Prämiensparen

Langwieriger Zinsstreit frustriert Anlegerschützer

Während der Streit um die Zinsen in uralten Prämiensparverträgen noch immer nicht vor Gericht geklärt ist, halten sich Sparkassen zurück. Anlegerschützer zeigen sich empört, doch ihre Druckmittel sind begrenzt.

Langwieriger Zinsstreit frustriert Anlegerschützer

Von Jan Schrader, Frankfurt

Wenn Anlegerschützer Sparkassen bewerten, hagelt es zuweilen schlechte Noten. Zinsberechnung „ungenügend“, Akzeptieren der Rechtsprechung „mangelhaft“, Ehrlichkeit „ungenügend“ und so weiter und so fort. Das steht auf einem riesigen Zeugnis, das Vertreter des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende, des Anlegerportals Finanztip und der Verbraucherzentrale Sachsen am Freitag vor der Tür des Sparkassenverbands DSGV in Berlin aufstellten, um ihren Ruf nach Zinsnachzahlungen für uralte Prämiensparverträge zu wiederholen. Der Verband reagierte dem Vernehmen nach höfflich und bot Kaffee an.

Die Anlegerschützer zeigen sich selbstbewusst, denn sie wissen den Bundesgerichtshof und die Finanzaufsicht BaFin in wesentlichen Punkten auf ihrer Seite: Das Gericht aus Karlsruhe hatte im Oktober geurteilt, dass die Zinsberechnung der Sparkassen für die Altverträge falsch war. Die BaFin wiederum hatte vor einem Jahr die Sparkassen aufgefordert, auf ihre Kunden zuzugehen und sie über ihre Ansprüche zu informieren. Doch der Streit ist nicht erledigt, weil der Bundesgerichtshof zwar die übliche Rechenmethode der Sparkassen für die Zinsen in Anlehnung an frühere Urteile kippte, Detailfragen aber an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwies (Az. XI ZR 234/20).

Viele der Sparpläne wurden bereits vor der Jahrtausendwende verkauft und kamen – anders als heute üblich – ohne konkrete Regeln für die Zinsanpassung aus. Bis heute ist daher nicht geklärt, wie genau die Zinsen hätten berechnet werden müssen. Die Verbraucherzentralen ermitteln für die Sparerinnen und Sparer oft vierstellige Euro-Summen. Doch weil das Oberlandesgericht die Feinheiten der Berechnung noch klären muss, ist die Unsicherheit groß.

Die Grundlage wackelt

Das zeigt auch eine Umfrage der Börsen-Zeitung unter Experten und beteiligten Akteuren. In einigen Fällen haben sich Sparkassen bereits mit Kunden geeinigt, doch in den allermeisten Fällen steht die Nachzahlung aus. Wie hoch ein vorzeitiges Angebot einer Sparkasse an Kunden sein sollte, wenn sie sich auf eine außergerichtliche Einigung einlassen, will niemand exakt beziffern.

„Ein solches Angebot halte ich für schwierig, weil es aktuell keine wirkliche Berechnungsbasis hierfür gibt“, schreibt Frank van Alen, Partner der Hamburger Wirtschaftskanzlei SKW Schwarz. So sei unklar, ob für Zinsansprüche die übliche kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährung greife, was für die Berechnung über lange Zeiträume ein entscheidender Faktor sei. „Wie man sich auch entschiede – die Gefahr der späteren Reue bleibt in jedem Falle erhalten“, schreibt wiederum der Allensbacher Finanzprofessor Gunnar Stark. Auch die Sparkasse Leipzig, deren Fall in Karlsruhe verhandelt worden war, will auf das Urteil in Dresden warten, weil es erst dann „eine verlässliche und rechtssichere Grundlage zur Zinsberechnung“ gebe.

Anders stellen es die Anlegerschützer dar: In einem offenen Brief an die Sparkasse Leipzig hatte die Verbraucherzentrale Sachsen mit Finanzwende und Finanztip bereits anlässlich des Weltspartags Ende Oktober erklärt, dass auf der Suche nach einem Referenzwert nur wenige Alternativen in Frage kämen, so dass eine Vorauszahlung kein Problem darstelle.

Die Verbraucherzentrale Sachsen, die am Bundesgerichtshof als Klägerin auftrat und acht Musterfeststellungsklagen auf den Weg gebracht hat, hält viele Angebote aus der Praxis für zu gering: Denn verglichen mit der Summe, die Sachverständige der Verbraucherzentrale errechnet hätten, böten Sparkassen in der Praxis mitunter etwa 10 % bis 30 % an, schreibt Andrea Heyer, Leiterin des Teams Finanzdienstleistungen. Wie viel ein Kreditinstitut aus ihrer Sicht stattdessen anbieten sollte, erklärt sie allerdings nicht.

Die Anlegerschützer fordern weitreichende Zugeständnisse. Die Sparkassen sollen auch auf Kunden zugehen, die selbst noch keine Ansprüche gestellt haben. „Dass die Sparkassen nicht in die Gänge gekommen sind, ist Wahnsinn“, sagte Finanzwende-Sprecher Julian Merzbacher am Freitag auf einer Pressekonferenz. Dabei beruft sich das Gespann aus Finanzwende, Finanztip und die Verbraucherzentrale auf die entsprechende Allgemeinverfügung der BaFin, gegen die Banken und Sparkassen in großer Zahl Einspruch eingelegt haben. Die Anlegerschützer argumentieren, dass viele Sparerinnen und Sparer im Seniorenalter seien und bis zu einer finalen Klärung womöglich stürben.

Die Sparkassen sollen aber nicht nur vorab Geld an die Kunden ausbezahlen, sondern je nach Urteil auch noch nachlegen. „Zahlen Sie jetzt den Großteil der ausstehenden Zinsen zügig aus und klären Sie den kleinen Rest, wenn später der konkrete Referenzzins feststeht“, hatte das Bündnis im offenen Brief erklärt. Sind Ansprüche von Kunden nach einer Kündigung der Altverträge vor mehr als drei Kalenderjahren bereits verjährt, sollte ein Geldhaus gleichwohl bereit sein, die Nachzahlung zu leisten, wie Merzbacher ergänzt.

Keine Welle wie 2014

Wie viele Menschen Zinsen nachfordern werden, ist ebenfalls noch nicht genau absehbar. Die BaFin geht von mehr als 1 Million Verträge aus. Sparkassen haben die Pläne in den zurückliegenden Jahren bereits in großer Zahl gekündigt.

An den gut ein Dutzend Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentralen beteiligen sich einige tausend Menschen und weitere Verfahren kommen absehbar hinzu, wie Michael Hummel sagte, Referatsleiter Recht der Verbraucherzentrale Sachsen. Ein „Überschwemmen“ der Sparkassen mit Klagen sei aber unrealistisch. Die Zahl der Einzelverfahren wiederum liegt nach seiner Schätzung im dreistelligen Bereich, die Schlichtungsstelle der Sparkassen meldete im November etwa 600 Fälle zum Thema Prämiensparen, die 2021 bis dahin angefallen waren.

Sparkassen droht also Ärger, doch eine Welle an Zahlungsforderungen, wie sie noch 2014 nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Kreditbearbeitungsgebühren über die Branche hereingebrochen war, dürfte ausbleiben. Die Anlegerschützer zeigen sich frustriert: Ihr Zeugnis an die Sparkassen enthält die Note „sehr gut“ – für „Aussitzqualitäten“.