Im Interview:Oliver Bäte und Claire-Marie Coste-Lepoutre

„Das bringt eine gewisse konservative Grundausrichtung mit sich“

Die Allianz eilt von Rekord zu Rekord. Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte und Finanzvorständin Claire-Marie Coste-Lepoutre sehen aber noch weiteres Potenzial, auch weil nicht alles perfekt laufe bei der Allianz. Das Duo räumt ein, dass die Prognosepolitik konservativ sei. Es verweist auf die wirtschaftliche Lage.

„Das bringt eine gewisse konservative Grundausrichtung mit sich“

Herr Bäte und Frau Coste-Lepoutre, die Allianz hat wieder ein operatives Rekordergebnis erreicht. Wird Ihnen eigentlich langweilig?

Bäte (lachend): Na, ganz und gar nicht, schließlich gibt es jede Menge zu tun. Übrigens: Auch der Nettogewinn ist auf einem Höchststand, das ist wahrscheinlich noch relevanter.

Im vierten Quartal ist das Geschäftsvolumen der Allianz um 16% gewachsen. Nähern wir uns dem Höhepunkt der Party wie im Jahr 2007, oder ist dies nachhaltig?

Coste-Lepoutre: Unser Wachstum wird von zwei grundsätzlichen Faktoren getrieben. Erstens gibt es makroökonomische Trends wie den steigenden Bedarf an Altersvorsorge. Zweitens suchen die Menschen in dieser Welt, die sehr unsicher und kompliziert ist, nach Sicherheit. Unsere Marke ist sehr stark, steht für Vertrauen und vermittelt diese Sicherheit. Die beiden Faktoren zusammen sind also starke Treiber für das Wachstum. Dies bleiben die zentralen Themen für den Zeitraum 2025 bis 2027.

Aber 16% Umsatzwachstum liegen weit über Ihren Zielvorgaben.

Bäte: Das ist ein wichtiger Punkt: Wachstum verläuft jetzt ungleichmäßiger. Daher müssen wir uns daran gewöhnen, nicht einfach ein einzelnes Quartal als Maßstab für die Zukunft heranzuziehen. Das vierte Quartal 2024 war mit Abstand das erfolgreichste Quartal aller Zeiten für die Allianz. Das ist aber wie gesagt nicht ein Indikator für alle kommenden Quartale.

Was folgt daraus?

Bäte: Wir werden insgesamt mehr Volatilität und stärkere Schwankungen innerhalb eines Jahres sehen. Allerdings glauben wir, dass das zugrunde liegende Wachstum, das früher eher bei 3% lag, in den nächsten drei Jahren deutlich über diesem Wert liegen wird.

Die bereinigte Eigenkapitalrendite liegt schon auf einem Niveau, das eigentlich erst 2027 erreicht werden sollte.

Coste-Lepoutre: Das stimmt im Grundsatz. Zugleich haben wir kommuniziert, dass wir mehr als 17% anstreben. Momentan liegen wir knapp darunter. Wir sind also auf einem sehr guten Weg, aber noch nicht ganz dort.

Allianz-Finanzvorständin Claire-Marie Coste-Lepoutre. Foto: Allianz

Bäte: Die Leute schauen immer nur auf die Fortschritte. In unserer Planung müssen wir aber auch berücksichtigen, dass es Rückschläge geben kann. Ein weiterer Punkt ist, dass die Kapitalmärkte aufgrund der politischen Unsicherheiten weiterhin volatil bleiben werden.

Kann es auch positive Überraschungen geben?

Bäte: Durchaus – zum Beispiel, wenn es zu einem Handelsabkommen zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und China kommt. Das könnte kurzfristig einen weiteren Wachstumsschub zumindest in diesem Jahr bringen. Wir sind also auf Volatilität in beide Richtungen vorbereitet.

Nochmals gefragt: Könnte die Party in der Versicherungsbranche demnächst vorbei sein?

Bäte: Es ist richtig: Wir hatten einen enormen Boom im Rückversicherungs- und Industriegeschäft, und dieser Boom neigt sich dem Ende zu. Doch vergessen Sie nicht: Der Privatkundenmarkt insbesondere in Europa war in den vergangenen Jahren sehr schwach. In der Kfz-Versicherung hatten wir in der gesamten Branche eine Schaden- und Kostenquote von mehr als 110%.

Sie sehen trotzdem Verbesserungspotenzial?

Bäte: Es läuft nicht alles perfekt bei der Allianz, die Combined Ratio im Privatkundengeschäft liegt einen Prozentpunkt höher, als Claire-Marie und ich das eigentlich wollen. Wir haben noch Potenzial, auch wenn sich die Preise im Segment Industrieversicherung etwas abschwächen.

In Deutschland hat die Schaden- und Unfallversicherung die Combined Ratio trotz sehr hoher Belastungen aus Naturkatastrophen gesenkt. Sind Sie zufrieden mit dem Deutschland-Geschäft?

Coste-Lepoutre: Die harte Arbeit der Teams, die Inflationseffekte und die Belastungen der Naturkatastrophen abzufedern, trägt Früchte. Besonders die Maßnahmen zur Inflationsbewältigung zeigen Wirkung in den Zahlen. Außerdem hatte unser deutsches Kfz-Geschäft zum Jahresanfang die erfolgreichste Erneuerungsrunde seiner Geschichte überhaupt. Das ist ein Zeichen der Stärke des deutschen Teams.

Wie schätzen Sie die Lage in der Sparte Lebensversicherung ein?

Bäte: Unser Lebensversicherungsgeschäft ist äußerst widerstandsfähig. Viele unserer Wettbewerber haben sich aus dem Lebensversicherungsgeschäft zurückgezogen und erklärt, dass es keine Zukunft mehr habe. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Mit steigenden Zinsen wächst dieses Geschäft wieder sehr stark – und das mit äußerst hohen Margen. Noch vor zehn Jahren, als ich Vorstandsvorsitzender wurde, hatten wir Schwierigkeiten, eine Neugeschäftsmarge von 3% zu erzielen. Heute liegen wir etwas unter 6%.

Das Assetmanagement hat zuletzt gelitten.

Bäte: Das Assetmanagement war in den letzten drei Jahren eine Herausforderung, weil steigende Zinsen die Anleihemärkte belastet haben. Mittlerweile aber hat unsere US-Tochter Pimco gemessen an Nettomittelzuflüssen über 50% Marktanteil in den USA. Das verwaltete Vermögen wächst massiv. Sogar AGI schlägt sich viel besser, als Beobachter prognostiziert hatten. Zusammenfassend kann ich sagen: Ja, es gibt Herausforderungen, vielleicht wird es nun zu weniger Preiserhöhungen im Retailgeschäft kommen. Aber wir sind global breit aufgestellt und sehr gut diversifiziert.

Sind strategische Partnerschaften im Assetmanagement vorerst vom Tisch?

Bäte: Wir schauen uns solche Möglichkeiten immer an. Aber sie müssen sinnvoll sein.

Warum traut sich die Allianz nicht aggressivere Prognosen zu? Sie halten daran fest, das Vorjahresergebnis als Mittelwert zu nehmen.

Coste-Lepoutre: Das Vorgehen, das Vorjahr als Richtwert zu verwenden, hat sich aus unserer Sicht bewährt. Natürlich bringt das eine gewisse konservative Grundausrichtung mit sich. Aber dies ist in der aktuellen wirtschaftlichen Lage durchaus richtig.

Peilt die Allianz im Jahr 2025 das obere Ende der kommunizierten Spanne an?

Bäte: Wir versuchen immer, unser Bestes zu geben. Lassen Sie uns sehen, wie das Jahr verläuft.

Wie sind Ihre Ziele in den einzelnen Segmenten?

Coste-Lepoutre: Für das Schaden- und Unfallgeschäft erwarte ich weiterhin Wachstum und eine Verbesserung der Marge, die hauptsächlich auf eine geringere Schadenquote und ein wenig auf die sinkende Kostenquote zurückzuführen ist. Außerdem rechne ich damit, dass die Kapitalerträge in dieser Sparte etwas geringer ausfallen. Die Sparte Lebens- und Krankenversicherung wird ebenfalls etwas niedrigere Kapitalerträge sehen. Zudem wird der Ausstieg aus dem Joint Venture mit Unicredit in Italien unser operatives Ergebnis mit 200 Mill. Euro negativ beeinflussen. Der Effekt auf das Nettoergebnis wird jedoch viel geringer sein, weil wir nur 50% des Joint Ventures besitzen.

Und im Assetmanagement?

Coste-Lepoutre: Dort bleibt das Umfeld komplex. Daher haben wir für dieses Segment eine eher vorsichtige Entwicklung eingeplant. Insgesamt sind wir aber zuversichtlich, die Ziele vollständig zu erreichen, die wir uns im Rahmen des Kapitalmarkttages gesetzt haben.

Im Interview: Oliver Bäte und Claire-Marie Coste-Lepoutre

„Eine gewisse konservative Grundausrichtung“

Vorstandsvorsitzender und Finanzvorständin über die Prognosepolitik der Allianz, die höhere Volatilität des Geschäfts und das Potenzial zu Gewinnsteigerungen

Die Allianz eilt von Rekord zu Rekord. Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte und Finanzvorständin Claire-Marie Coste-Lepoutre sehen aber noch weiteres Potenzial, auch weil nicht alles perfekt laufe bei der Allianz. Das Duo räumt ein, dass die Prognosepolitik konservativ sei. Es verweist auf die wirtschaftliche Lage.

Das Interview führte Michael Flämig.

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