CFO-InterviewStefanie Münz, LBBW

„Wir haben in Deutschland ein echtes Standortproblem“

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und ihre Tochter Berlin Hyp kommen bisher ohne größere Blessuren durch die Immobilienkrise. CFO Stefanie Münz begründet mit der traditionell vorsichtigen Risikopolitik.

„Wir haben in Deutschland ein echtes Standortproblem“

Im Interview: Stefanie Münz

LBBW sieht sich gegen Immobilienkrise gewappnet

Trotz leichten Anstiegs der Insolvenzen gelten Unternehmen als resilient – Vorsteuergewinn 2023 von mehr als 1 Mrd. Euro bestätigt

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und ihre Tochter Berlin Hyp kommen bisher ohne größere Blessuren durch die Immobilienkrise. CFO Stefanie Münz begründet die geringe Zahl an Kreditausfällen mit der traditionell vorsichtigen Risikopolitik des Instituts, womit auch das Engagement bei Signa in Grenzen gehalten wurde.

Das spektakulärste Kreditereignis des Jahres 2023 in Deutschland war wohl die Pleite von Signa, bei der alle Landesbanken mit im Spiel sind. Wie viel Geld steht seitens der LBBW noch im Feuer?

Uns wurde nachgesagt, dass wir in dreistelliger Millionenhöhe betroffen seien. Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben im Unternehmenskundenbereich bei Signa Sports einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag an Risikovorsorge gebildet und damit das Engagement komplett abgeschrieben. Das aber hat mit den Immobilien nichts zu tun. In der gewerblichen Immobilienfinanzierung haben wir gegenüber Signa ein überschaubares Exposure mit einem maximalen Risiko im niedrigen zweistelligen Millionenbereich, mit dem wir aber aufgrund unserer Sicherheiten nicht rechnen. Die Signa-Insolvenz stellt für die LBBW somit kein einschneidendes Default-Event dar.

Sie haben zum 1. Juli 2022 die Berlin Hyp für rund 1 Mrd. Euro übernommen. Würden Sie das heute angesichts des Preisverfalls an den Immobilienmärkten wiederholen?

Auf jeden Fall: Wir würden den Deal heute noch einmal so machen. Wir hatten die Transaktion seinerzeit gut durchgerechnet und eine mögliche Immobilienkrise mit einkalkuliert. Seit dem Kauf hat sich unser Blick auf die Berlin Hyp nicht verändert. Es gibt lediglich vereinzelte Kreditausfälle. Für mögliche Verschärfungen der Krise durch eine deutliche, längere Dysfunktionalität der Märkte haben wir ausreichend Adjustments für ein bis zwei Jahre gebildet. Unter dem Strich sind wir bisher ohne größere Blessuren durch die Krise gesteuert – in Stuttgart wie in Berlin.

Welchen Beitrag leistet die Berlin Hyp zum Ergebnis?

Mit der Berlin Hyp sind wir Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit und ein führender Immobilienfinanzierer in Deutschland und für die Sparkassen. Wir sind mit der Ergebnisentwicklung sehr zufrieden. Unsere Erwartungen an den Kauf der Berlin Hyp haben sich bisher komplett erfüllt. Vor allem aber: Der Erwerb der Berlin Hyp war eine einmalige Gelegenheit mit hohem strategischem Nutzen. Die LBBW hat dadurch ihren Marktzugang deutlich verbreitert und ihre strategische Relevanz für ihre Kunden nochmals deutlich erhöht.

Die Risikovorsorge für Immobilien und Projektfinanzierungen lag zum Halbjahr 2023 bei 83 Mill. Euro. Wie lief es bis zum Jahresende?

Aufgrund unserer vorsichtigen Risikopolitik mit niedrigen Loan-to-Value-Werten sind nur einzelne Ausfälle hinzugekommen. Im zweiten Halbjahr 2023 haben wir für diese Einzelfälle Risikovorsorge getroffen und zum Jahresende weitere Adjustments gebildet. Traditionell haben wir sehr hohe Vergabestandards. Wir legen großen Wert auf niedrige Beleihungswerte, hohe Cashflows und eine nahezu 100-prozentige Vermietung der Objekte. Deswegen ist die originäre Risikovorsorge im Konzern bisher überschaubar.

Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis es zu einer Rekalibrierung am Immobilienmarkt kommt. Wir erwarten frühestens Ende 2024, vielleicht auch erst im Verlauf von 2025, eine Entspannung.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des gewerblichen Immobilienmarkts?

Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis es zu einer Rekalibrierung am Immobilienmarkt kommt. Wir erwarten frühestens Ende 2024, vielleicht auch erst im Verlauf von 2025, eine Entspannung. Die Markterholung wird voraussichtlich in kleinen Schritten erfolgen. Doch selbst in einem solch herausfordernden Umfeld kann man gute Geschäfte machen. Zudem haben wir ein qualitativ hochwertiges, gut diversifiziertes Bestandsportfolio, das zu zwei Dritteln auf Deutschland entfällt.

Unter dem Motto „Bündelung der Kräfte“ haben in der Vergangenheit mehrere Landesbanken Bereiche im Kapitalmarktgeschäft dort konzentriert, wo die Expertise am höchsten ist. Welchen Nutzen konnten Sie dadurch für Ihr Kapitalmarktgeschäft kreieren?

Wir konnten unser Kapitalmarktgeschäft auch im zurückliegenden Jahr weiter ausbauen, vor allem durch den Eintritt in neue Produktgruppen wie Environmental Products oder Credit Markets. Damit sind wir einerseits das bedeutendste Kapitalmarkthaus der Sparkassen. Und andererseits ist der Kapitalmarkt unser größter Produktlieferant auch für andere Geschäftsbereiche. Wir reden nicht nur von Cross Selling, wir tun es auch.

Zum Beispiel?

Ein nennenswerter Ergebnisanteil des Corporate-Ergebnisses kommt etwa aus dem Geschäft mit Absicherungsprodukten, Liquiditätsanlagen, Assetmanagement- oder Trade Finance-Lösungen.

Sie hatten zuletzt 2021 das Zins- und Währungsmanagement von der HCOB, früher: HSH Nordbank, und der Helaba übernommen. Wird die „Bündelung der Kräfte“ weitergehen?

Wir stehen einer weiteren Bündelung der Kräfte innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe grundsätzlich sehr aufgeschlossen gegenüber. Auch die Übernahme der Berlin Hyp war hier ja ein wesentlicher Beitrag. Aktuell sehen wir zwar keine weiteren konkreten Opportunitäten, die für die LBBW und die gesamte S-Finanzgruppe sinnvoll wären. Aber das muss nicht so bleiben.

Inwieweit haben sich die Bonitäten ihrer Firmenkunden verschlechtert, so dass mit Kreditausfällen zu rechnen ist?

Bisher zeigen sich die Unternehmen recht resilient. In den letzten Monaten beobachten wir zwar branchenübergreifend einen leichten Anstieg der Ausfälle, aber immer noch auf relativ niedrigem Niveau. Wir gehen davon aus, dass sich die Bonitätssituation der Unternehmen in der Breite leicht verschlechtern wird. Überschüssige Liquidität wird abgebaut, Auftragseinbrüche und Kostensteigerungen werden in den Zahlen von 2024 zu Buche schlagen. Außerdem fallen bisher gezahlte Subventionen des Bundes weg.

Wir haben (…) in Deutschland ein echtes Standortproblem. Das belastet die Stimmung erheblich.

Mit welchen Folgen?

In der Breite dürfte es schon Gewerbekunden treffen. Wir haben jedoch in der Vergangenheit hohe Adjustments gebildet. Sollten unsere Kunden in kritische Situationen geraten, sind wir gut vorbereitet. Zudem haben wir keine Klumpenrisiken im Bestand. Grundsätzlich machen den Unternehmen die überbordende Bürokratie, stark gestiegene Personal- und Energiekosten und der zunehmende Fachkräftemangel zu schaffen. Bei diesen Themen gibt es einfach zu wenig Unterstützung durch die Politik. Wir haben dadurch in Deutschland ein echtes Standortproblem. Das belastet die Stimmung erheblich. Bei unseren global ausgerichteten Kunden führt das zu verstärkten Überlegungen und auch bereits zu Entscheidungen, Investitionen und Produktionen ins Ausland zu verlagern.

Was heißt das für 2024?

Das hängt in hohem Maße davon ab, ob und wie schnell sich die deutsche Volkswirtschaft erholen wird. Bei einem auch nur bescheidenen Wirtschaftswachstum hätten die Unternehmen wahrscheinlich die Chance, mit leichten Blessuren davonzukommen.

Inwieweit müssen sich Banken wandeln, um die heimische Wirtschaft bei der anstehenden Transformation zu unterstützen?

Wir müssen die nachhaltige und digitale Transformation, aber auch die Transformation der Wertschöpfungskette und der Geschäftsmodelle umfassend begleiten. Dies ist das Selbstverständnis unseres Geschäftsmodells. Das ist mit einer gewissen Komplexität verbunden, die es zu beherrschen gilt. Dazu gehören ein professionelles Beratungsgeschäft, die Umstellung des Bankbetriebs auf Nachhaltigkeit sowie Projektfinanzierungen in den Bereichen erneuerbare Energien und digitale Infrastruktur. Ein weiterer Ansatz ist es, dass wir den Weg der nachhaltigen Transformation mit den Unternehmen im Rahmen einer ganzheitlichen Engagementstrategie gemeinsam beschreiten. So ist unsere Erwartungshaltung an eine Finanzierung klar, und umgekehrt wird für uns transparent, wie die Unternehmen den Anforderungen begegnen können, auch finanziell.

Ein Südwestkonsortium ist vor Kurzem mit knapp 25% bei Transnet BW eingestiegen. Sehen Sie darin eine Art Blaupause für weitere Finanzierungen der Energiewende?

Absolut! Als Banken mobilisieren wir Kapital für den Umbau Deutschlands – das ist unsere Schlüsselrolle. Und wir können unseren Kunden alle Leistungen aus einer Hand bieten. Als Universalbank bieten wir die volle Bandbreite an Lösungen und bringen die Parteien an einen Tisch. Bei dem Deal mit der Transnet BW haben wir als Bank gleich in mehreren Bereichen geholfen: in der M&A-Beratung des Konsortiums, bei der Strukturierung des Investmentvehikels und in der Finanzierung. Es sind die Universalbanken, die die Transformation verlässlich und in allen Facetten begleiten.

Ist die LBBW denn nun von ihrem Selbstverständnis her eine Universalbank oder erst auf dem Weg dorthin?

Wir waren schon immer eine Universalbank, also ein Vollsortimenter, mit allen vier dazugehörigen Segmenten. Im Kern sehen wir uns als eine mittelständische Universalbank, die auch mittelständisch agiert. Im Gegensatz zu Großbanken, die in mehrere Teilbanken aufgeteilt sind, steuern wir alles innerhalb eines Konzerns.

Was heißt das für die Kunden?

Wir haben die richtige Größe, um die Segmente eng miteinander zu verzahnen, alle Produkte innerhalb der Bank zu beziehen und somit komplexe Lösungen für unsere Kunden aus einer Hand heraus anzubieten. Wir werden somit zum Lösungsanbieter im Sinne unserer Kunden, behalten die Erträge aller Produktstränge im Konzern. Das geht mit einer etwas höheren Komplexität und entsprechenden Kosten einher. Unter dem Strich zahlt sich das aber aus. Wir glauben, dass wir die einzige Universalbank in Deutschland sind, die in der Lage ist, dies auch in Gänze zu steuern.

Welchen Beitrag leisten die verschiedenen Segmente fürs Ergebnis?

Die Entwicklung ist in allen Segmenten sehr gut. Wir haben im Unternehmenskundengeschäft vor allem auch im ersten Halbjahr sehr viele Finanzierungen umgesetzt und ein sehr gutes Corporate-Finance-Geschäft eingefahren. Das gilt auch für Immobilien und Projektfinanzierung im Immobilienumfeld LBBW und Berlin Hyp. Im Privatkundengeschäft sehen wir ein Rekordergebnis, wie beim Wettbewerb auch. Auch das Kapitalmarktgeschäft lieferte über das ganze Jahr hinweg ein sehr stabiles Ergebnis.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Debatte um eine Erhöhung der Mindestreserve durch die EZB?

Eine Erhöhung würde alle Banken unnötig belasten. Die EZB moniert doch zu Recht immer wieder die geringere Rentabilität der europäischen und deutschen Banken, insbesondere im Vergleich zu US-amerikanischen Banken. Eine Erhöhung der Mindestreserve würde diese transatlantische Lücke nur noch vergrößern. Das kann auch nicht im Interesse der EZB sein.

An unserer zum Halbjahr gestellten Prognose von über 1 Mrd. Euro Vorsteuergewinn halten wir fest. Vielleicht wird es auch einen Schnaps obendrauf geben.

Im August haben Sie einen Vorsteuergewinn von mehr als 1 Mrd. Euro vorhergesagt. Halten Sie an dieser Prognose fest?

Zu Details unseres Abschneidens im Gesamtjahr werden wir uns erst zur Bilanzpressekonferenz am 6. März 2024 äußern. Nur so viel: An unserer zum Halbjahr gestellten Prognose von über 1 Mrd. Euro Vorsteuergewinn halten wir fest. Vielleicht wird es auch einen Schnaps obendrauf geben.

Das Interview führte Thomas Spengler.