Krypto-Szene rätselt über Unglück
Von Björn Godenrath, Frankfurt
In der globalen Krypto-Szene hat am Dienstag die Nachricht über den plötzlichen Tod des MakerDAO-Mitgründers Nikolai Muchgian (auch Mushegian geschrieben) für Bestürzung gesorgt. Der 29-Jährige hatte sich in Puerto Rico niedergelassen und war von dort aus als Programmierer und Gründer tätig. Ersten offiziellen Berichten zufolge war er am als „Condado“ bekannten Strandabschnitt schwimmen, wurde dabei aber weggespült und ertrank.
Anlass für Spekulationen
Ob es sich um ein Unglück, ein Verbrechen oder einen Suizid handelt, blieb zunächst offen. Denn Muchgian hatte tags zuvor in einem Tweet behauptet, dass CIA und Mossad hinter ihm her seien und er von einem damit in Verbindung stehenden Sexverbrecher-Ring erpresst werde. Seine Ex-Freundin sei eine Spionin, und er befürchte, „von denen“ zu Tode gefoltert zu werden. Dies war sein letzter Tweet – und der regte Spekulationen an, Muchgian sei Opfer eines Verbrechens.
In der Krypto-Szene hat die Angst vor Strafverfolgung zugenommen, seitdem kürzlich ein Entwickler des Bitcoin-Mixers Tornado Cash in den Niederlanden festgenommen wurde. Dabei geht es zum einen darum, dass dieser gegen Geldwäschevorschriften verstoßen habe. Zum anderen soll er als russischer Staatsbürger Verbindungen zum FSB gehabt haben – zumindest geben die Behörden das so an. Deshalb bleibt der Beschuldigte in Haft.
Vor diesem Hintergrund gehen viele Krypto-Investoren davon aus, dass auch Muchgian in ähnliche Schwierigkeiten gekommen sein könnte – wofür es bislang aber keinerlei Anzeichen über den wirr wirkenden Tweet hinaus gibt. Muchgian war bislang nicht durch Verschwörungstheorien aufgefallen. Der Condado-Strand gilt als gefährliches Revier wegen seiner tückischen Strömungen, was Muchgian gewusst haben muss. Ob er unter Verfolgungswahn litt oder tatsächlich bedroht wurde, das sollten die Ermittlungen zeigen.
Der 29-Jährige war bislang öffentlich kaum in Erscheinung getreten. Über seine Tätigkeiten für Balancer Labs und MakerDAO – Betreiber des Stablecoin DAI – war er offenbar zu einem beträchtlichen Vermögen gekommen. Seiner früheren Universität Carnegie Mellon spendete er 2020 rund 1 Mill. Dollar und finanzierte einige gemeinnützige Projekte, wird berichtet. Zuletzt entwickelte er den DAI-Fork RAI, also eine Blockchain-Abspaltung von MakerDAO. Dort war er aber wohl nicht mehr maßgeblich engagiert.
Heftiger Streit
MakerDAO ist eines der größten DeFi-Projekte, das zunehmend auch die klassische Finanzindustrie mit Token-Swaps und Lending-Geschäften integrierte. Seitdem es aber bei Tornado Cash erstmals zu einem Eingreifen in ein DeFi-Protokoll kam, drängte MakerDAO-Hauptgründer Rune Christensen auf eine erweiterte Dezentralität, damit die Entwickler besser vor staatlichem Zugriff geschützt sind. Mit dieser als „Endgame“ bekannten Position setzte er sich gegen Andreessen Horowitz durch, so dass nun Meta-DAOs geschaffen werden. Damit wird das Softwareprotokoll selbst aufgesplittet. Der Stablecoin DAI hat ein zirkulierendes Volumen von 6 Mrd. Dollar und ist mit Assets im Wert von derzeit 8,6 Mrd. Dollar besichert. Zusätzlich soll Staked ETH (sETH) in der Reserve akkumuliert werden. In der MakerDAO-Gemeinde wurde heftig über den Richtungsentscheid gestritten.