Kreditplattformen ringen um frisches Geld
Den Kreditplattformen gehen die Geldgeber aus. Der noch junge Sektor wird für Fehler des ehemaligen Branchenprimus Lending Club in Sippenhaft genommen und muss eine Vertrauenskrise überwinden.Von Björn Godenrath, FrankfurtKaum haben institutionelle Investoren das Bereitstellen von Geld für Kreditmarktplätze entdeckt, da zwingt sie die jüngste Vertrauenskrise in dem Sektor, das Bremspedal zu betätigen. Grund ist der Aufruhr beim US-amerikanischen Schwergewicht Lending Club, das zum Weiterverkauf über die Investmentbank Jefferies bestimmte Kreditdaten manipulierte. Zudem wurden auch Bilanzierungsstandards bei der Kreditbewertung verletzt. Mit Lending Club steht nun die ganze Branche der P2P-Plattformen – das Kürzel steht für “Peer to Peer” – am Pranger. Abenteuerliche KonstruktionZudem hapert es mit dem Wachstum. Grund ist auch die schon vor dem Lending-Club-Sündenfall ins Stocken geratene Verbriefung von Kreditrisiken. Das ist der Flaschenhals bei diesen Marktplätzen: Die Betreiber haben keine Bilanz, die Spielraum bietet für die Abdeckung von Kreditrisiken. Deshalb sind sie und die Geldgeber darauf angewiesen, die Kredite samt Risiken zu verpacken und über den Kapitalmarkt weiterzureichen. Um Abnehmer zu schaffen, greifen Lending Club und Social Finance (SoFi), ein großer US-Kreditmarktplatz mit vorbörslicher Milliardenbewertung, auch auf abenteuerliche Konstruktionen zurück: Um den Zufluss an Geld für Ausreichungen aufrechtzuerhalten, wurden Hedgefonds-Strukturen aufgebaut, an denen SoFi wiederum Anteile hält. Das erscheint nicht geeignet, um dauerhaft Liquidität reinzuholen und Bilanzrisiken abzuwälzen.Dabei genießt das P2P-Lending im derzeitigen EU-Raum sogar öffentlich-rechtliche Unterstützung. Die Förderbank der EU, die European Investment Bank (EIB), hat der von London aus operierenden Funding Circle nun 100 Mill. Pfund für Ausleihungen über ihre Plattform bereitgestellt. Auch die KfW hat schon Gelder via Forderungskauf beigesteuert, ebenso der European Investment Fund. Über P2P-Marktplätze sollen Kreditnehmer erreicht werden, die bei den Banken bislang nicht immer fündig werden.Funding Circle hat seit Gründung 2010 Kredite über mehr als 1,25 Mrd. Pfund an rund 16 000 britische Unternehmen ausgegeben – sah sich nach dem Brexit-Votum aber genötigt mitzuteilen, dass es zukünftig schwerer sei, solche Funding-Vereinbarungen zu treffen. Hinzu kommen interne Querelen: Nachdem Funding Circle 2015 die Berliner Rocket-Tochter Zencap schluckte, ist mit Matthias Knecht der Europa-Chef Knall auf Fall ausgestiegen, Zencap-Mitgründer Christian Grobe hat sein baldiges Ausscheiden angekündigt. Offenbar sind beide Manager nicht damit einverstanden, dass CEO Samir Desai knapp werdende Mittel lieber für andere Regionen vorhalten will. Dass solche strategischen Prioritäten gesetzt werden müssen, wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der noch jungen Branche.Dabei ist das Phänomen P2P-Lending am deutschen Markt erstmals im Oktober 2015 auf breiter Front registriert worden, als der niederländische Lebensversicherer Aegon dem Düsseldorfer Kreditmarktplatz Auxmoney 150 Mill. Euro zur Verfügung stellte. Im September erhielt dann auch die auf Firmenkredite spezialisierte Zencap eine stattliche Summe zur Verfügung: Victory Park, ein institutioneller Investor aus den USA, stellte 230 Mill. Euro bereit. Zuvor hatte Victory Park bereits Funding Circle 420 Mill. Dollar anvertraut. Und auch der auf Konsumentenkredite spezialisierten Hamburger Kreditech wurde Anfang 2015 Zugriff auf eine Fazilität über 200 Mill. Dollar ermöglicht.Dabei investiert Victory Capital in der Regel über eigens dafür aufgelegte Fonds, also über eine geschlossene Investorengruppe, die in bestimmte Risikoklassen von Krediten investieren will. Der Versicherer Aegon wiederum muss die Kreditrisiken aus den Ausreichungen über die eigene Bilanz abdecken. Das entlastet die Marktplatzbetreiber wie Auxmoney, die nur als Vermittler auftreten.Derzeit aber stockt der Geldfluss, da die Vertrauenskrise in P2P-Lender eingesetzt hat. Dabei ist im Niedrigzinsumfeld auf Seiten von Assetmanagement und Assekuranz mehr als genug nach Renditeoasen suchendes Kapital vorhanden. Doch es gibt Wege, solche Investments in P2P-Kredite für institutionelle Investoren marktgängig zu machen. So bietet die von London aus operierende Fintex Capital Investoren den Erwerb von gebündelten Kreditforderungen über eine Bondstruktur an. Fintex erwirbt dabei auf eigene Rechnung Kreditforderungen, die in Darlehensportfolien sortiert und dann in Form eines Bonds mit eigener ISIN-Nummer handelbar gemacht werden.Ein erstes Investment wurde auf Auxmoney (also über diese Plattform vermittelte Kredite) getätigt. Fintex-Mitgründer und CEO Robert Stafler haben die Plattform eng begleitet und können deren Kreditprozesse gut beurteilen. Für die Überwachung der Kredite hat Fintex ein Risikomanagement-System gebaut, das eine granulare Betrachtung für die Verwaltung des Investments erlaubt. Genau darin liegt die Dienstleistung: Institutionelle Investoren müssen keine eigene Kreditkompetenz für den P2P-Sektor aufbauen – und geben dafür eine Marge von 0,5 Prozentpunkten an Fintex ab. Die Bondzeichner profitieren vom Zusatzertrag, falls die Kreditausfälle geringer ausfallen als erwartet. Gewöhnliche AssetklasseStafler eruiert derzeit Expansionsgelegenheiten, auch wenn er für dieses Jahr bereits einen Großteil der Investments getätigt hat. Dabei geht der Blick auch über den lebendigen britischen P2P-Markt, der die notwendigen Volumina bietet, hinaus. Denn dieser steht aufgrund des Brexit-Votums mit dem Ausscheiden aus dem einheitlichen Markt für den Vertrieb von Finanzprodukten vor einer ungewissen Zukunft. Langfristig verfolgt der lange für J. P. Morgan tätige Stafler jedenfalls das Ziel, P2P-Kredite als Mainstream-Assetklasse für institutionelle Investoren zu etablieren. Dass die Commerzbank einen eigenen P2P-Marktplatz ins Rennen schickt, dürfte den noch im Aufbau befindlichen Sektor stützen.