"Kryptowerte sind als Finanzinstrument definiert"
Der deutsche Gesetzgeber schreitet voran, um für das Geschäft rund um Krypto-Assets ein regelgebundenes Umfeld zu schaffen. Damit haben institutionelle Investoren und Infrastrukturbetreiber künftig eine sichere Grundlage für die Aufnahme dieser Assetklasse in die traditionelle Wertschöpfungskette – für Fintechs steigen die Anforderungen. Herr Reul, im Finanzmarkt wächst die Aufmerksamkeit für Krypto-Assets. Wie steht es um die Bemühungen auf gesetzgeberischer Seite, hier Rechtssicherheit zu schaffen?Reul: Was aktuell vorliegt, ist ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur Umsetzung der Geldwäscherichtlinie. In der Geldwäscherrichtline wird das erste Mal auf europäischer Ebene der Begriff der Kryptowährungen definiert und eingeführt, um den geldwäscherechtlichen Anwendungsbereich auf dieses wachsende Segment auszudehnen. Der Referentenentwurf fasst diesen Auftrag eher weit auf und ändert zur Umsetzung der Richtlinie auch das KWG an zwei wesentlichen Stellen. Das heißt: Der Begriff der Finanzinstrumente wird erweitert, indem als neues Finanzinstrument “Kryptowerte” eingeführt werden. Anders als in der Geldwäscherichtlinie werden also nicht nur Kryptowährungen definiert, sondern eben der deutlich weitere Begriff der Kryptowerte. In der Begründung steht klar, dies geschehe, um die Anwendung möglichst weit zu fassen, also auch andere Krypto-Assets wie Security Tokens mit diesem Begriff abzudecken.Storck: Was richtig spannend ist: Es wird zudem ein neuer Lizenztatbestand eingeführt für das Kryptoverwahrgeschäft als Finanzdienstleistung. Da geht es um das Managen und Verwalten von Kryptowerten sowie der privaten kryptografischen Schlüssel für Dritte. Damit wäre dann klar geregelt, dass lizenzierte Institute Bitcoin verwahren dürfen für Kunden beziehungsweise die Verwahrung für andere grundsätzlich lizenzpflichtig wird. So ein breiter Ansatz ist doch gut für ein Feld, das sich noch entwickelt, oder?Reul: Im Grundsatz ja, denn es erleichtert zum Beispiel die Abgrenzung zwischen unterschiedlichen Tokenarten, zum Beispiel, ob es sich um eine Kryptowährung oder einen Security Token handelt. Zudem kann sich die Eigenschaft eines Tokens über die Zeit mit seiner Verwendung verändern. Auch können Kryptowerte ja ganz klar einen Vermögenswert haben. Insofern erscheint es auch folgerichtig, hier durch Regulierung ein einheitliches Schutzniveau zu schaffen und klar in den Anwendungsbereich des Geldwäschegesetzes zu ziehen. Dies sollte durchaus positive Auswirkungen auf das Vertrauen in diesen Markt und in die Technik haben. Wie sieht der weitere Ablauf aus, nachdem der Referentenentwurf nun vorliegt?Storck: Das hängt auch vom politischen Willen ab. Der Entwurf ist wohl in Teilen eine Reaktion auf das Kammergerichtsurteil von Berlin, das, anders als die BaFin, im vergangenen Oktober feststellte, dass Bitcoin keine Finanzinstrumente sein sollen. Nun wird der Kurs der BaFin bestätigt, man schiebt den Entwurf als gesetzliche Maßnahme nach. In jedem Fall wäre die Geldwäscherichtlinie spätestens bis zum 10. Januar 2020 umzusetzen. Stehen die KWG-Regelungen im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten gesetzlichen Regel für die Tokenisierung von Bonds?Storck: Zunächst mal gibt es das Eckpunktepapier vom BMF zur Digitalisierung von Wertpapieren. Da geht es um die Dematerialisierung von Bonds. Der Referentenentwurf zu Kryptowerten und der Kryptoverwahrung ist dazu durchaus ergänzend zu sehen, das ist quasi der nächste Schritt. Man wird also nicht ans Aktiengesetz gehen und die Aktie digitalisieren – das ist ein heiliger Gral, es wird dauern, bevor man das angeht. Okay, was es dann aber geben wird, ist ein deutsches Gesetz, das die Definition von Kryptowerten regelt, daran geknüpft ein staatliches Lizenzierungsverfahren schafft in Bezug auf die Verwahrertätigkeit in dieser Assetklasse plus die Abschaffung des Papiererfordernisses beziehungsweise der Globalurkunde bei der Emission von Bonds.Storck: Wird die papierne Globalurkunde abgeschafft, kann allein der Token die Eigentumsrechte eines über die Blockchain emittierten Bonds abbilden. In der Praxis fällt man dann entweder ins Depotrecht und ist dort lizenziert oder man fällt in den Bereich der Kryptowerte und ist dort lizenziert. Das ist ein konsequentes und stimmiges Konzept. Das wird man dann noch im Sachenrecht angleichen müssen, aber das ist ein kleiner Eingriff. In Eschborn werden von der Deutschen Börse noch Urkunden gelagert, das sind riesige Tresore. Das kann dann alles weg. Wenn die Option einer reinen Token-Emission besteht, wird es auch für die großen traditionellen Marktakteure interessant, sich dahin vorzutasten?Reul: Es lässt sich klar beobachten, dass die etablierten Institute anfangen, mit den Hufen zu scharren – in jedem Fall drängt institutionelles Geld verstärkt in dieses Segment. Technologisch wird das digitalisierte Wertpapier agnostisch sein – es muss keine Blockchain sein, nur ein digitales Register. Vom BMF wird in Aussicht gestellt, dass der Gesetzentwurf noch im Herbst kommt. Ist das realistisch?Storck: Das glaube ich nicht. Wenn es bis Weihnachten klappt, ist es gut. Wie fügt sich das deutsche Vorhaben in die europäische Landschaft zur regulatorischen Einordnung von Krypto-Assets beziehungsweise der Distributed Ledger Technology (DLT) ein?Reul: Die europäischen Behörden beschäftigen sich ganz klar mit der Thematik, die Einführung des Lizenztatbestandes wäre bisher aber leider nicht europäisch harmonisiert, das ist ein deutscher Sonderweg. Andere europäische Jurisdiktionen wie Malta, Liechtenstein und Frankreich steuern einen anderen Kurs und betreiben so eine Art “Regulierung light” für die Krypto-Verwahrung.Storck: In Frankreich ist das auf Commercial Paper begrenzt, das adressiert also einen engen professionellen Nutzerkreis. Die Schweiz hat ein DLT-Gesetz, das sich bereits im Bundesrat befindet. Das Gesetz ist bis Ende des Jahres fertig, damit wird aber nur der Bereich Security Token Offerings (STO) abgedeckt. Besteht die Chance, die Initiativen von Deutschland und Frankreich miteinander zu harmonisieren?Storck: So wie sich bei uns in Berlin ein Gesetz entwickelt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich da noch mit Paris abstimmen könnte. Das ginge dann nur nachgelagert auf europäischer Ebene als Level-1-Regulierung mit Verordnung oder Richtlinie. Aber da ist erst mal Stillstand, bis die neue Kommission steht. Was würde dann mit dem deutschen Weg passieren?Storck: Das kommt darauf an, wie viel schneller die Deutschen sind in der Verabschiedung und ob eine Diskrepanz besteht zu einer europäischen Regelung. Unter Umständen muss man hier eventuell anpassen – vielleicht folgt aber auch der europäische Gesetzgeber dem deutschen Weg. So gibt es zum Beispiel Äußerungen der ESMA, die in eine sehr ähnliche Richtung gehen. Der deutsche Weg ist auf jeden Fall clever, weil er einen überschaubaren Bereich klar regelt. Das kann man sehr schnell in die derzeitige regulatorische Infrastruktur einbauen, wenngleich auch hier der Teufel sicher im Detail liegen wird. Auf der anderen Seite stellt eine solche Regulierung natürlich eine nicht unerhebliche Markteintrittsschranke dar . . . Die Notenbanken sehen den Kryptobereich aber eher skeptisch.Storck: Es besteht zwar bei sämtlichen Regulatoren wohlwollendes Interesse. Insbesondere EZB und Bundesbank ziehen aber immer für sich eine Grenze, wenn sie das Gefühl haben, damit könnte ein Hebel für ihre Geldpolitik tangiert werden. Das betrifft insbesondere Geschäftsmodelle mit Stablecoins, wo der Token beispielsweise mit Zentralbankgeld gedeckt ist. Da befinden sich die Notenbanken noch in der Findungsphase. Mit dem entstehenden deutschen Rahmen würden Krypto-Assets aber grundsätzlich investierbar gemacht?Storck: Es gibt zwei grobe Richtungen: Einmal geht es um das Investieren, was noch ganz am Anfang steht. Zweitens geht es um die Möglichkeit, elektronisches Geld auf einer Blockchain zu haben, um damit zu zahlen. Letztlich geht es dabei immer um Delivery versus Payment (DVP): Will man ein Krypto-Asset auf die Blockchain legen, fehlt das Cash-Element im gleichen technologischen Ökosystem. Denn das muss man dann doch altmodisch durchs Target-System schleusen oder über Swift gehen. Bei den Krypto-Assets ist man technologisch weit, Cash on Ledger fehlt aber.Reul: In jedem Fall sollte durch die Schaffung eines Lizenztatbestandes deutlich werden, dass Kryptowerte auch für regulierte Einheiten kein Tabuthema sind. Was ist mit dem Handel von Krypto-Assets? Könnte zum Beispiel die Börse Stuttgart hier für eine regulierte Preisfindung sorgen mit Stellung eines amtlichen Kurses als Grundlage für Finanzprodukte?Storck: Sobald man sich in einem regulierten Umfeld bewegt wie einem MTF, einer Multilateral Trading Facility, unterliegt man dem Mifid-II-Regelwerk. Preise müssen dann nach diesen Regeln festgestellt werden. Und da diese staatlich organisiert sind, gibt es amtliche Händler. Ein OTF, Organized Trading Facility, wäre Freiverkehr und nichtstaatlich reguliert. In so einem privatrechtlich organisierten Markt stehen Deutsche Börse oder Stuttgarter Börse dafür gerade, durch Angebot und Nachfrage einen Preis zu finden. Auch darauf kann man dann ein Finanzprodukt bauen. Um das alles aufzusetzen, sind aber einige Meilen zu gehen. Es geht zunächst um Infrastruktur und nicht nur um das Produkt, das man baut. Aber Kryptowährung ist innerhalb der Krypto-Asset-Klasse wahrscheinlich das komplexeste. Das Interview führte Björn Godenrath.