AUS DER BANKEN- UND FINANZGESCHICHTE

Lehren aus der deutschen Schuldenkrise 1953

Wie das Londoner Schuldenabkommen die Isolation Deutschlands von den Kapitalmärkten beendete - Unterschiede zur aktuellen Lage in Griechenland

Lehren aus der deutschen Schuldenkrise 1953

Von Timothy W. GuinnaneZwei Tage nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik kündigte die Bundesschuldenverwaltung die Ausgabe einer neuen Anleiheserie an. Sie sollte der Begleichung von Schulden Deutschlands aus den1920er Jahren dienen, Schulden, die das NS-Regime nicht bedient hatte. Warum sollte Deutschland im Jahr 1990 anfangen, so alte Verpflichtungen zu erfüllen? Die Antwort liegt im Londoner Schuldenabkommen (LSA) von 1953 begründet.Das Abkommen, das die Verbindlichkeiten der neuen Bundesrepublik um mehr als die Hälfte verringerte und ihre Isolation von den internationalen Kapitalmärkten beendete, galt vier großen Kategorien deutscher Auslandsschulden: Schulden des Deutschen Reichs aus dem Kontext der Dawes-Anleihe (1924) und der Young-Anleihe (1929), die die Wirtschaft stabilisieren und den Transfer der Reparationszahlungen gewährleisten sollten, Auslandsanleihen deutscher Städte und Gemeinden während der Weimarer Republik, mit denen angesichts eines schwachen Steueraufkommens Ausgaben zur Verbesserung der Lebensbedingungen finanziert wurden, private Unternehmensschulden sowie Schulden, die sich aus Hilfsprogrammen der westlichen Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg ergaben, vor allem aus den US-Hilfsprogrammen “Government and Relief in Occupied Areas” (GARIOA) und Marshallplan. VerhandlungenDie 1949 aus den drei westalliierten Besatzungszonen gebildete Bundesrepublik Deutschland besaß zunächst keine volle Souveränität. Eines der Hindernisse für die volle Unabhängigkeit war die noch ungeklärte Frage der Zahlungsausfälle der 1930er Jahre. Die westlichen Alliierten wollten, dass Westdeutschland als Rechtsnachfolger des aufgelösten Reichs die Haftung für dessen Staatsschulden übernahm und die Rückzahlung privater Schulden sicherstellte. Im März 1951 akzeptierte Bundeskanzler Adenauer die Haftung für die Schulden und signalisierte die Bereitschaft Deutschlands, sie zurückzuzahlen, knüpfte diese aber an zwei Bedingungen: Der Rückzahlungsplan müsse zur vollständigen Normalisierung der wirtschaftlichen Außenbeziehungen Deutschlands führen und zudem den Gebietsverlust und die Zerstörungen der Kriegszeit berücksichtigen, die die Fähigkeit Deutschlands zur Rückzahlung verminderten.Obwohl die Verhandlungen letztlich erfolgreich waren, gab es im Vorfeld des Abkommens teilweise erbitterte Auseinandersetzungen, die mit der begrenzten deutschen Zahlungsfähigkeit zusammenhingen. Jede an einen Gläubiger der Dawes-Anleihe gezahlte Mark stand für einen Gläubiger der Young-Anleihe nicht mehr zur Verfügung und auf jede Mark, die zur Erfüllung des Marshallplans an die US-Regierung gezahlt wurde, konnten private Gläubiger nicht mehr zugreifen. Die Gläubiger verhandelten ebenso untereinander wie mit der deutschen Seite. Das endgültige Abkommen wurde schließlich am 27. Februar 1953 in London unterzeichnet. Das AbkommenDie gesamte Nachkriegsschuld Deutschlands, die sich auf circa 16,2 Mrd. DM belief, wurde auf rund 7 Mrd. DM reduziert. Die Vorkriegsschuld, die rückständige Zinsen aus rund 20 Jahre nicht bedienten Anleiheschulden umfasste, kürzte das Londoner Abkommen auf circa 7,5 Mrd. DM. Diese Ermäßigung stellte keine formelle Abschreibung des Schuldenkapitals dar; vielmehr verringerte das LSA die Höhe der rückständigen Zinsen und bewertete die Kapitalsumme neu, so dass pro Einheit der ursprünglichen Ausgabewährung weniger DM zu zahlen waren. Vereinbarungen über die Nachkriegsschuld waren eine zwischenstaatliche Angelegenheit – im Gegensatz zu den Verhandlungen über die Vorkriegsschulden, in denen es auch um die Interessen privater Gläubiger ging. Der Vorschlag der USA eines kompletten Schuldenerlasses für die nach 1945 gewährte Unterstützung war für die Briten, die sich in einer deutlich beengteren finanziellen Lage befanden, nicht annehmbar. Man einigte sich schließlich auf erhebliche Abschreibungen, machte diese jedoch von einer zufriedenstellenden Regelung der Vorkriegsschulden abhängig.Hier erwies sich eine Einigung aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen als schwieriger. Deutschlands Vorkriegsanleihen waren in mehreren Währungen aufgelegt worden. Das britische Pfund hatte zwischen August 1930 und August 1952 um 42,5 % gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Der französische Franc und die italienische Lira hatten noch stärker gelitten und 92,7 % bzw. 97 % ihres Dollarwerts verloren. Allein der Schweizer Franken hatte aufgewertet und gegenüber der US-Währung 20,8 % gewonnen. Wenn das Abkommen Deutschland gestattet hätte, die Rückzahlung in stark abgewerteten Währungen zu leisten, hätten die Deutschen zu Lasten der Gläubiger eine Menge gespart.Probleme bereitete zudem die Goldwertklausel, mit der die US-Dollar-Tranche der Dawes-Anleihe ebenso wie alle Tranchen der Young-Anleihe versehen waren. Sie war, wie bereits im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert üblich, als Schutz gegen Inflation und Währungsabwertungen in die Kreditverträge aufgenommen worden. Ein auf Dollar lautender Kredit, der 1910 mit einer Goldklausel aufgenommen wurde, verpflichtete den Kreditnehmer zum Beispiel, Dollars auf der Basis des Goldwertes zurückzuzahlen, der 1910 einem Dollar entsprochen hatte. Im Zuge der Abwertung des Dollars um rund 40 % hob der US-Kongress 1933 alle Goldklauseln für (US-)Inlandsanleihen auf. Die Young-Anleihe stellte eine Herausforderung dar. Hätte man anerkannt, dass die Goldklausel der US-Tranchen nichtig sei, sie bei anderen Tranchen aber fortgelten lassen, hätten US-Investoren eine Abschreibung hinnehmen müssen, während andere Gläubiger ungeschoren geblieben wären. Die Goldklausel aber bei sämtlichen Young-Tranchen zu ignorieren, wäre in anderer Hinsicht unfair gewesen: Einige Gläubiger (wie Franzosen und Italiener) hätten nur noch nahezu wertlose Papiere in der Hand gehabt.Das Abkommen stellte in zweierlei Hinsicht einen Kompromiss dar. Das LSA ermäßigte den auf die Vorkriegsanleihen zu zahlenden Zinssatz, räumte den US-Tranchen aber einen etwas höheren Zinssatz ein. Ferner ersetzte das Abkommen die Goldklauseln der meisten Tranchen durch eine Dollarklausel. Eine auf französische Francs lautende Anleihe wurde mit dem Dollarbetrag bewertet, der dem Wert der Anleihe in Francs im Zeitpunkt der Ausgabe entsprochen hatte. Die “Dollarklausel” stellte einen klugen Kompromiss dar, der den Wert der Anleihen mit Goldklauseln um rund 40 % verminderte und zugleich eine annähernde Gleichbehandlung der Gläubiger verschiedener Nationen erzielte.Die meisten Vorkriegsanleihen waren seit den frühen 1930er Jahren nicht mehr bedient worden, so dass erhebliche Zinsrückstände fällig waren. Das Abkommen reduzierte die ausstehenden Zinsen sowohl durch eine Herabsetzung der Zinssätze als auch durch eine Berechnung der Zinsrückstände ohne Zinseszinsen. Die Young-Anleihe zum Beispiel hatte bei ihrer Ausgabe im Jahr 1924 einen Kupon von 5,5 %. Das Abkommen ermäßigte den Zinssatz für die US-Tranchen auf 5 %. Durch den niedrigeren Zinssatz und den Verzicht auf Zinseszinsen reduzierte das LSA den Wert der Zinsrückstände um 39 %. Infolge der Aufhebung der Goldklausel kostete jeder Dollar Schulden den deutschen Schuldner nur 4,20 DM anstelle der 7,10 DM, die sich aus dem Goldwert ergeben hätten.Die Rückzahlungsmodalitäten nahmen auf die Situation Deutschlands Rücksicht. Von 1953 bis 1958 konnten private Gläubiger Zinsen oder Tilgungen erhalten, nicht aber beides. In diesem Zeitraum zahlte Deutschland auf seine Schulden bei der US-Regierung lediglich Zinsen. Ab 1958 verpflichtete das LSA Deutschland zu jährlichen Zahlungen auf alle Schulden in Höhe von 765 Mill. DM. Als das deutsche Wirtschaftswunder in Schwung kam, verloren die im Londoner Abkommen vereinbarten festen Zahlungsraten immer mehr an Bedeutung. 1968 erzielte Deutschland einen Handelsbilanzüberschuss von insgesamt 18,4 Mrd. DM. Einige Anleihen waren schon in den 1960er Jahren vollständig getilgt und der größte Teil des Abkommens war in den frühen 1970er Jahren erfüllt. Die letzte Zahlung nach dem ursprünglichen Abkommen erfolgte, wie geplant, im Jahr 1983.Sorgen um die Transferfähigkeit prägten ein zweites Abkommen, das die Bundesrepublik zur gleichen Zeit schloss. Deutschland verpflichtete sich zur Zahlung von rund 1,5 Mrd. US-Dollar an den neuen Staat Israel und an die Jewish Claims Conference (JCC), die einzelne Opfer und Überlebende vertrat. Die jüdische Seite erklärte sich bereit, einen großen Teil dieser Summe in Form von Sachleistungen zu akzeptieren, um deutsche Devisenreserven zu schonen. WiedervereinigungDas Abkommen enthielt auch Bestimmungen für den Fall der deutschen Wiedervereinigung. Die Grundsätze des Abkommens sollten sich dann auch auf private Schuldner in Ostdeutschland erstrecken, die dort ansässigen Einzelpersonen und Unternehmen selbst ihre Schulden tilgen. Die Bundesrepublik erreichte auch, dass die Zahlung rückständiger Zinsen auf einige Vorkriegsanleihen bis zur Wiedervereinigung zurückgestellt wurde. Diese sogenannten Schattenquoten dienten dazu, den im LSA vorgesehenen Schuldendienst zu reduzieren, und berücksichtigten das politische Argument, dass die Bundesrepublik 1953 nicht das gesamte deutsche Staatsgebiet kontrollierte. Sie entsprachen den rückständigen Zinsen auf die Dawes- und Young-Anleihen und galten in anderer Form auch für Anleihen des nicht mehr existierenden Freistaats Preußen. Dass sich die Wiedervereinigung, wenn sie denn überhaupt je einträte, als Übernahme eines nahezu bankrotten ostdeutschen Staats gestalten würde, war 1953 natürlich nicht absehbar. Die Schattenquoten stellten einen kunstvollen Kompromiss dar. Es hätte näher gelegen, den Bruchteil des potenziellen deutschen BIP zu berechnen, der durch die deutsche Teilung entfallen war, und die Rückzahlung eines entsprechenden Teils der Schuld bis zur Wiedervereinigung auszusetzen. Aber eine Berechnung auf der Basis des Gebietsverlusts hätte den Grundsatz in Frage gestellt, dass die Bundesrepublik einziger Nachfolgestaat des Deutschen Reichs und seiner Länder (einschließlich Preußens) war.Jede Anleihe, die unter diesen Aspekt des Abkommens fiel, wurde durch das LSA in zwei Teile aufgeteilt. Ein Teil wurde in eine reguläre Anleihe der Bundesrepublik umgewandelt und wie im Abkommen vorgesehen bedient. Der andere Teil, der den rückständigen Zinsen entsprach, wurde in einen Berechtigungsschein oder Bezugsschein umgewandelt, der den Inhaber im Fall der Wiedervereinigung zum Bezug einer weiteren Anleihe mit anderen Konditionen berechtigte. Den deutschen Unterhändlern widerstrebte es, ein Wertpapier zu schaffen, dessen Wert die Wahrscheinlichkeit der Wiedervereinigung reflektierte und dessen Marktpreis folglich als Gradmesser für ein solches Ereignis fungieren würde.Gegenwärtig wird dieses öffentlich bisher wenig beachtete Schuldenabkommen, das vor mehr als sechzig Jahren unterzeichnet wurde, in der Presse erstaunlich häufig erwähnt. Einige deutsche Pressekommentare aus jüngster Zeit behaupten, die 1953 festgeschriebene Schuld gehe auf die Reparationsbestimmungen des Versailler Vertrages zurück. Dies zeugt von Unkenntnis, wenn es sich nicht gar um gezielte Fehlinformation handelt. Keine der in London verhandelten Schulden aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte etwas mit Reparationen zu tun, und die Reduzierung dieser Schulden machte mehr als die Hälfte des gesamten Schuldenerlasses aus. Viele Vorkriegsschulden standen zudem in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit Reparationen: Deutsche Länder begaben Anleihen, um die Lücke zwischen Steuereinnahmen und Ausgaben zu schließen, deutsche Städte, um kommunale Verbesserungen wie etwa Schwimmbäder zu finanzieren, und deutsche Unternehmen, um zu investieren. Die Reparationsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag waren bereits in Lausanne 1932 gestrichen worden und nicht Gegenstand der Schuldenverhandlungen von 1953. Die einzige Verbindung zu den Versailler Reparationen weisen die Dawes- und Young-Anleihen auf. Zweifellos halfen sie Deutschland damals, die Reparationslasten zu finanzieren. Aber die Verpflichtung zu Reparationen wurde aufgehoben, noch bevor Deutschland überhaupt Zahlungen in Höhe der Einnahmen aus diesen beiden Anleihen geleistet hatte.Das Londoner Schuldenabkommen hat auch in den Diskussionen über die derzeitige griechische Schuldenkrise eine Rolle gespielt, vor allem nach der Wahl der Syriza-Regierung im Januar 2015. Selbst nach mehreren Schuldenerlassen beläuft sich die Auslandsverschuldung Griechenlands auf rund 175 % seines Bruttoinlandsprodukts. Die Bemühungen, diese Schulden zu bedienen, haben zu erheblichen Härten für die griechische Bevölkerung geführt. Als führender Staat der Europäischen Union spielte Deutschland bei der Ablehnung der griechischen Anträge auf einen Schuldenerlass eine herausragende Rolle. Es überrascht nicht, dass diejenigen, die in der Auseinandersetzung für die griechische Position eintraten, häufig das LSA ins Gespräch brachten. Die Londoner Übereinkunft zeigt eine offensichtliche Ironie auf: Griechenland war einer der Unterzeichnerstaaten.Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede zwischen der Situation Deutschlands im Jahr 1953 und der griechischen Situation heute. Das LSA gewährte nur Schuldenerleichterungen; die Deutschen erbaten von ihren Gläubigern keine zusätzliche Unterstützung. Griechenlands europäische Partner fürchten heute zu Recht, dass das Land selbst bei vollständigem Erlass seiner Schulden in nicht allzu ferner Zukunft zusätzliche Hilfe benötigen wird. VertrauensbildendEin zweiter wichtiger Unterschied betraf die Frage von Bruch und Kontinuität. Die 1953 ausstehende Schuld ging auf Entscheidungen zurück, die die Weimarer Regierung und das NS-Regime getroffen hatten. Adenauer und andere führende deutsche Politiker legten Wert darauf unter Beweis zu stellen, dass die Bundesrepublik eine neue Staatsform darstellte und anderen Regeln zu folgen gewillt war. Und sie betonten, Deutschland müsse schon deshalb Schulden zurückzahlen, um das Vertrauen der Welt in seine Kreditwürdigkeit zu gewinnen. Adenauer sprach diesen Punkt gleich zu Beginn seiner Rede im Bundestag an: “Ohne einen sichtbaren Beweis dafür, dass der deutsche Schuldner es mit der Erfüllung seiner alten Verpflichtungen ernst nimmt, kann das Vertrauen des Auslandes in die gesamte deutsche Wirtschaft nicht wieder erweckt werden.” Ein Problem bei den Gesprächen zwischen Griechenland und seinen EU-Partnern ist der Eindruck, dass die griechische Regierung selbst dann, wenn die Politiker wechseln, unfähig bleibt, sich zu den Maßnahmen zu bekennen, die für eine nachhaltige Wirtschaft notwendig sind. Druck der ÖffentlichkeitAuch sind die Umstände in den Gläubigerländern und ihre Einstellung anders. Die europäische Öffentlichkeit zeigt ein sehr starkes Interesse an der aktuellen Krise, ein Interesse, das ihre Regierungen häufig unter Druck setzt, Griechenland gegenüber eine harte Linie zu vertreten. 1949 – 53 waren die Verhandlungsführer in London in einer anderen Position. Die Öffentlichkeit in den USA und in Europa (außerhalb Deutschlands) brachte den deutschen Schuldenverhandlungen wenig Interesse entgegen, ausgenommen die Wirtschaftskreise, deren Vermögenswerte Gegenstand der Verhandlungen waren. Ein Grund dafür waren die Beträge, um die es ging. Die USA sahen ihren Beitrag (2 Mrd. US-Dollar) als Investition in die Nato und damit auch in ihre eigene Sicherheit an. Dieser Beitrag war eine kleine Summe im Vergleich zu den amerikanischen Militärausgaben jener Zeit (etwa 52 Mrd. US-Dollar im Jahr 1953). Großbritannien und Frankreich standen vor ernsthaften finanziellen Herausforderungen, kamen aber schließlich zu dem Schluss, die von den USA geforderten Schuldennachlässe seien ihren Preis wert. Die Komplexität des Abkommens führte zu einigen weit verbreiteten öffentlichen Missverständnissen, aber diese Komplexität bot auch politische Rückendeckung für alle Beteiligten. Wie viele einfache Bürger verstanden denn etwas von Goldklauseln oder den Auswirkungen einer einfachen Verzinsung ohne Zinseszinsen auf seit 20 Jahren nicht beglichene Schulden?Ein letzter Unterschied besteht in der Rolle, die andere Schuldner spielen. 2015 war Griechenland der am stärksten verschuldete EU-Staat, aber auch einige andere litten unter schweren Schuldenlasten. Griechische Schulden zu erlassen, ohne etwas Vergleichbares für andere Schuldner zu tun, wäre politisch schwierig. Zwar war auch Deutschland 1953 nicht das einzige hoch verschuldete Land, und es war auch nicht das einzige verschuldete Land, das zu einem Verbündeten der USA wurde. Auch Japan handelte nach dem Krieg Schuldenschnitte mit seinen Gläubigern aus. Aber die am Londoner Schuldenabkommen beteiligten Alliierten und Gläubiger brauchten nicht zu befürchten, dass die Zugeständnisse, die sie in London anboten, automatisch für andere gelten würden. Pragmatisches KalkülDie Rolle der USA beim Londoner Abkommen war vor allem auf den sich ausweitenden Kalten Krieg und auf das Bestreben zurückzuführen, Westdeutschland in der Nato-Allianz zu verankern. Obwohl dies nicht Teil des Abkommens war, gaben die US-Vertreter den Deutschen zu verstehen, dass die USA im Gegenzug für diese Finanzhilfe von Deutschland erwarteten, ein glaubwürdiges militärisches Potenzial aufzubauen und eine zentrale Rolle in der Nato zu spielen.Das Abkommen war daher eher Ausdruck eines pragmatischen sicherheits- und wirtschaftspolitischen Kalküls als irgendeiner abstrakten Vorstellung von Gerechtigkeit.