Kompromiss zu Börsenticker für Aktien und ETFs deutet sich an
Kompromiss zu Börsenticker deutet sich an
Verhandlungen in entscheidender Phase – Appelle aus der Fondsindustrie – Zweikampf mit Börsenbetreibern
rec Brüssel
In der Europäischen Union ist nach dem Vorbild der USA eine zentrale Plattform mit Daten zu Aktien und ETFs geplant. Knackpunkt der Verhandlungen ist der Umgang mit vorbörslichen Informationen, für die sich Vertreter der Fondsindustrie mit Nachdruck einsetzen. Nun liegt ein Kompromisspapier auf dem Tisch.
Die politischen Verhandlungen über einen europaweiten Börsenticker nach amerikanischem Vorbild spitzen sich zu. Unterhändler in Brüssel nehmen in dieser Woche einen letzten Anlauf, um noch vor der Sommerpause zum Abschluss zu kommen. Die Verhandlungsführer aus Schweden haben dafür wenige Tage vor Ablauf ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft ein Papier vorgelegt, das einen Kompromiss an entscheidender Stelle andeutet und der Börsen-Zeitung vorliegt.
Geplant ist eine zentrale Plattform für die gesamte Europäische Union mit Echtzeitdaten zu Preisen, Kursen und Handelsumfängen von Aktien und Indexfonds (ETFs). Im Fachjargon ist von einem Consolidated Tape die Rede. Börsenbetreiber und Finanzkonzerne treten mit unterschiedlichen Konzepten zum Aufbau eines Börsentickers gegeneinander an. Umstritten ist vor allem, ob der zentrale Börsenticker Informationen ausschließlich nachbörslich oder auch vorbörslich enthalten wird. Hier setzt der Kompromissvorschlag an: Der Ticker solle "kontinuierlich" die besten Gebote mit den entsprechenden Mengen von Aktien und ETFs zum Zeitpunkt der Transaktion verbreiten. Weiter heißt es, die vorbörslichen Daten würden "keinerlei Informationen beinhalten, welcher Handelsplatz die Mengen anbietet".
"Anonymisierte" Daten
Mit dem Ansatz, vorbörsliche Handelsdaten "anonymisiert" zur Verfügung zu stellen, versuchen die schwedischen Verhandlungsführer gegenläufige Interessen etablierter Börsenbetreiber auf der einen und Investoren auf der anderen Seiten auszubalancieren. Diese leisten sich bereits einen Zweikampf, in den mehrere prominente Fondsadressen aus Deutschland eingestiegen sind (vgl. BZ vom 27. Mai).
Die Verhandlungspositionen von Europaparlament und EU-Staaten weichen ebenfalls deutlich voneinander ab. Das erschwert die Kompromisssuche. Auch die EU-Kommission hatte sich zwischenzeitlich eingeschaltet. Sie hat laut "Financial Times" Mindestumsätze für den Betrieb des Börsentickers ins Spiel gebracht. Im nun vorliegenden Kompromisspapier wird die Idee solcher Umsatzbedingungen an den Betreiber explizit verworfen.
Vertreter der Fondsbranche setzen sich mit Nachdruck für umfassende Echtzeitdaten ein. "Die Verhandlungen zur Einführung eines EU-Börsentickers befinden sich in der entscheidenden Phase", sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment. Es gehe um einen "Meilenstein" einer wettbewerbsfähigen und wachsenden Kapitalmarktunion. "Das funktioniert aber nur mit einem kostengünstigen, auf Rohdaten basierenden Echtzeit-Börsenticker für Aktien", sagt Reinke. "Dieser muss neben aktuellen Handelsdaten auch die Markttiefe beinhalten."
Verbraucherschützer warnen
Der deutsche Fondsverband BVI dringt im Konzert mit seinen europäischen Pendants AFME und Efama auf umfangreiche vorbörsliche Daten zu einem "vernünftigen" Preis. Ansonsten werde der Börsenticker für die potenziellen Kunden "nutzlos" und für den Betreiber "wirtschaftlich unrentabel" sein, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Verbände. Die Gesetzgeber dürften nicht "den lautesten Stimmen etablierter Interessengruppen nachgeben". Das ist als Seitenhieb auf europäische Börsenbetreiber zu verstehen, die sich ihrerseits in einem Joint Venture um den Zuschlag für den Börsenticker bemühen.
Vorbehalte gegen einen Börsenticker mit umfassenden, vorbörslichen Live-Informationen haben auch Verbraucherschützer. Die industriekritische Organisation Better Finance befürchtet Nachteile für Kleinanleger. Informationen erreichten Kleinanleger mit Verzögerung und sie könnten in der Regel nicht so schnell handeln wie Profiinvestoren.