Björn Storim, BNY Mellon

Kooperationen statt Zukäufe

Bei der Digitalisierung der Dienstleistungen hat sich der weltgrößte Verwahrer BNY Mellon für ein offenes Netzwerk mit diversen Partnern entschieden. Im Zentrum steht dabei die Unmenge an Daten, über die die US-Bank verfügt.

Kooperationen statt Zukäufe

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Der weltgrößte Verwahrer BNY Mellon setzt bei der Digitalisierung seiner Dienstleistungen auf ein offenes und modulares Netzwerk. „Neben der Digitalisierung der eigenen Prozesse haben wir uns für eine offene Struktur und eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen entschieden, um ein breit gefächertes Angebot im Sinne unserer Kunden aufbauen zu können“, berichtet Björn Storim, seit September 2020 für die Geschäfte des US-Custodian in Deutschland, der Schweiz, Österreich sowie Mittel- und Osteuropa zuständig, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: „Ein Netzwerk mit offener Struktur unter Einbezug vieler Partner, mit denen auch unsere Kunden zu tun haben, halten wir für vorteilhafter, als uns durch Zukäufe für die digitale Zukunft fit zu machen.“ Diesen Ansatz hat die US-Gesellschaft Omni (Open Modular Network Integration) genannt. Hintergrund ist, dass die Kernleistung, die Verwahrung, schon seit Jahren kaum noch Margen bringt. Die großen Anbieter setzen daher zum einen auf Masse und zum anderen auf neue digitale Dienstleistungen, um sich vom Wettbewerber abzuheben. Zugleich hilft die Digitalisierung und Automatisierung der eigenen Prozesse dabei, die Kosten zu drücken. Die reine Verwahrung wird nur noch mit rund einem Basispunkt vergütet.

Was liegt BNY als Branchenriesen da näher, als sich der unvorstellbaren Datenmengen zu bedienen, die hinter der Verwahrung von Wertpapieren im Wert von zuletzt 41 Bill. Dollar liegen? „Die von uns verwahrten Assets bilden einen Datensee, der 50 Petabyte groß ist, das entspricht der zweieinhalbfachen Menge an Informationen, die man in der Bibliothek des US-Kongresses findet, als gedruckte Blätter würde diese Datenmenge übereinandergestapelt der halben Strecke bis zum Mond entsprechen“, beschreibt der frühere Co-Sprecher des Vorstands von Credit Suisse Deutschland die Menge. 1 Petabyte ist umgerechnet 1 Million Gigabyte.

Angesichts dieser Dimensionen an gesammelten Finanzdaten zeigt sich die Bedeutung und zentrale Stellung von BNY für die Finanzbranche. Insofern ist nachvollziehbar, warum der US-Verwahrer vom Finanzstabilitätsrat zu den wichtigsten global systemrelevanten Banken gezählt wird. So hat BNY auch das Monopol im Clearing von US-Staatsanleihen.

Zusammenarbeit mit Google

Ebendiesen Aspekt macht sich BNY nun zunutze, indem die dahinter verborgenen Datenmengen mit Hilfe künstlicher Intelligenz genauer analysiert werden. Dafür war Anfang Februar eine Cloud-Kooperation mit Google verkündet worden. Mit Hilfe von Googles Technologien zur Datenanalyse, künstlicher Intelligenz und Machine Learning wurde in einem ersten Schritt ein Analyse-Tool erstellt, um Vorhersagen für Fehler beim Settlement-Prozess zwischen Käufer und Verkäufer treffen zu können. Dies passiert nach Angaben von BNY immerhin in 2% der Fälle. Fehlerhafte Kontenzuordnungen, Tippfehler oder Preisdreher sind zum Beispiel die Ursache. Diese Fehler häufen sich zum Monats- und Quartalsende, wenn die Zahl der Transaktionen nach oben schnellt. „Wenn es im Settlement zu Fehlern kommt, müssen die Kunden diese manuell beheben, was einen hohen Personalaufwand nach sich zieht, zudem müssen die Kunden für solche Fehler Kapital und Liquidität vorhalten“, führt der 49-Jährige aus.

Durch Analyse historischer Daten im US-Treasury-Markt ist es BNY nach eigenen Angaben durch die neue Kooperation mit Google gelungen, immerhin 40% der Fehler vorhersehen zu können. Dies gelang, indem diese Fehler mit anderen historischen Daten wie der Volatilitätsentwicklung abgeglichen wurden. Dadurch wurden Muster für das häufige Vorkommen solcher Fehler entdeckt. Storim: „Wenn solche Fehler vorhersehbarer werden und damit seltener stattfinden, kann der Teameinsatz bei unseren Kunden besser geplant werden ebenso wie die Kapital- und Liquiditätssteuerung.“

BNY plant, mit Hilfe der Kooperation mit Google für die Kunden noch weitere Angebote zu schaffen: so etwa Tools für die Wertpapierleihe, für Liquiditätsprognosen, dynamische Preiskontrolle oder die automatisierte Dokumentenverarbeitung. Einen anderen Fall des Kooperationsansatzes von BNY Mellon betrifft die Abwicklung der Stimmrechtsausübung. Diese ist für Aktionäre über Ländergrenzen hinweg angesichts einer völlig veralteten bis nicht vorhandenen Struktur bisher ein großes Problem gewesen. Denn um die Stimmrechte überhaupt ausüben zu können, braucht es die formalen Dokumente hierfür, die bei Auslandsinvestments sehr schwer und nur sehr teuer zu beschaffen sind.

Lösung im Konsortium

Aus diesem Grund hatte sich BNY zusammen mit mehreren anderen Akteuren der Finanzbranche an einer Finanzierungsrunde für das Fintech Proxymity beteiligt, das ursprünglich von der US-Großbank Citi entwickelt wurde. Das Fintech kümmert sich mit Hilfe einer digitalen Plattform um den Prozess der Stimmrechtsvertretung. Durch die Finanzierungsrunde über 20,5 Mill. Dollar, an der sich neben der einstigen Mutter Citi und BNY auch Clearstream, Computershare, Deutsche Bank, HSBC, J.P. Morgan und State Street beteiligten, ist das Fintech nunmehr eigenständig und hat seinen Sitz in London. „Angesichts der Komplexität im Proxy Voting ist es besser, die bestehenden Probleme bei der Ausführung der Stimmrechte in einem breiten Konsortium zu lösen, statt auf eine Insellösung zu setzen“, betont Storim, der vor seiner Zeit bei Credit Suisse auch schon für J.P. Morgan gearbeitet hat. „Über die Plattform von Proximity wurden bereits 3000 Aktionärsversammlungen zum Beispiel in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Österreich oder Australien begleitet.“

Während über ein Netzwerk die Chancen der Digitalisierung für die Kunden in neue Produkte oder Dienstleistungen münden, ist BNY schon länger dabei, die eigenen Strukturen komplett zu digitalisieren und die Zahl der Schnittstellen zu reduzieren. „Im Jahr 2020 haben wir 3,2 Mrd. Dollar investiert, um das komplette Unternehmen mit allen Abteilungen sukzessive zu digitalisieren.“ Dabei verbinde sich die Technologie, die einst eine eigene Abteilung war, immer mehr mit dem Kerngeschäft. Deswegen sei bei BNY der Digitalchef Roman Regelman mittlerweile auch der CEO of Asset Servicing, so Storim. „Das Ziel ist, die Kernprozesse des Segments ‚Investment Services‘ von Anfang bis Ende komplett durchzudigitalisieren“, umreißt Storim das Ziel von BNY für die internen Strukturen.

Die Digitalisierung soll indes auch helfen, das Kerngeschäft der Verwahrung, das nur dünne Margen bringt, mit Hilfe von diversen Data-and-Analytics-Angeboten für die Kunden derart aufzupeppen, dass sie diese Module zusätzlich für einen entsprechend höheren Obolus einkaufen. „Die Verwahrung wird inzwischen oft als Commodity betrachtet, der Mehrwert beim Kunden, der uns auch von der Konkurrenz abhebt, entsteht über Data and Analytics“, führt Storim aus. Als Beispiel nennt er für die Versicherer ein spezielles Tool, das die für die Aufsicht erforderlichen Solvency-Daten spezifisch aufbereitet. Ein weiteres Angebot ist die Analyse von Portfolien auf Nachhaltigkeitskriterien wie etwa die entsprechenden Ziele der Vereinten Nationen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.