Kreditvergabe und Umgang mit Problemkrediten

In Zeiten von Corona einer Kreditklemme entgegenwirken

Kreditvergabe und Umgang mit Problemkrediten

Roman Becker Partner der Kanzlei Menold BezlerSteffen FollnerPartner der Kanzlei Menold BezlerDer Wirtschaftsraum Stuttgart gilt gemeinhin als besonders gesund. Infolge der Coronakrise sind jedoch auch an sich hochprofitable und finanzstarke Unternehmen zu einschneidenden Maßnahmen wie Kurzarbeit oder sogar Standortschließungen gezwungen. Gerade die Exportstärke vieler Unternehmen in und um Stuttgart geht mit dem nicht steuerbaren Risiko von Umsatzeinbrüchen an ausländischen Märkten einher. Bei zunehmend dahinschmelzenden Liquiditätspuffern und sich verschlechternden Finanzkennzahlen von Unternehmen stellt sich die Frage, mit welchen Instrumentarien die finanzierenden Banken reagieren können. In einer ersten Phase spürbarer, aber noch nicht bedrohlicher Umsatzrückgänge erkennen Unternehmen typischerweise, dass sie Finanzkennzahlen, die einer Kreditaufnahme zugrunde liegen, nicht mehr einhalten können. Ist die Überlebens- und Kapitaldienstfähigkeit des Unternehmens auf Basis der angepassten Planung nicht gefährdet, sind Banken in der Regel bereit, für einen definierten Zeitraum auf die Einhaltung einer oder mehrerer Kennzahlen zu verzichten. Sind die Umsatzrückgänge dagegen so stark, dass die zur Verfügung stehenden Kreditmittel den Liquiditätsbedarf künftig voraussichtlich nicht decken werden, können Unternehmen insbesondere bei Ratentilgungskrediten eine Tilgungsaussetzung beantragen. Kreditinstitute können dieser im Einzelfall zustimmen, ohne dass hierfür neue Kreditmittel ausgereicht werden müssen. Die BaFin hat klargestellt, dass, wenn eine Verbindlichkeit nicht im Rahmen eines allgemeinen Zahlungsmoratoriums gestundet wird und die gestundeten Beträge zu den ursprünglich vereinbarten Sätzen verzinslich sind, der Schuldner grundsätzlich nicht als ausgefallen gilt. Auch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) stehen einer solchen pauschalen Ratenstundung nicht grundsätzlich entgegen.Benötigt ein Unternehmen zusätzliches Kreditvolumen, beantragt es dieses in der Regel bei seinen Bestandsbanken. Durch die Corona-Hilfsprogramme der KfW, insbesondere den KfW-Unternehmerkredit, können Hausbanken von einer Risikoübernahme der KfW in Höhe von bis zu 90 % profitieren. Die Programme können von der Coronakrise betroffene Unternehmen in Anspruch nehmen, die sich zum 31.12.2019 nicht in Schwierigkeiten befanden, sondern zu diesem Zeitpunkt geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufwiesen und bei denen weder ungeregelte Zahlungsrückstände von mehr als 30 Tagen noch Stundungsvereinbarungen oder Covenantbrüche bestanden. Umschuldungen, Anschluss- und Nachfinanzierungen über den KfW-Unternehmerkredit sind dagegen ausgeschlossen. Für die kreditgewährende Bank hat die Ausreichung von zusätzlichen Kreditmitteln unter den Corona-Hilfsprogrammen der KfW den Vorteil, dass die BaFin akzeptiert, dass die Bank in dem Umfang der Haftungsfreistellung der KfW auf eine Unterlegung mit Eigenmitteln und auf eine Anrechnung auf die Großkreditobergrenzen verzichtet. Banken dürfen jedoch Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten nicht ohne Weiteres Kredite zur Verfügung stellen, bei denen die Bank auch nur teilweise ein eigenes Risiko eingeht. Denn wird der Kunde trotz Kreditgewährung infolge der Coronakrise insolvent, können sich die Bank und ihre Mitarbeiter an einer Insolvenzverschleppung beteiligt haben. Der Bundestag hat mit dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) die Insolvenzantragspflicht bis 30.9.2020 ausgesetzt, falls die Insolvenzreife auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht. Um Kreditgebern zu helfen, wurde zusätzlich geregelt, dass diese nicht zu einer Insolvenzverschleppung beitragen, wenn für das Unternehmen, an das sie Kredite gewähren, die Antragspflicht ausgesetzt ist. Zur Vermeidung eigener Risiken müssen Banken prüfen, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung bei ihrem Kunden erfüllt sind. Lässt sich belegen, dass das Unternehmen zum 31.12.2019 zahlungsfähig war, wird immerhin vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der Pandemie beruht. Gerade bei Unternehmen, die bereits vor der Coronakrise Schwierigkeiten hatten, werden Banken häufig verlangen müssen, dass die Planung durch einen unabhängigen Experten geprüft oder ein Sanierungsgutachten erstellt wird. Vergleichbare Maßstäbe gelten für Stundungen, Tilgungsaussetzungen und -streckungen oder geduldete Kreditüberziehungen. Nimmt die Erstellung eines Sanierungsgutachtens längere Zeit in Anspruch oder kann dies mangels ausreichender Planungsgrundlage noch nicht erstellt werden, können Banken mit einem Stillhalten und kurzfristigen Überbrückungskrediten helfen.Gilt das Aussetzungsprivileg für den Kunden, kann die Bank sicher sein, sich nicht an einer Insolvenzverschleppung beteiligt zu haben. Kommt es trotzdem zu einer Insolvenz, kann ein Insolvenzverwalter bis 30.9.2023 erfolgte Tilgungen auf einen im Aussetzungszeitraum gewährten Kredit oder hierfür bestellte Sicherheiten nicht anfechten und zurückverlangen. Für die Gewährung und Rückzahlung von staatlichen Hilfskrediten gilt dieses Privileg sogar über den 30.9.2023 hinaus. Das COVInsAG wird von zusätzlichen Maßnahmen der Bankenaufsicht flankiert. Die Europäische Bankenaufsicht, die BaFin und der Baseler Ausschuss haben übereinstimmend den für Krisenzeiten gedachten Kapitalpuffer herabgesetzt. Damit soll einer Kreditklemme entgegengewirkt werden. Ob und inwieweit die Banken hiervon Gebrauch machen, bleibt deren geschäftspolitische Entscheidung.Banken haben in der gegenwärtigen Krise ein breites Instrumentarium, Unternehmen zu helfen. Trotz der Erleichterungen, die der Gesetzgeber und die Bankenaufsicht geschaffen haben, müssen sie jedoch bei Kreditentscheidungen prüfen, ob bei Kunden in finanziellen Schwierigkeiten die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen, um eigene Haftungsrisiken zu vermeiden.