SERIE: IMMOBILIENMÄRKTE IM AUSNAHMEZUSTAND (19) - GASTBEITRAG

Leerstände: Das Rendite-Risiko Nummer 1 im Büromarkt

Börsen-Zeitung, 2.2.2017 Nicht nur der Wohnungsmarkt boomt, sondern auch der Büroimmobilienmarkt. Die Zahl der Bürobeschäftigten ist in den letzten vier Jahren um 9 % gestiegen, in einigen Großstädten wie Berlin, München oder Düsseldorf sogar um...

Leerstände: Das Rendite-Risiko Nummer 1 im Büromarkt

Nicht nur der Wohnungsmarkt boomt, sondern auch der Büroimmobilienmarkt. Die Zahl der Bürobeschäftigten ist in den letzten vier Jahren um 9 % gestiegen, in einigen Großstädten wie Berlin, München oder Düsseldorf sogar um mehr als 12 %. Doch es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen den zwei Märkten. Während es kaum noch leerstehende Wohnungen in Großstädten gibt, ist die Zahl der leerstehenden Büros immer noch recht hoch. In Düsseldorf stehen nach Angaben von JLL Deutschland über 8 % der Büros frei, in Frankfurt am Main sogar mehr als 9 %. Gleichzeitig wird aber sehr viel neu gebaut, gerade auch in Frankfurt, wo der Leerstand sehr hoch ist, die Zuwächse in der Bürobeschäftigung allerdings eher gering sind (+4 %).Betrachtet man den Büromarkt längerfristig, zeigt sich eine bedenkliche Entwicklung beim Leerstand. Zwar sinken die Leerstände in jedem Boom, aber nach jedem Zyklus ist der Leerstand weiter gestiegen. Es gibt also einen immer größeren Sockelleerstand, so wie man früher im Arbeitsmarkt von einer steigenden Sockelarbeitslosigkeit sprechen konnte. Neue Gebäude gefragtUrsächlich dafür ist die Vorliebe der Büronutzer für neue Büroimmobilien. Verglichen mit der Miete sind die Personalkosten deutlich höher, gleichzeitig sind gute Mitarbeiter sehr knapp. Gelingt es nun, durch ein ansprechendes Bürogebäude die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu verbessern oder Krankenstände zu verringern, lohnt es sich, höhere Mieten für ein besseres Bürogebäude zu bezahlen. Hinzu kommen auch Produktivitätsfortschritte, die ebenfalls gewichtig sind.Für Projektentwickler bedeutet dies, dass neue Bürogebäude relativ leicht vermarktet werden können, denn die Nutzer sind wechselbereit. Dadurch sind neue Bürogebäude auch für Investoren interessant, denn die Vermietungsquote ist sehr hoch. Allerdings steigen auf der anderen Seite die Leerstandsrisiken heute typischerweise nach zehn bis 15 Jahren deutlich an.Während also neue Objekte vom Markt schnell absorbiert werden, stehen ältere Gebäude häufiger leer, ebenso wie Gebäude in Vierteln, die nicht mehr zur A-Lage zählen. Dies hat natürlich Konsequenzen für Bestandshalter: Bleiben die Erträge aus, sinken auch die Renditen. Viele Büroinvestitionen, die zunächst als besonders attraktiv galten, haben sich nach der Betrachtung von 25 Jahren nicht mehr gelohnt. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass viele Investoren nach wie vor zu optimistisch rechnen und von Nutzungsdauern von 25 bis 30 Jahren ausgehen, obwohl heute oft schon nach zehn oder 15 Jahren erhebliche Mittel aufgewendet werden müssen, um das Bürogebäude an den aktuellen Standard anzupassen – sofern dies überhaupt möglich ist.Für Investoren ergeben sich daher in der aktuellen Marktlage gleich zwei Risiken. Einerseits drohen viel schneller Vermietungsrisiken als unterstellt. Noch immer gilt ein Ankermieter mit einem Mietvertrag von zehn Jahren als attraktiv, doch die Erfahrungen lehren zunehmend, dass im Fall des Wegzugs des Ankermieters nach Vertragsende die Wiedervermietung eine große Herausforderung darstellt. ZinsänderungsrisikenAndererseits drohen auch Zinsveränderungen die Kalkulationen zu gefährden. Sollten in einigen Jahren die Zinsen wieder steigen, steigen nicht nur die Finanzierungskosten der Investoren, sondern auch die Nachfrage nach Büros könnte sinken – mit Effekten auf das Preisniveau. In der Gesamtschau beider Effekte könnte es im nächsten Abschwung einen deutlichen Preisrutsch bei Bürogebäuden geben. Angesichts enger werdender Städte und zunehmenden Wohnungsmangels ist der Büroleerstand aber nicht nur ein Thema für Investoren, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.Generell dem Wohnungsbau nun die Vorfahrt vor Büros einzuräumen erscheint dabei nur auf den ersten Blick als gute Lösung. Schließlich braucht eine Stadt auch attraktive Arbeitsplätze, um zu prosperieren. Gerade in Berlin könnte sich der Mangel an attraktiven Büroflächen als Wachstumshemmnis erweisen. Schon heute fällt es Start-ups und Mittelständlern schwer, dort passende Büros anzumieten. Entscheiden sich die Unternehmen daher für einen anderen Standort, kann der wirtschaftliche Aufschwung einer Großstadt schnell versiegen.In den Niederlanden hat man mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, gerade in Amsterdam und Rotterdam ist der Leerstand sehr hoch. Deshalb versuchte man durch eine Selbstverpflichtung der Immobilienwirtschaft, der Bauwirtschaft und der Städte zu erreichen, dass im Wesentlichen nur dann gebaut wird, wenn an anderer Stelle Leerstand abgebaut wird. Großstädte wachsen weiterDies ist ein bedenkenswertes Modell auch für Deutschland, allerdings zeigen die aktuellen Bevölkerungsprognosen des IW Köln für Frankfurt, München und Berlin, dass die Städte noch einige Jahre kräftig wachsen werden. Allein für München wird ein Bevölkerungswachstum von bis zu 14 % bis 2035 prognostiziert. Da die Bevölkerung der Großstädte jünger ist als im Bundesdurchschnitt, ist damit auch ein weiteres Wachstum des Erwerbspersonenpotenzials verbunden, womit auch die Zahl der Bürobeschäftigten weiter steigen wird – und damit auch mehr Büroflächen gebraucht werden.Bei Frankfurt am Main kommt hinzu, dass aufgrund des Brexits die Nachfrage nach Büros kurzfristig auch stark steigen könnte, da Frankfurt als Banken- und EZB-Standort gute Chancen hat, einen Teil der aus London abwandernden Banken anzuziehen.Um aber Leerstände zu begrenzen, sollten Bürogebäude flexibler werden. Häufig ist es schwierig, Büros zu Wohnraum umzugestalten, weil etwa Wasseranschlüsse fehlen. Würde eine solche Nachnutzung direkt mitgedacht werden, könnte die Umnutzung zu deutlich geringeren Kosten erfolgen. Eine solche Vorausschau ist aufgrund der demografischen Entwicklung geboten, denn die Nachfrage nach Büros wird schneller sinken als die Nachfrage nach Wohnraum. Ein Bürogebäude, dass heute gebaut und 15 Jahre genutzt wird, könnte in den 2030er Jahren dann zwar als Bürofläche nicht mehr benötigt werden, wohl aber als Wohnraum.Dass eine solche Strategie der Nachnutzung funktionieren kann, zeigt gerade das Beispiel Niederrad. Der Bürostandort Niederrad in Frankfurt galt lange als Sinnbild des Büroleerstands. Die Monokultur des Gewerbeparks wurde von den Büronutzern zunehmend abgelehnt, weshalb große Flächen bis vor einigen Jahren leerstanden – obwohl die City eigentlich schnell erreichbar ist. In den letzten Jahren wurden aber zunehmend Büros in Wohnungen umgewandelt, außerdem wurden etwa 40 000 Quadratmeter Büroflächen abgerissen und Einzelhandel und andere Dienstleister angesiedelt. Mittlerweile ist der Leerstand deutlich gesunken, und das Viertel erfährt eine neue Akzeptanz durch die Nutzer. Dies verdeutlicht eindrucksvoll, dass Viertel wandlungsfähig sein müssen. Wären bei den Bürogebäuden in Niederrad Nachnutzungsmöglichkeiten direkt mitgedacht worden, hätten sich Investoren aber viele Verluste sparen können.—-Zuletzt erschienen:- Boom auf Investmentmärkten – wer sind die Anleger? (1. Februar)—-Michael Voigtländer, IW Köln