DIE COMMERZBANK ZIEHT BILANZ

Konservative Commerzbank-Kunden

Von Anna Sleegers, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.11.2020 Die im Lockdown geäußerte Hoffnung, Corona werde das Digitalisierungsdilemma der Banken hinwegfegen, muss zumindest bei der Commerzbank mit einem Fragezeichen versehen werden. Denn während sich...

Konservative Commerzbank-Kunden

Von Anna Sleegers, FrankfurtDie im Lockdown geäußerte Hoffnung, Corona werde das Digitalisierungsdilemma der Banken hinwegfegen, muss zumindest bei der Commerzbank mit einem Fragezeichen versehen werden. Denn während sich das Zahlen mit der Smartphone-App an der Supermarktkasse oder beim Bäcker bei den bargeldverliebten Deutschen aus Gründen der Bequemlichkeit auf Dauer durchzusetzen scheint, weichen die Privatkunden der Commerzbank keineswegs immer so freiwillig auf digitale Kanäle aus wie von Totengräbern der Filiale behauptet.Wie aus einer internen, der Börsen-Zeitung vorliegenden Untersuchung der Privatkundensparte der Commerzbank hervorgeht, ist die Zahl der aktiven Nutzer der Digitalangebote im ersten Halbjahr zwar um gut 4 % auf 2,9 Millionen gestiegen. Grund war offenbar jedoch weitgehend das anhaltende Kundenwachstum. Der Anteil der Nutzer des Digitalangebots verharrte dagegen bei etwa 76 %.Das digitale Angebot umfasst neben dem Online-Banking-Portal eine Banking-App für mobile Endgeräte, die der zum Jahreswechsel zum Mutterkonzern gewechselte frühere Comdirect-Chef Arno Walter kürzlich auf dem Retail-Bankentag der Börsen-Zeitung als “State of the Art” bezeichnete. Wie die Commerzbank berichtet hat, erfreut sich das Tool seit Ausbruch der Pandemie regen Zuspruchs. Dazu beigetragen haben dürfte im Jahresverlauf die Integration einer Wertpapierorderfunktion, die das Angebot gerade in turbulenten Börsenzeiten attraktiv macht. So stiegen in den ersten neun Monaten die Beiträge zu Wertpapiersparplänen nach Commerzbank-Angaben im Vergleich zum Vorjahr um 50 %. Viele Nutzer seien Erstinvestoren.Während des Lockdowns im Frühjahr verzeichnete die Bank laut Walter einen Anstieg der Kundenlogins über die App um 74 %. Wie viele Zugriffe auf spielerische Neugier von Erstinvestoren, auf Langeweile im Hausarrest oder auf dauerhaft verändertes Nutzerverhalten zurückzuführen waren, lässt sich von außen schwer beurteilen. Fest steht. Der Digitalkanal beginnt im Wertpapiergeschäft zu dominieren. In den Monaten April, Mai und Juni wurde nur noch etwas mehr als ein Drittel der privaten Wertpapiergeschäfte über die Filiale abgewickelt. 2019 lag die Relation noch bei 50:50.In der Breite erwiesen sich die Kunden jedoch als überraschend konservativ. Wie die Unterlagen zeigen, nutzten im ersten Halbjahr etwa 43 % der aktiven Digitalkunden das Online-Portal und nur etwa 30 % die App, wobei sich dort mit einem Zuwachs um 2,7 % im Juni eine positive Tendenz abzeichnete. Rund ein Viertel der Digitalnutzer griff auf beide Kanäle parallel zurück.Jenseits des Wertpapiergeschäfts finden Produktabschlüsse noch immer überwiegend in der Filiale statt. Daran hat der Lockdown wohl nur temporär etwas geändert. So stieg in diesem Segment der Anteil der Online-Nutzer, 2019 noch bei knapp 31 %, während des Lockdown, als die Commerzbank-Filialen geschlossen waren, bis auf 57 % im April – um im Mai wieder auf gut 48 % und im Juni auf unter 40 % zu fallen. Gut möglich, dass ihr Anteil wieder auf das alte Niveau absackt, wenn die Commerzbank die 200 aufgrund der Pandemie temporär geschlossenen Filialen wieder öffnet.——Corona hat digitale Kanäle gestärkt – verzichtbar wird die Filiale dadurch nicht.——