finanzwesens auswirkt, haben sich auch die Bank of England und die niederländische Nationalbank (DNB) intensiv auseinandergesetzt. Die DNB greift in ihrem Bulletin (Oktober 2017) das Thema der Risiken durch den Klimawandel auf und untersuchte deren Auswirkungen auf den niederländischen Finanzsektor. Die DNB erwartet von den Marktteilnehmern zur Bewertung von Klimarisiken den Einsatz zukunftsorientierter Methoden wie Szenario-Analysen, um Klimarisiken systematisch zu identifizieren, und dass entsprechende mitigierende Maßnahmen aufgesetzt werden. Die DNB führt bereits Stresstests mit Bezug zu den Klimarisiken für Sachversicherungen durch und erarbeitet einen Stresstest für das “Transformationsrisiko”. Gefahr für die StabilitätRisiken aus dem Klimawandel sind real und gefährden die Stabilität des Finanzsektors. Daher befassen sich bereits Aufsichtsbehörden und der FSB mit dieser Thematik, um zu verhindern, dass aus der drohenden Klimakrise auch eine Finanzkrise wird. Es ist fahrlässig, davon auszugehen, dass die Auswirkungen erst langfristig spürbar sind und für heutige Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen kaum eine Rolle spielen. Man braucht nur an die Katastrophe in Fukushima zu erinnern, die umgehend die politische Entscheidung des Atomausstiegs und damit direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland zur Folge hatten. Eine politische Entscheidung zur Reduzierung der Risiken aus dem Klimawandel könnte eine deutliche Anpassung des Preises für CO2 -Emissionen sein. Dies hätte dann umgehend Auswirkungen, nicht nur auf CO2-intensive Unternehmen und deren Kapitalgeber.Daher muss über Klimarisiken nicht nur transparent berichtet werden, sondern sie müssen auch Eingang in die Risikobewertung von Banken, Versicherungen und Assetmanagern finden. Deshalb müssen dann solche Risiken auch mit mehr Kapital unterlegt werden. Nur mit einem “Brown Penalising Factor” werden sowohl Risiken adäquat bewertet als auch ein systemkonformer Anreiz geschaffen, mit dem die Finanzwirtschaft transformiert und ihrer Verantwortung zum Erreichen der Klimaziele und der SDGs gerecht werden kann. —-Georg Schürmann, Geschäftsleiter der Triodos Bank Deutschland—-Zuletzt erschienen:—– Luxemburg formt grünen Pfandbrief (9. März)- BVI: “Auch wir können ein Seil nicht schieben” (7. März)