Fintech

Komplexes Regelwerk schreckt Neobanken ab

Den UN Principles for Responsible Banking zu folgen ist für kleine Banken nur schwer machbar. Fintechs wie die Neobank Bunq folgen den Pariser Klimaabkommen und setzen sich ihre eigenen Ziele.

Komplexes Regelwerk schreckt Neobanken ab

Von Thomas List, Frankfurt

Die UN Principles for Responsible Banking sind ein gewaltiges Werk mit einem hohen Anspruch. Das „einzigartige Rahmenwerk“ soll sicherstellen, dass „Strategie und Handeln der unterzeichnenden Banken in Übereinstimmung stehen mit einer zukünftigen Gesellschaft, die den (17) Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) und dem Pariser Klimaabkommen folgt“, heißt es bei der Finanzinitiative des UN-Entwicklungsprogramms (UNEP FI). Sie hat die Grundsätze zusammen mit 28 Banken entwickelt und Ende 2018 veröffentlicht.

290 Unterzeichner

Unter den bisher 290 Banken, die sich mit ihrer Unterschrift zu diesen Grundsätzen bekannt haben, befinden sich aber keine bekannten Fintechs. Sieht man sich das Regelwerk genauer an, so wird dies verständlich. Denn dem Rahmenwerk zu entsprechen ist aufwendig. Zwar gibt es nur sechs Grundsätze (1. Ausrichtung, 2. Auswirkungen und Zielsetzung, 3. Kunden und Auftraggeber, 4. Stake­­holder, 5. Unternehmensführung und Kultur/Zielsetzung sowie 6. Transparenz und Rechenschaftspflicht), doch müssen diese aufgrund ihrer Abstraktheit entsprechend stark aufgeschlüsselt werden. Um den Grundsätzen zu entsprechen, müssen die Banken zwar keinen zusätzlichen Bericht veröffentlichen. Sie sollen vielmehr erstmals 18 Monate nach Unterzeichnung der Grundsätze und danach jährlich eine Vorlage (Tem­plate) in Tabellenform ausfüllen, in der die Anforderungen an die Berichterstattung und die Selbsteinschätzung der Unterzeichner aufgeführt sind. In Ergänzung einer kurzen Antwort verweisen die Banken auf Links wie Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte. Bei der Deutschen Bank umfasste die ausgefüllte Vorlage für 2021 etwas über neun Seiten (in kleiner Schrift), bei der Nord/LB waren es für 2020 siebeneinhalb Seiten. Dazu kommt, dass sich die Institute ihre Selbsteinschätzung auch noch von Dritten (begrenzt) bestätigen lassen müssen. Dies kann auch geschehen, indem die ausgefüllte Vorlage in die bestehende Berichterstattung aufgenommen wird.

Es überrascht daher nicht, dass diesen Aufwand zu betreiben bei den in der Regel schlank aufgestellten Fintechs kaum jemand bereit ist. Die European Fintech Association EFA FTI erklärte auf Anfrage, man habe die Principles mit den Mitgliedern noch gar nicht besprochen. N26 wiederum nehme ihre wirtschaftliche und soziale Verantwortung sehr ernst, erklärte die Berliner Neobank. „Wenngleich wir unser Engagement zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht formalisiert haben, arbeiten wir jeden Tag an einem positiven Fußabdruck – unter anderem mit unserem vollständig digitalen Geschäftsmodell.“ Auch hier sind die Principles also zumindest im Moment kein Thema.

Ähnliches gilt für das in den Niederlanden gegründete und auch in Deutschland aktive Fintech Bunq. Gründer und CEO Ali Niknam erachtet die Principles für eine Bank in der Größe von Bunq als „sehr kompliziert“. Dafür folge man lieber direkt dem Pariser Klimaabkommen (auf das ja auch die Principles Bezug nehmen) und arbeite bei der Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) aktiv mit, wie es im Nachhaltigkeitsbericht 2021 heißt. Bunq –Motto: The bank of The Free – sieht sich als eine der Vorkämpferinnen für das Ziel, das Finanzsystem nachhaltig zu machen, heißt es dort. Man wolle dazu beitragen, die Erderwärmung bei maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Daher hat sich Bunq schon 2020 vorgenommen, ihren Nutzern klimaneutrale Dienstleistungen zu bieten, also eine echte klimaneutrale Bank zu werden. Man wolle in Projekte investieren, die zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen, und schließe Projekte aus, die eine gegenteilige Wirkung hätten. Außerdem messe und veröffentliche Bunq ihren ökologischen Fußabdruck.

Grünes Konto ist teuer

Das „Easy Green“-Konto steht für Niknam in Einklang mit der grünen Philosophie des Unternehmens, die bei den Kaffeebechern aus Pappe beginne und beim papierlosen Büro noch nicht ende. „Mit dem Easy-Green-Konto helfen wir den Menschen, ihren CO2-Verbrauch auszugleichen, indem wir Bäume pflanzen.“ Von den vier angebotenen Kontomodellen ist „Easy Green“ mit 17,99 Euro pro Monat mit Abstand das teuerste. Dafür wird es als „nachhaltiges Bankkonto“ angepriesen, mit dessen Hilfe man „ohne jeden Aufwand“ in nur zwei Jahren klimaneutral werden könne, heißt es auf der Bunq-Homepage. Konkret werde für jede 100 Euro, die über Karten ausgegeben würden, ein Baum gepflanzt – bis jetzt sind es nach Angaben von Niknam immerhin schon 7,8 Millionen. Vorgestellt wird ein Aufforstungsprojekt in Kenia, bei dem über Easy Green schon mehr als eine Million Mangroven gepflanzt und durchschnittlich 15 Personen pro Monat beschäftigt wurden.

Für Niknam sind aber auch die kleinen Dinge auf dem Weg zur Nachhaltigkeit wichtig. „Wer länger als ein Jahr unser Kunde ist, bekommt kostenlos eine Kreditkarte aus Metall, die sechs und nicht nur vier Jahre gültig ist. Damit ist sie 50% nachhaltiger.“ Die Karte werde per Schiff CO2-neutral zugestellt.

Bei der Frage nach dem Erfolg des Easy-Green-Kontos wird Niknam nicht konkret. Die Anzahl sei „signifikant“, auch wenn das preisgünstigste Kontomodell die meisten Nutzer aufweise. „Easy Green läuft insbesondere bei Geschäftskunden sehr gut.“ Grundsätzlich zielt Bunq auf Privatkunden und kleine Unternehmen mit bis zu 15 oder 20 Mitarbeitern. „Bei dieser Größe schauen die Leute nicht nur auf den Preis, sondern auch auf andere Dinge wie Datensicherheit und Nachhaltigkeit.“ Außerdem spreche man speziell Menschen mit einem internationalen Lifestyle an. „Wir haben viele Expats als Kunden, weil Sie bei uns lokale IBANs in ganz Europa nutzen können.“ Konkret kann jeder Bunq-Kunde unabhängig von seinem Wohnsitz Konten mit französischer, spanischer, deutscher und niederländischer IBAN eröffnen.

Für die Bank ist Deutschland der wichtigste Markt nach dem Heimatmarkt Niederlande. Ein anziehendes Geschäft in einem frühen Stadium sieht Niknam in Frankreich. „Die Franzosen sind sehr bürokratisch. Die Tatsache, dass man bei uns alles online machen und dadurch viel Zeit sparen kann, ist sehr wichtig für die Franzosen.“ Kurz- bis mittelfristig ist außerdem Irland für Bunq wichtig, da dort 2021 die Finanzgesellschaft Capitalflow übernommen wurde. Mittel- bis langfristig hegt Niknam auch Expansionspläne für Süd­europa.

Die am Jahresanfang angekündigte Marketingoffensive auf dem deutschen Markt sei durch den Ukraine-Krieg etwas zurückgenommen worden. „Wir sind vorsichtiger geworden“, sagte Niknam der Börsen-Zeitung. „Trotzdem kommt etwa jeder fünfte Neukunde aus Deutschland.“ Konkrete Zahlen nannte er allerdings nicht. In Deutschland werde ganz besonders großer Wert auf den Datenschutz gelegt – wofür Niknam großes Verständnis zeigte. „Wir haben das in Deutschland liegende Rechenzentrum des Amazon Web Services (AWS) als Cloud-Computing-Plattform gewählt, weil hierzulande die Datenschutzbestimmungen besonders streng sind. Außerdem wird das Datencenter zu 100 % mit grünem Strom betrieben.“

Operativ schwarze Zahlen

Bunq hat 2021 laut Geschäftsbericht einen Nettoverlust von 13,4 (i. V. 16,1) Mill. Euro gemacht. Niknam betont aber, dass die Bank seit Dezember 2021 operativ schwarze Zahlen schreibe und nur die anhaltende Expansion zu Verlusten führe. Bis Mitte 2021 hat Niknam Bunq allein mit insgesamt 125 Mill. Euro finanziert. Im November 2021 beteiligte sich Pollen Street Capital im Rahmen einer Series-A-Finanzierung an Bunq. Dabei wurden Aktien der Capitalflow Group sowie Kapital in Höhe von 31,9 Mill. Euro eingebracht. Bunq wurde damals mit 1,6 Mrd. Euro bewertet. Für die absehbare Zukunft sieht Niknam keinen zusätzlichen Kapitalbedarf.

Bisher erschienen:

Nachhaltiges Robo-Advisory stößt an Grenzen (3. September)

Maschinen für Umwelt- und Kli­ma­daten bauen (2. September)

Neumann bring CO2-Rechte auf die Blockchain (31. August)

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