GASTBEITRAG

Landesbanken haben eine Zukunft

Börsen-Zeitung, 28.9.2012 Im Zusammenhang mit der aktuellen Bankenkritik wird eine Bankengruppe besonders häufig genannt: die Landesbanken. Bei einem ersten Blick auf die gegenwärtige Situation dieser Institute scheint die Kritik begründet zu sein....

Landesbanken haben eine Zukunft

Im Zusammenhang mit der aktuellen Bankenkritik wird eine Bankengruppe besonders häufig genannt: die Landesbanken. Bei einem ersten Blick auf die gegenwärtige Situation dieser Institute scheint die Kritik begründet zu sein. Ausgehend hiervon stellt sich die Frage, ob sich die deutsche Wirtschaft und die Bankenlandschaft ohne die Landesbanken nicht erfolgreicher entwickeln würden. Wesentlicher MarktanteilVolkswirtschaftlich erfüllen Banken die entscheidende Funktion, die Wirtschaft mit Kredit und Transaktionsdienstleistungen zu versorgen. Landesbanken sind mit einem Marktanteil z. B. im Kreditgeschäft von mehr als 20 % wesentlich. Dieses Volumen müsste bei einem Wegfall von anderen Instituten aufgefangen werden. Ein Ersatz dieses Volumens durch private Großbanken ist in Zeiten sinkender Bilanzsummen kaum vorstellbar. Und die lokalen Sparkassen und Volksbanken sind zu klein für die benötigten Kreditgrößen. Zudem kann nur ein überregionales Institut Passivüberschüsse effizient an die richtigen Stellen in Form von Krediten umverteilen. Oft fehlt insbesondere im Projekt- und Konsortialgeschäft auch das Know-how. Andere Banken “mittlerer” Größe, die deren Geschäft übernehmen können, gibt es in Deutschland jedoch kaum. Mittlere Größe als SchlüsselKompetente Regionalbanken mittlerer Größe bieten Firmenkunden wesentliche Vorteile. Regionale Nähe schafft eine tiefe Beziehung zu den Kunden, die eine nationale oder gar internationale Großbank kaum erreichen kann. Durch die trotzdem ausreichend kritische Größe können Skaleneffekte und Spezialwissen entwickelt werden, die kleine lokale Häuser nicht erzielen können. Das wird im Markt in der herausragenden Rolle der Landesbanken in Bereichen wie Export- oder Projektfinanzierung deutlich. Bei Kommunal- und Staatsfinanzierung sieht das Bild ähnlich aus: Mit rund 20 % Marktanteil sind Landesbanken kaum aus dem System wegzudenken.Aus Sicht der S-Finanzgruppe sollen Landesbanken Funktionen übernehmen, die Sparkassen selbst nicht effizient erbringen können. Neben den Abwicklungsfunktionen wie Zahlungsverkehr, Wertpapiere oder Förderkreditgeschäft handelt es sich um Spezialwissen/-produkte u. a. im Kapitalmarkt und im komplexen Kreditgeschäft, um Auslandszugang und die kritische Größe der Bilanz, um Großkredite leisten zu können. Neben diesen direkten Funktionen sind die indirekten Effekte wie Know-how-Transfer in die Sparkassen wichtig.Nachdem die Bedeutung der Landesbanken also unstrittig sein sollte, stellt sich die Frage, warum Landesbanken wenig erfolgreich waren. Die Antwort liegt in folgenden sechs Punkten:1.Die Landesbanken haben sich von den notwendigen Kernfunktionen wegentwickelt. Sie haben mit zunehmender Eigenständigkeit mehr und mehr Geschäfte getätigt, die weder für die Industrie noch die Sparkassen direkten Nutzen erbracht haben. Grund hierfür war neben menschlichen Schwächen auch überzogener Renditeanspruch, der sich mit dem ursprünglichen Geschäftsmodell nicht erreichen ließ. Riskante Kapitalmarktgeschäfte, unausgewogene Kreditportfolien oder glücklose Auslandsengagements haben die Häuser in Schieflage gebracht. Gleichzeitig sind die ursprünglichen Kernfunktionen teilweise verkümmert.2.Die Partnerschaft zwischen Sparkassen und Landesbanken ist teilweise einer Wettbewerbssituation gewichen. Die Sparkassen sehen die Landesbanken z. B. durch die BW-Bank, die DKB, aber auch durch das direkte Geschäft der Landesbanken mit “ihren” Kunden zunehmend als Konkurrenten an. Gleichzeitig vernachlässigten die Landesbanken die Service- und Produktlieferantenfunktion für die Sparkassen teils massiv. Zweifel gestiegen3.Die Landesbanken haben für die Sparkassen zu wenig wirtschaftliche Leistungen erbracht. Daneben haben hocheffiziente Anbieter im “freien Markt” die Profitabilität des Kerngeschäfts der Landesbanken beschädigt; gleichzeitig sind die Zweifel der Sparkassen an der Alternativlosigkeit der Landesbanken als Service-Provider gestiegen.4.Landesbanken versuchen seit Beginn der Industrialisierung des Bankgeschäfts, den Spagat zwischen regionaler Nähe und ausreichenden Skaleneffekten in der Abwicklung zu schaffen. Dies führte zusammen mit der Blockade möglicher Fusionen durch die Politik zu fehlenden Skalen im Vergleich zu Großbanken und unprofitablen Versuchen, das Geschäft trotz der politischen Barrieren zu erweitern.5.Politische Widerstände und regionale Interessen haben bisher Kooperationen oder gar Fusionen effektiv verhindert. Spätestens das Beispiel WestLB hat gezeigt, dass Beharren auf regionalen Besitzständen perspektivisch zu massiven Wert- und Arbeitsplatzverlusten führt. Hier sind sowohl Landespolitiker als auch Sparkassen-Regionalverbände in der Pflicht, dies zu verhindern.6.Die durch die Finanzkrise entstandene Schieflage führte zu realen Kosten für die Sparkassen und Länder in Form von Eigenkapitalzuschüssen und Rettungsschirmen. Das zu diesem Zeitpunkt kaum noch partnerschaftliche Modell hatte damit auch noch seine verbleibende Attraktivität verloren: die Profitabilität. Schritte zum ZielmodellDiese Problempunkte zeigen aber gleichzeitig einen möglichen Weg für die Zukunft auf. Es gibt ein Geschäftsmodell für regional aufgestellte Banken mit konservativem Profil. Aus der bisherigen Entwicklung lässt sich ableiten, dass sechs Eckpunkte in einem Zielmodell zu berücksichtigen sind:1.Fokus auf die Kernfunktionen: Zukünftige Landesbanken sollten sich auf die Unterstützung von Sparkassen in Abwicklungs- und Spezialproduktfunktionen sowie die Versorgung des Mittelstands mit Bankleistungen fokussieren. Risk Sharing und Bündelungsfunktionen sowie Skaleneffekte stehen im Mittelpunkt.2.Trennung der Funktionen: Um den Spagat zwischen Regionalität und Skaleneffekten aufzulösen, sollten diese beiden Funktionsgruppen getrennt werden. Dies spricht tendenziell für sehr wenige Institute für die Abwicklungsfunktionen und eine überschaubare Anzahl an Instituten für die Produkt- und Vertriebsfunktionen. Es erscheint nicht sinnvoll, ein oder zwei zentrale Institute für alle Aufgaben zu entwickeln, da damit die regionale Nähe für Produkt- und Vertriebsaufgaben verloren ginge.3.Politisch realistisch: Es zirkulieren Modellvorschläge, die sehr radikal den Umbau der Landesbankenwelt in ein “optimales Zielmodell” diskutieren und teilweise sogar noch die Aufteilung der Sparkassen in Vertriebs- und Abwicklungsfunktionen in die Diskussion einbeziehen. Langfristig mögen diese Modelle Orientierung bieten, kurzfristig bauen sie Veränderungswiderstände auf und belasten pragmatische Lösungswege. Erste Schritte wie gemeinsame Abwicklung des Förderkreditgeschäfts, engere Kooperationen einzelner Landesbanken oder eine Konsolidierung von Deka-LBB-Funktionen erscheinen zielführender, um den Boden für radikalere Schritte zu bereiten. Persönliche Interessen, kulturelle Barrieren und die impliziten Gründe für vorgeschobene Sachargumente sollten deutlich intensiver analysiert und berücksichtigt werden, als dies bisher der Fall ist.4. Wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Einzelschritte: Nach den massiven wirtschaftlichen Folgen der Landesbankenkrise für die Sparkassen und den Belastungen aus dem aktuellen Marktumfeld und den regulatorischen Anforderungen wird nur eine Lösung Akzeptanz finden, die in jedem einzelnen Schritt einen positiven Business Case vorweisen kann.5.Nutzung der IT-Standards zur Konvergenz: Im Vergleich zu den beiden anderen Banksäulen hat die S-Finanzgruppe einen strategischen Vorteil: Mit nur einem einzigen IT-Anbieter auf einer IT-Plattform für die Sparkassen und zunehmend auch Landesbanken kann prozessuale Konvergenz als Vorstufe der organisatorischen Zusammenführung genutzt werden. Diese Logik kann auch auf Landesbanken übertragen werden, auch wenn erhebliche Funktionsausweitungen nötig sind. Für Teilbereiche wie das komplexe Kreditgeschäft wären koordinierte, gemeinsame IT-Lösungen ein weiterer sinnvoller Schritt.6.Kein Überziehen der Fokussierung: Die notwendige Fokussierung der Geschäftsmodelle und Bereinigung der Bilanzen ist bereits fortgeschritten. Nun besteht die Gefahr, dass auch Teile der Geschäftsmodelle entfernt werden, die für die Gruppe und die Wirtschaft entscheidend sind. Im Zuge der Kostensenkungen und Fokussierungen sind beispielsweise Auslandsaktivitäten oder Verbriefungs- und Kapitalmarktkompetenz deutlich reduziert worden. Es muss jedoch kritisch beachtet werden, ob ausreichend Kompetenz etwa für eine Auslandsbegleitung der deutschen Firmenkunden vorhanden bleibt. Hier ist in einigen Häusern bereits ein kritisches Maß erreicht. Krise als ChanceDie Landesbanken sind ein wesentlicher Baustein der Bankenlandschaft in Deutschland – und sie können und sollten dies auch langfristig sein. Die aktuelle Krisensituation ist wahrscheinlich die einzige Chance, in deutlichen, aber jeweils ökonomisch sinnvollen Schritten ein tragfähiges Zielmodell in die Tat umzusetzen. Die S-Finanzgruppe, aber auch die deutsche Wirtschaft können es sich nicht leisten, dass dieses Vorhaben misslingt.