„Die EZB fremdelt noch mit unserer Geschäftsidee“
Im Interview: Jörg Münning
"Die EZB fremdelt noch mit unserer Geschäftsidee"
Der Sprecher der Landesbausparkassen über die prekäre Lage am Wohnungsbaumarkt, den Bauspar-Boom und Überzeugungsarbeit bei der Notenbank
Nach drei Fusionen im Lager der Landesbausparkassen zum 1. September ist die LBS Süd künftig eine von zwei deutschen Bausparkassen, die durch die EZB beaufsichtigt werden. Warum die Institute bei der Notenbank noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, erläutert Jörg Münning für die LBS-Gruppe im Interview.
Herr Münning, Wohneigentum in Deutschland ist inzwischen so teuer, dass es für zwei Normalverdiener aus eigener Kraft nicht mehr finanzierbar ist. Mietwohnungen sind so knapp, dass die Suche entmutigend sein kann. Das sind Erfahrungen der Mittelschicht. Wie sehen Sie die aktuelle Lage am deutschen Wohnimmobilienmarkt?
Die Lage am Wohnimmobilienmarkt ist schwierig. Dabei ist die Erkenntnis nicht neu, dass Wohnungen fehlen und jährliche Neubauziele nicht erreicht werden.
Sie sprechen das Ziel der Bundesregierung an, jedes Jahr 400.000 neue, bezahlbare und klimagerechte Wohnungen zu bauen, davon ein Viertel Sozialwohnungen.
Wenn hunderttausende Wohnungen fehlen und sich Normalverdiener-Haushalte ein eigenes Heim kaum oder nicht mehr leisten können, dann liegt das nicht nur an einem Zinsniveau, das seit dem vergangenen Jahr sprunghaft gestiegen ist, und auch nicht nur an einer hohen Inflation. Ich erinnere an die 1980er Jahre, als trotz eines noch höheren Zinsniveaus als heute hunderttausende Wohnungen neu gebaut wurden. Wir haben heute Rahmenbedingungen, die einfach nicht stimmen.
Was meinen Sie damit?
Ich meine damit die Nebenkosten, die viel zu hoch sind. So partizipiert der Staat am Bau oder am Erwerb einer selbst genutzten Immobilie heute einschließlich Steuern etwa für Materialien mit 37%. Diese hohen Nebenkosten sind einer der Gründe, weshalb Deutschland bei der Wohneigentumsquote in Europa auf dem vorletzten Platz liegt. Klar, es gibt auch andere Gründe, die zum Teil historisch bedingt sind. Aber ich bleibe dabei: Die Rahmenbedingungen für den Bau, den Erwerb und die Modernisierung von Wohnimmobilien in Deutschland stimmen nicht. Es darf nicht sein, dass Eigenmittel für ein Objekt fehlen, weil sie vor allem für Erwerbsnebenkosten ausgegeben werden müssen.
Ich meine damit die Nebenkosten, die viel zu hoch sind. So partizipiert der Staat am Bau oder am Erwerb einer selbst genutzten Immobilie heute einschließlich Steuern etwa für Materialien mit 37%.
Was ist zu tun?
Wir brauchen in Deutschland einen Masterplan für den Wohnimmobilienmarkt. Wir brauchen deutlich niedrigere Nebenkosten. Bau, Erwerb und Modernisierung von Wohneigentum sind in Deutschland viel zu teuer, auch deutlich teurer als in anderen Ländern. Wir brauchen zudem verbindliche, sicher einschätzbare Richtlinien. Die haben wir in Deutschland nicht. Das sorgt für Verunsicherung in der Bevölkerung. Es ist nicht verwunderlich, wenn in Privathaushalten die Neigung zum Bau, Erwerb oder zur Modernisierung von Wohneigentum sinkt.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist sicherlich der lange politische Streit über das neue Heizungsgesetz. Es sorgt aber auch für Verunsicherung, wenn die Bundesregierung – wie vor kurzem beim sogenannten Wohnungsbaugipfel in Berlin beschlossen – in der laufenden Legislaturperiode davon absehen will, den ursprünglich von 2025 an geltenden Effizienzhaus-40-Standard vorzuschreiben, um den Energiebedarf für das Heizen weiter zu senken. Dieses Hin und Her bei den Klimaschutzvorgaben schafft keine guten Planungsgrundlagen.
Neben der temporären Aussetzung des EH-40-Standards will die Regierung für den sozialen Wohnungsbau bis 2027 gut 18 Mrd. Euro bereitstellen, KfW-Förderprogramme sollen neu aufgelegt oder nachgebessert werden. Wie bewerten Sie den 14-Punkte-Plan der Bundesregierung, der das Bauen in Deutschland erleichtern soll?
Dass es zu diesem Wohnungsbaugipfel und zu den 14 Punkten gekommen ist, ist grundsätzlich zu begrüßen. Wenn es nun solcher Eingriffe bedarf, dann zeigt das aber vor allem eines: In den vergangenen Jahrzehnten ist im Bereich der Wohnungsbauförderung – und damit meine ich den Mietwohnungsbau, den sozialen Wohnungsbau und die Förderung für selbst genutzte Immobilien – viel danebengegangen. Positiv ist, dass der neue Plan die große Bedeutung des selbst genutzten Wohneigentums für die Wohnraumversorgung und das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands adressiert.
Inwiefern?
Ich bin froh, dass es beim Neubau-Förderprogramm „Wohneigentum für Familien“ zu Verbesserungen kommt. Die Höchstbeträge für zinsvergünstigte Förderkredite sowie die Einkommensgrenzen für den Ersterwerb von Wohneigentum werden deutlich angehoben. Ob die Aufwertung der bislang kaum wirksamen Förderung ausreichen wird, müssen wir aber abwarten. Es sind Stimmen zu hören, die sagen, die Regierung sei jetzt immerhin in der Realität angekommen. Ich würde von einem Schritt in die richtige Richtung sprechen. Mir liegt es fern, die aufgewertete Förderung schon jetzt als Durchbruch zu bezeichnen. Wichtiger finde ich ohnehin, dass der Regierungsplan auch den Immobilienbestand im Blick hat.
Warum?
Aus meiner Sicht konzentriert sich die Wohnungsmarktdebatte bislang zu stark auf den Neubau. Wie eine Untersuchung der LBS Nordwest für Nordrhein-Westfalen gezeigt hat, handelt es sich bei vier Fünfteln der Gebäude in dem Bundesland um Bestandsgebäude. Die Gebäude kommen auf ein Durchschnittsalter von 50 Jahren. 80% der Gebäude sind höchstens teilsaniert oder gar nicht saniert. Wenn wir die Klimawende ernst nehmen und den Kohlendioxidausstoß reduzieren wollen, dann müssen wir bei Wohnimmobilien und der Förderung des Marktes vor allem den Bestand im Blick haben. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt.
Welcher?
Gemeinsam mit dem Empirica-Institut haben wir in einer sogenannten Sickerstudie gezeigt, dass mit jedem Neubau nicht nur Wohnraum geschaffen, sondern auch bestehender Wohnraum freigemacht oder verändert wird. Hinter jedem Neubau steht im Durchschnitt eine Kette von mehr als vier Umzügen. Das darf nicht übersehen werden. Insofern ist es erst einmal gut, dass die Bundesregierung Familien auch beim Erwerb bereits bestehender Immobilien unterstützen will und unter dem Titel „Jung kauft Alt“ ein weiteres Förderprogramm für den Kauf sanierungsbedürftiger Bestandsimmobilien auflegt.
Verbraucherschützer monieren, das Maßnahmenpaket werde langfristig nicht ausreichen, um Wohnen und Energiekosten bezahlbar zu halten.
Dass Verbraucherschützer gerade mit Blick auf die energetischen Anforderungen nicht mit allem einverstanden sind, kann ich gut verstehen.
Dass Verbraucherschützer gerade mit Blick auf die energetischen Anforderungen nicht mit allem einverstanden sind, kann ich gut verstehen. Warum jetzt die Vorgaben für das Effizienzhaus 40 verschieben und stattdessen den Standard 55 weiterhin zulassen? Ich plädiere aber in Anbetracht der aktuellen Umstände wie der hohen Inflation dafür, dem derzeit Machbaren Vorrang zu geben. Wir haben doch ein Dilemma: Einerseits besteht die Verpflichtung zur energetischen Sanierung von Bestandsimmobilien, wenn wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen wollen. Andererseits müssen sich die Menschen diese Maßnahmen auch erlauben können. Insofern könnte man mit Blick auf die aktuellen Umstände sagen: lieber EH 55 als gar kein Standard. Was das Problem der hohen Mieten angeht: Wir brauchen mehr Wohnungen, auch mehr Sozialwohnungen. Damit die entstehen, müssen – wie gesagt – die Rahmenbedingungen stimmen.
Um die Nebenkosten zu senken, könnte an der Grunderwerbsteuer geschraubt werden.
Ich bin dafür, dass die Länder beim Immobilienersterwerb auf die Grunderwerbsteuer verzichten, mindestens aber höhere Freibeträge ermöglichen. Auch wenn die Steuer eine wichtige Einnahmequelle für die Länder ist: Die selbst genutzte Immobilie ist die beste und beliebteste Form der Altersvorsorge in Deutschland. Das sollte bedacht werden.
Das derzeit größte Problem der Immobilien- und Baubranche sind die stark gestiegenen Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank seit 2022 versucht, die hohe Inflation einzudämmen. Dem Bausparen hat die Zinswende der Notenbank hingegen eine Renaissance beschert. Das Geschäftsmodell der Bausparkassen funktioniert wieder.
In das Geschäftsmodell der Bausparkassen wie zahlreicher anderer Finanzinstitute wurde durch die Niedrig- und Nullzinspolitik der Notenbanken massiv eingegriffen.
Ich würde es anders formulieren: In das Geschäftsmodell der Bausparkassen wie zahlreicher anderer Finanzinstitute wurde durch die Niedrig- und Nullzinspolitik der Notenbanken massiv eingegriffen. Mit den gestiegenen Zinsen kehrt wieder Normalität zurück. Ich füge aber hinzu, dass es in vergangenen Jahrzehnten üblich war, dass sich Privathaushalte auch ohne Doppelverdiener Zinsen von 4% plus Tilgung für ein Baudarlehen leisten konnten.
Eine neue Normalität?
Wenn man so will, ja. Die Grundidee des Bausparens und des Geschäftsmodells der Bausparkassen hat sich nicht verändert. Weil viele Kunden merken, dass Zinsen auch steigen können, sichern sie sich wieder gegen steigende Zinsen ab. Sie können somit heute schon genau kalkulieren, wie hoch die Zinsbelastung bei Rückzahlung des Darlehens in einigen Jahren oder Jahrzehnten sein wird. Das gestiegene Interesse am Bausparen wirkt sich auch in unserem Neugeschäft aus.
Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Nach einer Steigerung von mehr als 40% im vergangenen Jahr liegen wir bei der LBS Nordwest im laufenden Jahr bei einem Plus von etwa 5% verglichen mit dem Vorjahr. 2023 erwarten wir ein Neugeschäft von über 10 Mrd. Euro.
Zum 1. September ist die LBS Nordwest aus dem Zusammenschluss der LBS West und der LBS Nord hervorgegangen. Rückwirkend zum 1. Januar sind zugleich auch die LBS Süd und die LBS Nordost aus Fusionen entstanden. Welche Rolle haben dabei die schwierigen Niedrigzinsjahre gespielt?
Es gab keine Notfusion. Keine der sechs ehemaligen Landesbausparkassen war aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen, zu fusionieren. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Hausaufgaben gemacht, indem wir Kostenstrukturen und Prozesse angegangen sind. Als Teile der Sparkassen-Finanzgruppe hatten die einzelnen Landesbausparkassen mehrere Eigentümer und unterschiedliche Trägerstrukturen. Das hat die Frage, ob und wann es zu Zusammenschlüssen kommen wird, beeinflusst. Die Niedrigzinsphase war hingegen kein entscheidender Faktor für die Fusionen.
Und jetzt?
Das gestiegene Zinsniveau und das erfreuliche Bausparneugeschäft sorgen nun für Rückenwind im weiteren Verlauf der technischen Zusammenführung. Dieser Rückenwind hilft auch dabei, die Fusionskosten, die sich für die LBS Nordwest immerhin auf einen niedrigen zweistelligen Mill.-Euro-Betrag belaufen, leichter zu verdauen. Als fünftgrößte Bausparkasse in Deutschland mit 2,6 Millionen Kunden in unserem Geschäftsgebiet sehen wir uns für die kommenden Jahre gut aufgestellt.
Die schwierigen Jahre während der Null- und Negativzinsphase manifestierten sich auch in einem Streit mit Verbraucherschützern, die gegen eingeführte oder erhöhte Gebühren der Bausparkassen in der Ansparphase von Bausparverträgen klagten. Der Bundesgerichtshof hat solche Entgelte 2021 höchstrichterlich für unzulässig erklärt.
Man muss hier zwischen einzelnen Klauseln unterscheiden. Die angesprochene BGH-Entscheidung bezieht sich auf eine BHW-Klausel, die nicht übertragbar ist. Insofern lassen sich solche Klauseln auch nicht pauschalisieren. Kaum ein anderes Finanzprodukt ist so reguliert und transparent wie das Bausparen.
Wie kommen die Landesbausparkassen mit dem hohen Tempo des Zinsanstiegs zurecht?
Jeder Tarif, den wir neu in den Markt bringen, muss durch die Finanzaufsicht genehmigt werden. Das schafft Sicherheit für jeden Kunden. Wir geben ja ein Zinsversprechen über einen langen Zeitraum und müssen in der Lage sein, Darlehen auch zu den versprochenen Konditionen herauszugeben. Dafür ist ausreichend Liquidität vorzuhalten. Das ist das Besondere in der Steuerung einer Bausparkasse.
Ihre Kunden können darauf vertrauen, dass Sie ihnen in 15 oder 30 Jahren die niedrigen Zinsen geben werden, die Sie heute im Vertrag zusagen?
Ja. Das Zinsversprechen einzuhalten, ist unsere Aufgabe. Das Bausparkollektiv wird durch die Aufsicht überprüft und Stressszenarien unterzogen. Für unsere Kunden bedeutet das ein Höchstmaß an Sicherheit.
Wie beurteilen Sie die Vertriebskraft für Bausparprodukte in Ihrer Gruppe, wo doch die Zahl der Sparkassen und Sparkassenfilialen kontinuierlich sinkt?
Als Teile der Sparkassen-Finanzgruppe arbeiten die Landesbausparkassen mit den Sparkassen zusammen, die über die Regionalverbände unsere wichtigsten Eigentümer sind. Die Sparkassen bestimmen den Grad der Kooperation. Sie achten auch bei Fusionen stark auf ihren Vertrieb. Dabei unterstützen wir sie durch unseren Außendienst. Um den Vertrieb von Bausparprodukten in unserer Gruppe mache ich mir keine Sorgen, auch wenn die Anzahl der Sparkassen sinkt. Die Kooperation funktioniert weiterhin sehr gut. Das gilt auch für die wachsende Bedeutung des Online-Vertriebs. So betreiben die Landesbausparkassen für die S-Finanzgruppe bereits eine Poolinggesellschaft für freie Finanzvermittler.
Welches Motiv steht bei den LBS-Zusammenschlüssen im Vordergrund: Erträge steigern oder Kosten senken?
Beide Motive spielen eine wesentliche Rolle. Bei der Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum, im Bereich der Finanzierung von Mietimmobilien können wir, wenn ich jetzt für die LBS Nordwest spreche, mehr machen – etwa in Zusammenarbeit mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Kooperationen könnten auch bei energetischen Sanierungen für mehr Geschäft sorgen. Auch mit Blick auf den kommunalen Immobilienbestand wäre einiges denkbar. Zum anderen sind im Zuge der Fusion Kostensynergien möglich, ohne dass fusionsbedingte Kündigungen oder dank des erreichten Digitalisierungsgrads Ortswechsel unserer Mitarbeiter in Münster und Hannover notwendig wären. Als größeres Haus werden wir künftig im Zuge einer kontinuierlich gesteigerten Prozesseffizienz aber mit weniger Personal als heute mit 960 Beschäftigten auskommen. Dafür nutzen wir den demografischen Wandel.
Wie wirken sich die Fusionen auf die Position im Wettbewerb aus?
Die Resonanz bei den Sparkassen zeigt uns in der LBS Nordwest, dass wir als stärkerer Partner wahrgenommen werden, mit dem sie gerade im Bereich der Finanzierung von energetischer Modernisierung zusammenarbeiten wollen. Wir können durch Kooperationen mit Energieberatern unterstützen, wir schulen unseren Außendienst in Förderthemen. Wir können als größere Bausparkasse neben neuen Produkten Geschäftsfelder erschließen, auf denen wir vorher nicht tätig waren. Wir sind sehr optimistisch, dass wir zusammen mit den Sparkassen unsere Marktposition stärken können.
Neben der Wüstenrot Bausparkasse fällt künftig die LBS Süd als größte der fünf Landesbausparkassen mit einer Bilanzsumme von 38 Mrd. Euro unter die EZB-Aufsicht. Ihr Haus, die LBS Nordwest, liegt mit 22 Mrd. Euro unterhalb der Schwelle von 30 Mrd. Euro. Darüber können Sie doch froh sein, weil es weniger Aufwand bedeutet.
Es schadet nicht, jetzt nicht direkt durch die EZB beaufsichtigt zu werden. Allerdings haben die aufsichtsrechtlichen Anforderungen, denen wir nachkommen müssen, stark zugenommen. Es ist daher notwendig, dass wir offen und fair miteinander umgehen. Um das Eigenkapital zu stärken und um ausschütten zu können, müssen wir im Kundengeschäft erfolgreich sein. Nur wenn es unseren Kunden gut geht, geht es auch uns gut. Als LBS West sind wir im Übrigen auch mit Blick auf die Fusion zur LBS Nordwest bereits als ein potenziell systemrelevantes Institut eingestuft worden.
Dass Bausparkassen aus Deutschland unter die direkte EZB-Aufsicht fallen, ist ein Novum. Zugleich sieht die EZB das Instrument der langfristigen Zinsbindung nicht so gerne. Wie gehen Sie damit um?
Die EZB fremdelt noch mit unserer Geschäftsidee, das ist richtig. Wir sind gefordert, die Solidität des deutschen Bausparmodells zu verdeutlichen. Wir sind mit der EZB im Gespräch, um ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Wir befinden uns, wenn Sie so wollen, in einer Phase der Annäherung. Bausparen ist ursprünglich ein deutsches Produkt, es wird aber auch in anderen Ländern angeboten. Bausparen bietet Kunden Sicherheit, die Idee funktioniert seit langem sehr gut.
Wie kommen Sie mit der Überzeugungsarbeit für die Idee der langfristigen Zinsbindung bei der Aufsicht an?
Ich bin optimistisch, dass wir mit unserer Überzeugungsarbeit, wie Bausparkassen funktionieren, erfolgreich sein werden. Ich erinnere an die Ursachen für die Finanzmarktkrise 2008. Die Krise war unter anderem Folge eines spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkts in den USA, begünstigt durch niedrige Zinsen und eine nicht ausreichende Finanzregulierung. Immobilienkredite wurden verbrieft und als minderwertige Wertpapiere dank zu positiver Ratings weltweit verkauft. Das eigentliche Problem in den USA lag aber doch in einem Zinssprung begründet, verbunden mit variablen Zinsen.
Das erklären Sie bitte näher.
Was wäre damals in Deutschland ohne das Bausparmodell mit seinen Festzinsvereinbarungen von bis zu 30 Jahren passiert? Die Krise hätte noch größere Ausmaße angenommen. Im Zuge der seit vorigem Jahr stark gestiegenen Zinsen lässt sich feststellen, dass es bislang zu keinen zusätzlichen Belastungen oder Qualitätsveränderungen bei den Bausparkassen gekommen ist. Unsere zahlreichen Bausparkunden sind gegen Zinssteigerungen abgesichert, hoffentlich auch über einen langen Zeitraum. Stellen Sie sich vor, der Zinssprung des letzten Jahres hätte die Kunden mit variablen Zinsen erreicht! Darüber müssen wir mit der EZB reden, die nicht nur Finanzaufsicht ist, sondern die Zinsentscheidungen im Euroraum zu verantworten hat.
Wie werden die Bausparkassen als Spezialinstitute bei den europäischen Bankenstresstests abschneiden?
Ich gehe davon aus, dass sie diese Tests gut bestehen werden. Es gilt natürlich die Besonderheiten des Geschäftsmodells zu berücksichtigen. Gemäß Bausparkassengesetz können wir am Markt mit unseren Tarifen nicht so schnell reagieren wie Universalbanken. Das trägt zur Sicherheit der Kunden bei, muss aber eben bei der Auswertung der Testergebnisse auch berücksichtigt werden. Die Peergroup der Bausparkassen besteht nicht aus Universalbanken, es dürfen nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Unser Geschäftsmodell funktioniert anders als das einer Universalbank. Bausparkassen haben deswegen aber keinen Malus im Vergleich mit Geschäftsbanken.
Wie sieht es bei Ihnen aus?
Vor der Fusion zur LBS Nordwest wurde im Rahmen eines Inhaberkontrollverfahrens unsere Resistenz überprüft. Selbst in einem adversen Zinsszenario waren wir in der Lage, Kapital aufzubauen. Das Geschäftsmodell der Bausparkassen bietet viel Sicherheit. Kunden müssen erst mal sparen, ehe ein Darlehen zur Auszahlung kommt. In der Regel wird durch den Bausparvertrag für den Immobilienkauf ein Eigenkapital von 30 bis 40% angespart. Schade nur, wenn davon ein Großteil für Erwerbsnebenkosten aufgewendet werden muss.
Wird in absehbarer Zeit ein zweites Institut aus dem LBS-Sektor unter EZB-Aufsicht stehen – etwa nach der Fusion Ihrer Bausparkasse mit der LBS Nordost?
Die Fantasie kann man haben. Man sollte auch niemals nie sagen. Aber die drei LBS-Fusionen in diesem Jahr sind schon ein Riesenschritt, und wir sind nun gut beraten, uns auf unsere neuen Geschäftsgebiete zu konzentrieren, den Vertrieb auf künftige Anforderungen auszurichten und Synergien zu heben. In allen Häusern wirken wir auf den technischen Zusammenschluss der jeweiligen Vorgängerinstitute hin, was eine große Aufgabe ist. Diesen Meilenstein wollen wir bei LBS Nordwest Ende November erreichen, die LBS Nordost im kommenden Jahr und die LBS Süd 2025.
Ihnen wird in der Debatte über künftige Strukturen des LBS-Sektors gerne die genossenschaftliche Finanzgruppe mit der Bausparkasse Schwäbisch Hall vorgehalten. Wie realistisch ist das Zielbild einer einzigen Landesbausparkasse in Deutschland?
Jede Institutsgruppe hat ihre Eigenheiten. Die Landesbausparkassen sind in der Regel aus Landesbanken hervorgegangen, deshalb sind es heute immer noch fünf Häuser. Zwei Institute sind nach wie vor unselbständige Einheiten von Landesbanken. Persönlich halte ich es für durchaus sinnvoll, dass die Sparkassen im Bauspargeschäft über mehr als nur einen Verbundpartner verfügen, mit denen sie gemeinsam stärker im Wettbewerb auftreten können. Aber klar ist: Über die künftigen Strukturen entscheiden die Eigentümer der Landesbausparkassen.
Das Interview führte Carsten Steevens. Eine ausführlichere Version finden Sie auf der Website der Börsen-Zeitung.