GASTBEITRAG

Kommunalfinanzierung durch institutionelle Anleger

Börsen-Zeitung, 20.12.2014 Die deutschen Kommunen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, müssen ihre Haushalte nachhaltig konsolidieren. Da immer mehr Pflichten von Bund und Ländern auf die Kommunen verlagert werden, ist...

Kommunalfinanzierung durch institutionelle Anleger

Die deutschen Kommunen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, müssen ihre Haushalte nachhaltig konsolidieren. Da immer mehr Pflichten von Bund und Ländern auf die Kommunen verlagert werden, ist das keine leichte Aufgabe. Viele haben schon lange keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Sie befinden sich im genehmigten Haushaltssicherungskonzept oder sogar im Nothaushalt. Positiven Einfluss auf die Finanzsituation der Kommunen haben die Entschuldungs- und Konsolidierungsprogramme wie der Stärkungspakt Stadtfinanzen in Nordrhein-Westfalen. Hierzu hat die Landesregierung bereits einen ersten Evaluationsbericht vorgelegt. Danach haben fast alle pflichtig teilnehmenden Gemeinden 2012 und 2013 ihre Ergebnisziele übertroffen und planen ab 2015 mit Überschüssen im ordentlichen Ergebnis, ab 2016 sogar mit positiven Jahresergebnissen. Das ist ein sehr positives Signal.Die Kommunen finanzieren sich bisher vorrangig über bilaterale Kredite bei Banken in Form von Kommunal- und Kassenkrediten. Ob das zukünftig so bleibt, ist fraglich. Für die Banken gelten seit dem Inkrafttreten von Basel III geänderte Rahmenbedingungen, wodurch für die Kommunen ein Kosten- und Liquiditätsrisiko entstehen könnte. Denn durch erhöhte Eigenkapitalanforderungen, neue Liquiditätsvorschriften und die Einführung einer generellen Verschuldungsobergrenze (Leverage Ratio) verteuert Basel III die Kreditvergabe der Banken. Dabei wird das Leverage Ratio unabhängig von der Bonität des Schuldners ermittelt.Somit dürfte es zu einem stärkeren Wettbewerb zwischen risikoarmem, aber margenschwachen und risikoreicherem, aber margenstarken Geschäft kommen. Dies könnte für Kommunen zu höheren Konditionen und einer Reduzierung des von Banken zur Verfügung gestellten Kreditvolumens führen. Viele Kommunen bestätigen, dass bei Kreditanfragen und -ausschreibungen die Anzahl der sich beteiligenden Banken kleiner geworden ist. So haben sich einzelne öffentlich-rechtliche Kreditinstitute nach der Finanzkrise teilweise aus Geschäftsfeldern zurückgezogen und Kredite an Kommunen reduziert. Alternative zum BankkreditSeit 2013 sind Kommunen daher verstärkt auf dem Kapitalmarkt aktiv und emittieren Anleihen und Schuldscheindarlehen. Die Kommunen machen sich so unabhängiger von der bilateralen Kreditvergabe durch Banken und stellen ihre Gläubigerstruktur auf eine breitere Basis. Bisher wurden diese Transaktionen primär bei Banken platziert. Inzwischen stehen institutionelle Investoren, wie Versicherungen, Versorgungswerke und Pensionskassen im Fokus, die insbesondere langlaufende Investitionsmöglichkeiten suchen. Bei kurzen Laufzeiten zeigen Sozialversicherungsträger großes Interesse.Den deutschen Altersvorsorgeunternehmen stehen traditionelle Kapitalanlagemöglichkeiten nur noch sehr eingeschränkt zur Verfügung. Noch machen deutsche (Namens-)Pfandbriefe und Darlehen an die Bundesländer rund 35 % der Kapitalanlagen aus. Aber das wird nicht so bleiben. Das ausstehende Volumen öffentlicher Pfandbriefe sank von 2004 bis 2014 um 68 % von über 760 Mrd. auf unter 250 Mrd. Euro. Zudem hat im Zuge des absoluten Zins- und Spread-Verfalls die Attraktivität dieser Assets deutlich abgenommen. Die durchschnittliche Verzinsung deutscher Pfandbriefe mit Laufzeiten von zehn Jahren liegt aktuell bei knapp unter 1 % – deutlich unter dem durchschnittlichen Garantiezins, den die Assekuranz für ihre Kunden erwirtschaften muss. Das Gleiche gilt für Darlehen an Bundesländer: Die Volumina sind tendenziell rückläufig.Darlehen an deutsche Kommunen stellen daher eine interessante Alternative dar. Zwar sind hier die absoluten Renditen ebenfalls niedrig, jedoch unter Relative-Value-Aspekten durchaus attraktiv. Die Kommunen sind per Gesetz nicht insolvenzfähig, wenngleich dies letztlich nur bedeutet, dass Ansprüche unverfallbar sind. Gleichwohl kann von einer starken impliziten Garantie durch die jeweiligen Bundesländer ausgegangen werden. Nullgewichtung vorgesehenAufsichtsrechtlich sind Investments von institutionellen Anlegern in Kommunaldarlehen explizit gestattet (§ 2 der Anlageverordnung, kurz AnlV). Unter Solvenz-Gesichtspunkten sind sie zurzeit ohne Kapitalforderung erwerbbar. Im Hinblick auf Solvency II bleibt die Umsetzung zwar unsicher, jedoch sehen die Spezifikationen der letzten Auswirkungsstudie (QIS 6) weiter eine Nullgewichtung im Spread-Modul vor. Versicherungen, sowohl solche mit internen Solvenz-Modellen als auch dem Standardansatz folgende Unternehmen, sind gut beraten, selbst die Bonität der jeweiligen Kommunen einzuschätzen. Zugleich erfüllen sie damit die Anforderungen der AnlV an eine positive Beurteilung des Sicherheitsniveaus. Ebenso ist es für die Bepreisung ratsam, gewisse Kennzahlen zu untersuchen, z. B. die Verschuldung pro Kopf. Zudem sollten demografische und soziale Faktoren berücksichtigt werden sowie die in den jeweiligen Bundesländern unterschiedliche Ausgestaltung von “Rettungsschirmen” innerhalb des jeweiligen kommunalen Finanzausgleichs. Als zweckmäßig erweist sich ein internes Ranking-Modell, anhand dessen sich eine realistische Bepreisung relativ zum gesamten Universum von Kommunaldarlehen vornehmen lässt.Zahlreiche Kommunen nutzen den Schuldscheinmarkt bereits. 2014 wurden wenigstens neun Transaktionen deutscher Kommunen in einem Gesamtvolumen von mehr 500 Mill. Euro umgesetzt. Dabei ähnelte der Ausschreibungsprozess dem traditionellen Ablauf bei Schuldscheindarlehen von Unternehmen: Bei jeder Transaktion wurden mehrere Laufzeiten angeboten, mehrere hundert Investoren eingeladen und die Bücher über mehrere Wochen geöffnet.Diese Form des Ausschreibungsverfahrens ist für Versicherungen aus mehreren Gründen wenig praktikabel: Die gesuchten Losgrößen sind häufig viel größer als in diesem Rahmen erwerbbar, der Investitionszeitpunkt kann nicht der tatsächlichen Liquiditätsplanung angepasst werden und auch Marktpreisrisiken werden wegen der langen Öffnungsdauer der Bücher oft als zu hoch angesehen. Besser ist es, Transaktionen bilateral beziehungsweise in einem “Club” von drei bis fünf Altersvorsorgeunternehmen umzusetzen. Dieses Vorgehen wird den Interessenlagen beider Seiten gerecht.Ein Großteil der Kommunen und Investoren muss zwar an diese Vorgehensweise erst noch herangeführt werden. Damit werden aber die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Markt für Kommunal-Schuldscheine eine neue Dynamik erreicht, denn der Finanzierungsbedarf der Kommunen ergänzt sich in idealer Weise mit der Suche der Investoren nach Schuldnerdiversifikation und Yield Enhancement.—-Thorsten Göttel, Leiter Fixed Income & Derivates Sales, SEB AG —-Thorsten Heisig, Leiter Public Sector, SEB AG