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Kontaktlos zahlt sich in der Krise aus

Von Tobias Fischer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.5.2020 Die Zahlungsgewohnheiten der Deutschen verschieben sich durch die Coronakrise schneller denn je. Die in der Pandemie gebotene Abstandswahrung und die von Bankenverbänden wie in Supermärkten...

Kontaktlos zahlt sich in der Krise aus

Von Tobias Fischer, FrankfurtDie Zahlungsgewohnheiten der Deutschen verschieben sich durch die Coronakrise schneller denn je. Die in der Pandemie gebotene Abstandswahrung und die von Bankenverbänden wie in Supermärkten propagierten Aufrufe, möglichst kontaktlos zu zahlen, schlagen sich entsprechend im Kundenverhalten nieder. In einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Bundesbank haben 43 % angegeben, in den vergangenen Wochen infolge der Corona-Pandemie ihr Zahlungsverhalten in Geschäften an der Kasse geändert zu haben. Gut zwei Drittel von ihnen erklärten der Notenbank zufolge, häufiger kontaktlos mit Karte zu bezahlen – insgesamt also knapp 30 % der Bürger.Das deckt sich weitgehend mit Erkenntnissen des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), der Anfang April in einer Befragung herausgefunden hat, dass sich 26 % der Verbraucher in der Krise umgestellt haben und im Geschäft möglichst kontaktlos per Karte oder Handy statt mit Bargeld bezahlen (siehe Grafik). Zusammen mit jenen 35 % der Bürger, die das bereits vor Ausbruch der Pandemie taten, zücken demnach nun mehr als 60 % der Verbraucher im Supermarkt und an anderen Kassen zuvorderst Karte oder Handy.Die besondere Liebe zum Bargeld, die den Deutschen von jeher nachgesagt wird, ist schon in den vergangenen Jahren unter anderem wegen der Einführung neuer Zahlungsmethoden und des Auftretens neuer Anbieter, vor allem Google und Apple mit ihren Bezahlverfahren im Jahr 2018, deutlich abgekühlt. Seit längerem sei ein Trend hin zu unbaren Zahlungsmitteln zu erkennen, der sich angesichts der Pandemie noch verstärkt habe, berichtet die Bundesbank.Dem Trend könnte jüngst außerdem die Verdopplung der Betragsgrenze für die PIN-Eingabe bei kontaktlosen Girocard-Zahlungen im Handel von 25 auf 50 Euro Vorschub geleistet haben, wie die Bundesbank vermutet. In bestimmten Städten, etwa in Frankfurt, ist das schon jetzt möglich, bis Herbst soll es flächendeckend umgesetzt sein. Mehr als 100 Millionen Girocards sind der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zufolge in Deutschland im Einsatz, von denen aktuell gut 75 Millionen kontaktlosfähig sind.Die Bundesbank-Experten sind sich noch nicht im Klaren, ob die Präferenz kontaktlosen Bezahlens dauerhafter Natur ist. “Aus heutiger Sicht ist nicht sicher abzuschätzen, in welchem Umfang das veränderte Zahlungsverhalten und insbesondere die verstärkte Nutzung des kontaktlosen Bezahlens auch bei einer Beruhigung der Pandemie fortbestehen wird”, heißt es auf Anfrage.Zur Frage, ob und inwieweit die derzeit verstärkte Nutzung des kontaktlosen Bezahlens die Bargeldhaltung beeinflusst, lägen ihr keine gesicherten Erkenntnisse vor. Weitere Aufschlüsse erhoffen sich die Experten durch die Neuauflage der Studie zum Zahlungsverhalten aus 2017, die im Laufe dieses Jahres, soweit möglich, durchgeführt werden soll. GewöhnungseffektDer BdB hält es derweil für “sehr unwahrscheinlich”, dass sich der Trend nach Überwindung der Pandemie wieder umkehren wird. “Viele Kunden dürften sich inzwischen an das schnelle und bequeme kontaktlose Bezahlen gewöhnt haben”, heißt es in einem Blogeintrag, der mit der Überschrift “Die Krise als Katalysator: Kontaktloses Zahlen auf dem Vormarsch” versehen ist. Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid ist davon überzeugt, dass kontaktloses Bezahlen zunehmend zur Normalität wird, wie er bereits vor der Krise Mitte Februar sagte.Die ING hat derweil festgestellt, dass sich das Verhältnis zwischen Kartenzahlungen und Bargeldabhebungen klar verlagert hat. “Seit Ausbruch der Coronakrise sehen wir bei unseren Kunden einen eindeutigen Trend in Richtung bargeldloses Bezahlen”, sagt Jürgen von der Lehr, Head of Daily Banking und Payments bei der ING Deutschland, der Börsen-Zeitung. “Die Kunden heben signifikant weniger Geld ab und setzen vermehrt die Karte zum Bezahlen ein.”Das gilt auch für Sparkassen-Kunden. Der Anteil der kontaktlosen Zahlungen per Girocard stieg von 27,5 % im März 2019 binnen eines Jahres auf 52,2 %, wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband jüngst mitteilte. Bei den rheinland-pfälzischen Sparkassen waren es geringfügig weniger als im bundesweiten Schnitt. Lag der Anteil der Kontaktloszahlungen in diesem Februar noch bei 47,6 % der Transaktionen per Girocard, so sei für April mit einem Zuwachs auf gut 51 % zu rechnen, sagte eine Sprecherin des Sparkassenverbands SVRP.Dieses Muster folgt demnach einer länger anhaltenden Tendenz. So sei bereits im vergangenen Jahr eine Verdreifachung der Kontaktloszahlungen von zuvor rund 8,4 Millionen auf 25,9 Millionen zu beobachten gewesen, was auf verbesserte technische Rahmenbedingungen zurückzuführen sei: mehr Terminals für kontaktloses Bezahlen im Einzelhandel und Ausstattung von mehr Girocards mit Kontaktlos-Funktion.