Kreditrisiko treibt Bundesbank um

Margenverfall im Firmenkundengeschäft bereitet Aufsehern Sorge - Zinsänderungsrisiken sind gestiegen

Kreditrisiko treibt Bundesbank um

Die Verwundbarkeit des deutschen Finanzsystems hat zugenommen, wie die Deutsche Bundesbank festgestellt hat. Nach wirtschaftlich guten Jahren würden künftige Kreditrisiken potenziell unter- sowie der Wert von Sicherheiten überschätzt. Nachholbedarf hätten die Institute in Sachen Nachhaltigkeit.bn Frankfurt – Die Kreditrisiken der deutschen Finanzinstitute beunruhigen die Deutsche Bundesbank. Wie Vizepräsidentin Claudia Buch am Donnerstag bei der Präsentation des Finanzstabilitätsberichts 2019 erklärte, hat die Verwundbarkeit des deutschen Finanzsystems seit dem vergangenen Jahr zugenommen, nicht sprunghaft, aber in einem “langsamen, graduellen Prozess”. Zur Begründung verwies sie unter anderem auf den stetig steigenden Anteil von Krediten mit langfristiger Zinsbindung an der Baufinanzierung. Dieser hat sich im Laufe dieses Jahres beschleunigt erhöht. Inzwischen weist jeder zweite neu vergebene Wohnungsbaukredit eine Zinsbindungsfrist von über zehn Jahren auf, wie die Zentralbank mitteilte. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil nur halb so hoch (siehe Grafik).In der Folge haben sich die Zinsänderungsrisiken der Institute erhöht, wie Buch ausführte. Überdies verstärke die Perspektive einer längeren Fortsetzung der Niedrigzinsphase den Anreiz, ins Risiko zu gehen.Nach zehn guten Jahren für die Wirtschaft würden zudem künftige Kreditrisiken potenziell unter- sowie der Wert von Kreditsicherheiten wie Immobilien überschätzt, erklärte sie. Ihren Angaben zufolge würden sowohl abrupt steigende als auch anhaltend niedrige Zinsen das Finanzsystem unter Druck setzen. Auch ein unerwarteter Konjunktureinbruch könnte die Verwundbarkeit des Finanzsystems offenlegen. Weltweit seien in den zurückliegenden zwölf Monaten Abwärtsrisiken für die Konjunktur bereits eingetreten, gab sie zu bedenken. Warnung intensiviertDamit intensiviert die Bundesbank vor dem Hintergrund des Zinstiefs und eines zu Ende gehenden Konjunkturbooms ihre Warnungen vor Gefahren für Banken. Vor Jahresfrist bereits hatte die Zentralbank prozyklische Effekte thematisiert, die sich zeigen können, falls in einem Konjunkturabschwung Kreditausfälle das Eigenkapital der Banken reduzieren und deren Risikoaktiva treiben, und zwar besonders stark bei Instituten, die ihren Eigenkapitalbedarf mit Hilfe interner Modelle berechnen. An die Banken war damals der Appell ergangen, ihren Puffer an Eigenkapital zu stärken. Die Gefahr einer Unterschätzung von Kreditrisiken ortet die Zentralbank ausdrücklich auch im Firmenkundengeschäft. Im Zuge einer seit über zehn Jahren stetig fallenden Zahl von Unternehmensinsolvenzen bei einem parallelen Rückgang des Volumens notleidender Kredite hat die Risikodichte, also das Ausmaß, in welchem Banken ihre Forderungen als Risikoaktiva führen, bei Anwendung bankinterner Modelle stetig abgenommen und sich im Ergebnis seit 2009 nahezu halbiert. Zugleich haben die Institute ihre Kreditvergabe in den vergangenen 20 Jahren prozentual zweistellig ausgeweitet. Mehr WiderstandskraftZwar seien die Risiken insgesamt gestiegen, die Widerstandskraft im deutschen Bankensystem steige hingegen auch, relativierte Joachim Wuermeling, im Vorstand der Bundesbank für Bankenaufsicht zuständig, die Lage, auch mit Blick auf Reserven, welche die Banken in den vergangenen Jahren nach § 340 f HGB gebildet haben.Die Ausweitung der Unternehmensfinanzierung im Firmenkundengeschäft sei wirtschaftspolitisch und geldpolitisch “gewünscht und gefördert”, erklärte er mit Blick auf die Debatte um die Notwendigkeit stärkerer Venture-Capital-Finanzierungen sowie eines Wandels hin zu Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit: “Deshalb sehen wir Risikonahme zunächst einmal neutral.” Allerdings müsse in jeder Bank die Risikotragfähigkeit gegeben sein. Derzeit seien die deutschen Banken ausreichend kapitalisiert, um die von ihnen eingegangenen Risiken zu beherrschen. “Und wir sehen hier auch noch einen gewissen Spielraum angesichts der Kapitalisierung”, fügte Wuermeling hinzu.”Was uns ein bisschen Sorge macht, ist die Bepreisung im Firmenkundengeschäft”, schränkte er zugleich ein: “Wir stellen einen Margenverfall fest und fordern hier eine gewisse Marktdisziplin ein.” Die Bundesbank werde ihren Beitrag leisten, um “Dumping-Kredite” zu verhindern.Lobende Worte findet die Bundesbank für die Einführung eines antizyklischen Kapitalpuffers zum dritten Quartal dieses Jahres. “Der antizyklische Kapitalpuffer stärkt die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems und stabilisiert die Kreditvergabe in Stressphasen”, sagte Buch.Den jüngsten Vorstoß von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Fortentwicklung der Bankenunion wertete Wuermeling als positiv. Die Initiative adressiere “konstruktiv” alle Risiken, welche die Bundesbank im Zuge der Debatte identifiziert habe, erklärte er.Handlungsbedarf haben die deutschen Banken unterdessen in Sachen Nachhaltigkeit, wie die Bundesbank am Donnerstag auch deutlich machte. Ergebnisse einer gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unternommenen Umfrage deuteten darauf hin, dass die meisten Finanzinstitute klimabezogene Risiken noch nicht in ihre Risikobetrachtung integriert haben, hieß es. “Aktuell plant nur ein geringer Anteil der Institute, ihr Risikomanagement um Klimarisiken zu erweitern”, sagte Wuermeling. “Hier besteht Nachholbedarf.”