DIE BLOCKCHAIN-KOLUMNE

Kryptocoins ohne riesigen Energiebedarf

Börsen-Zeitung, 12.9.2020 Die Bitcoin-Blockchain zeichnet sich nicht unbedingt durch Umweltfreundlichkeit aus - und wird dafür häufig kritisiert. Grund hierfür ist das genutzte "Proof-of-Work-Verfahren", das für die Herstellung von Konsens im...

Kryptocoins ohne riesigen Energiebedarf

Die Bitcoin-Blockchain zeichnet sich nicht unbedingt durch Umweltfreundlichkeit aus – und wird dafür häufig kritisiert. Grund hierfür ist das genutzte “Proof-of-Work-Verfahren”, das für die Herstellung von Konsens im Netzwerk genutzt wird. Die “Betreiber” der Blockchain müssen Rechenleistung zur Verfügung stellen und erhalten als Gegenleistung hierfür Bitcoin. Alle zehn Minuten ein BlockDerzeit sind dies 12,5 Bitcoin pro Block, wobei Pi mal Daumen alle zehn Minuten ein neuer Block geschaffen wird. Bei einem Marktpreis von 11 500 Dollar bedeutet das also rund 150 000 Dollar für jeden neu geschaffenen Block.Um das Problem des hohen Energiebedarfs zu lösen und eine “grünere” Alternative anbieten zu können, wurden unterschiedliche neue Konsensmechanismen entwickelt. Einer von diesen Mechanismen ist Proof-of-Stake. Staker statt MinerStark vereinfacht werden hier die Miner der Bitcoin-Blockchain durch Staker ersetzt. Staker, wie sie etwa bei der Polkadot-Blockchain vorkommen, “frieren” einen gewissen Anteil an Kryptowerten der jeweiligen Blockchain ein – das heißt, sie akzeptieren, dass sie für eine gewisse Zeit nicht auf Marktbewegungen reagieren können. Die Staker kommen je nach Anteil an gestakten Kryptowerten in den Genuss, Blöcke validieren und dann von den jeweiligen Gegenleistungen in Tokenform profitieren zu können.Die Logik hinter dieser Form des Konsensmechanismus ist so simpel wie effektiv zugleich: Der Netzwerkteilnehmer, der am meisten zu verlieren (“at stake”) hat, wenn er sich nicht netzwerkkonform erhält, wird dies vermutlich nicht tun. Er würde schlicht gegen die eigenen Interessen handeln.Und warum ist das Staking nun so viel energiesparender als das klassische Mining? Weil das Mining auf einem Wettrennen basiert, wer den Block validieren darf – und das hiermit einhergehende Finden einer zufälligen Zahl (häufig wird vom Lösen einer komplexen Rechenaufgabe gesprochen – das ist aber falsch), welches mit dem enormen Energieverbrauch einhergeht, beim Staking schlicht entfällt. Generell kann es jederGrundsätzlich kann jeder, der Kryptowerte einer Proof-of-Stake-Blockchain hält, auch als Staker fungieren und die diesbezüglichen Staking-Rewards für sich vereinnahmen. Allerdings gibt es hier unterschiedliche Dinge zu beachten: So erfordern einige Proof-of-Stake-Blockchains durchaus tiefergehendes technologisches Wissen, will man seine Kryptowerte staken. Andere Proof-of-Stake-Blockchains verlangen vergleichsweise stattliche Summen an Token der jeweiligen Blockchain, um als Staker fungieren zu können. Dies haben die Dienstleister im Kryptowertebereich aber natürlich längst erkannt und bieten Staking-Services an, bei denen beispielsweise Kapitalpools gebildet sowie technische Dienstleistungen gegen eine geringe Gebühr übernommen werden. Im Selbstversuch dauerte der ganze Prozess an einer der größten Kryptobörsen der Welt genau drei Minuten und war wirklich kinderleicht zu bewerkstelligen. 12 Prozent – plus/minusBei allen Vorteilen sollte aber natürlich auch auf die potenziellen Risiken hingewiesen werden. So werden die Staking-Rewards in den jeweiligen Kryptowerten ausgezahlt, in die man investiert hat. Beachtet man die teils erstaunlichen Kursschwankungen dieser Kryptocoins, kann sich ein durchaus erfreulicher “Zins”-Gewinn somit leicht wieder in Luft auflösen, wenn der zugehörige Basiswert an Wert verliert. Jedoch ist dieses Szenario, welches sich in vielen Köpfen der traditionellen Bankwelt als einzig mögliches bis heute zu halten scheint, nur eines von vielen. Denn es ist genauso möglich, dass sich der Preis des Basiswerts nach oben bewegt. Und dann können aus 12 % schnell 50 % oder mehr werden. Kontrahentenrisiko beachtenZusätzlich kommt bei der Nutzung eines Staking-Services natürlich auch noch das Counterparty-Risk hinzu – also die Gefahr, dass der Kontrahent zahlungsunfähig wird. Um dieses zumindest zu minimieren, empfiehlt sich eine professionelle Evaluation des jeweiligen Anbieters.Schlussendlich hat der potenzielle Investor genauso wie bei dem “normalen” Halten von Kryptowerten mit dem Risiko eines potenziellen Hacks umzugehen, wobei an dieser Stelle ein wenig genauer hingeschaut werden muss: So gibt es Staking-Verfahren, bei denen die Token in einem sogenannten Smart Contract “gelockt” werden müssen (mit der Gefahr, dass der Smart Contract gehackt wird) als auch Verfahren, in denen dies nicht der Fall ist (mit der Gefahr, dass der zugehörige Private-Key zum Wallet gehackt wird).Summa summarum gilt beim Staking von Kryptowerten: “DYOR” – also Do Your Own Research. Oder aber natürlich “BGR”, die Abkürzung für die Empfehung “Buy Good Research”. Bei Letzterem sollte man aber genauso wie in der klassischen Finanzwelt unbedingt darauf achten, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.Zudem ist das Chance-/Risikoprofil von Anlagen in Kryptowerten aktuell nicht für jeden Anleger ansprechend – die positive Auswirkung geringer Allokationen von Kryptowerten auf nahezu alle Kennzahlen institutioneller Standard-Portfolien ist mittlerweile allerdings auch wissenschaftlich hinreichend belegt. Ein Blick lohnt sichAllein schon aus diesem Grund sollte eine Entscheidung gegen diese Assetklasse zumindest bewusst getroffen werden. Denn ansonsten fragt in zehn Jahren vielleicht einmal jemand, warum man die Assetklasse mit der höchsten Performance der zurückliegenden Dekade auch in der zweiten Dekade ihres Bestehens nicht wenigstens einmal genauer angeschaut hat. Sven Hildebrandt ist CEO der Blockchain-Spezialberatung DLC Distributed Ledger Consulting. Seine DLT-Kolumne erscheint monatlich.