GASTBEITRAG

Kredite haben weiteres Ertragspotenzial

Börsen-Zeitung, 20.9.2012 Unbeeindruckt von einem eher verhaltenen gesamtwirtschaftlichen Ausblick feiern Aktienindizes neue Jahreshöchststände und schicken sich an, auf das Kursniveau aus der Zeit vor der Finanzkrise zurückzukehren. Doch nicht nur...

Kredite haben weiteres Ertragspotenzial

Unbeeindruckt von einem eher verhaltenen gesamtwirtschaftlichen Ausblick feiern Aktienindizes neue Jahreshöchststände und schicken sich an, auf das Kursniveau aus der Zeit vor der Finanzkrise zurückzukehren. Doch nicht nur Aktien erfreuen die Anleger durch zweistellige Wertzuwächse. Auch Unternehmensanleihen und High-Yield-Bonds konnten deutlich zulegen und weisen eine Performance von zum Teil mehr als 10 % seit Jahresbeginn auf. Davon profitieren nicht nur die Investoren. Angesichts historisch niedriger Zinsen nutzen die großen, kapitalmarktbekannten Firmen die anhaltende Nachfrage verstärkt dazu, ihren längerfristigen Refinanzierungsbedarf zu äußerst vorteilhaften Konditionen zu decken. So ist es Siemens unlängst gelungen, mit Unterstützung eines sehr soliden “Aa 3 -” bzw. “A +”-Ratings eine auf britische Pfund lautende Anleihe mit beeindruckenden 30 Jahren Laufzeit und 3,75 % Kupon zu begeben. In Euro musste das Unternehmen sogar nur 1,5 % Zinsen für 7,5 Jahre Laufzeit zahlen. Anleihen erhalten VorzugVermehrt geben die Firmen dabei den Anleihen auch den Vorzug gegenüber klassischen Bankkrediten, und dies, obwohl nur Kredite flexible, auf den Kreditnehmer zugeschnittene Finanzierungslösungen bieten. So kann das Unternehmen etwa Kreditlinien nach Bedarf in Anspruch nehmen und zahlt auch nur für den gezogenen Teil Zinsen, was die Refinanzierungskosten im Vergleich zu Unternehmensanleihen deutlich senkt. Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Kreditvertrages erlauben die gezielte Berücksichtigung von Höhe, Zeitpunkt und Währung der Refinanzierungsanforderungen des Unternehmens. Zwar gilt grundsätzlich, dass Kredit und Anleihe keine vollkommenen Substitute sind und beide ihre Daseinsberechtigung haben. Die Flut an Neuemissionen legt jedoch den Schluss nahe, dass die Unternehmen vermehrt von den aktuellen Marktbedingungen opportunistisch Gebrauch machen – letztlich zu Lasten der Kreditaufnahme. Die Frage der KompensationWährend sich sowohl Schuldner als auch Anleger über die jüngsten Marktentwicklungen freuen können, stellt sich die Frage, ob Letztere angesichts der vorherrschenden Unsicherheiten für die eingegangenen Risiken angemessen kompensiert werden. Dabei zeigt sich kein einheitliches Bild. Trotz der weitreichenden Schritte der europäischen Notenbank zur Lösung der europäischen Schuldenkrise geben insbesondere die ökonomischen Rahmenbedingungen Anlass zur Sorge. Darüber hinaus steigt die Gefahr, dass sich Unternehmen aufgrund des günstig verfügbaren Fremdkapitals zu aktionärsfreundlichen Maßnahmen hinreißen lassen – mit der Folge eines höheren Verschuldungsgrad sowie Rating-Herabstufungen. Dazu zählt beispielsweise die Ausschüttung einer hohen Dividende, die die Aktie im Vergleich zu aktuellen Anleiherenditen attraktiver erscheinen lässt. Ebenso sind Aktienrückkäufe ein probates Mittel, dem Aktienkurs nachzuhelfen. Auch vorwiegend fremdkapitalfinanzierte Firmenübernahmen sind typische Merkmale einer Niedrigzinsphase. Angesichts der weltweiten Politik des billigen Geldes zur Belebung der Konjunktur sind die Aussichten für Unternehmensanleihen grundsätzlich weiterhin positiv zu werten. Der aktuelle Verlustpuffer der niedrigrentierlichen Unternehmensanleihen ist allerdings dünn. Für die genannte Euro-Siemens-Anleihe reichte beispielsweise bereits ein Zinsanstieg von etwa 22 Basispunkten, um den Zinsertrag eines Jahres aufzuzehren. Andererseits bieten Renditeaufschläge für Unternehmen mit niedrigerer Bonität, sogenannten High-Yield-Emittenten, auch nach der Rally noch ausreichend Schutz vor Ausfallrisiken. Sowohl im Vergleich zu historischen Ausfallraten als auch angesichts der prognostizierten moderaten Kreditausfälle sind derzeit zu beobachtende Risikoprämien von 4 % bis 5 % mehr als angemessen. Überschaubares UniversumDas Anlageuniversum für Unternehmensanleihen ist in Europa jedoch überschaubar. Erwartungen, dass Mittelständler aufgrund restriktiver Kreditvergabe durch die Banken auf die Alternative der Emission von Anleihen oder Schuldscheinen zurückgreifen, haben sich bislang kaum erfüllt. Ursächlich dafür sind etwa die mit einer Börsennotierung verbundene Publizitätspflicht sowie die hohen Emissionskosten. So bleibt für viele Klein- und Mittelstandsunternehmen der Bankkredit die vornehmliche Fremdkapitalquelle, obwohl – gemessen an den Spreads von Credit Default Swaps – die Refinanzierungssätze der Banken noch immer deutlich über denen der Industrieunternehmen mit vergleichbarer Bonität liegen. Denn während die Liquiditätsspritze der Zentralbanken erfolgreich dazu beitrug, die Renditeaufschläge für Staatsanleihen zu senken, erfordert für viele Banken der Zugang zum Kapitalmarkt weiter erhebliche Zugeständnisse an die Investoren. Da jedoch die Finanzinstitute kaum mehr auf klassische Instrumente der Kapital- und Liquiditätsoptimierung wie Verbriefungen zurückgreifen können, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die hohen Eigenkapital- und Funding-Kosten soweit möglich an ihre Kreditnehmer weiterzureichen. Unverändert hoher DruckZwar haben sich die Kreditkonditionen laut deutschem Bankenverband zuletzt verbessert, aber weder konnte der Mittelstand in gleicher Weise von den günstigen Kapitalmarktbedingungen profitieren noch besteht Aussicht auf dauerhafte Zugeständnisse der Banken. Dafür sorgt schon der unverändert hohe Druck durch derzeit diskutierte regulatorische Auflagen wie etwa Basel III, der bereits jetzt auf den Banken lastet.Mittelstandskredite stellen dabei eine attraktive Anlageklasse dar. Da Bankdarlehen überwiegend mit einem variablen Zins ausgestattet sind, gelten sie vor allem in Zeiten steigender Zinsen und Inflation als vergleichsweise vorteilhaftes Investment. Auch für die Volkswirtschaft eines Landes erwachsen daraus Chancen. Denn eine geeignete Lösung der Finanzkrise ist im wesentlichen Maße auch von einer breiteren Risikostreuung abhängig, um den entstandenen Teufelskreis aus Bankenkrise und Staatsüberschuldung zu durchbrechen. Die ökonomisch sinnvolle Beteiligung von Anlegern am Kreditfluss jenseits der originären Kreditvergabe unter der Maßgabe einer geeigneten Regulierung und Aufsicht, oft als Schattenbankensystem bezeichnet, wird dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die derzeit vorhandenen Restriktionen in den einschlägigen Gesetzen und Auflagen für Direktinvestments in unverbriefte Kredite sind dabei jedoch mehr Hindernis als zielführend. Hier liegt ein erhebliches Potenzial zur Reduzierung systemischer Bankenrisiken bei gleichzeitig nachhaltiger Stärkung der Ertragskraft vor allem großer institutioneller Anleger.