Lemonade forciert IPO

Listing des US-Insurtech hätte Signalwirkung für digitale Assekuranz

Lemonade forciert IPO

Ist der Aktienmarkt schon wieder aufnahmefähig für Fintechs, die noch kräftig rote Zahlen schreiben? Die IPO-Pläne des volldigitalen Versicherers Lemonade werden darüber bald Aufschluss geben. Dabei zeigen steigende Prämieneinnahmen, dass das Geschäftsmodell in den USA greift – Deutschland läuft träge. bg Frankfurt – Das seit gut vier Jahren operativ tätige Insurtech Lemonade strebt einen Börsengang an und hat die entsprechenden Dokumente zur Registrierung bei der SEC eingereicht. Darin wird das angestrebte Emissionsvolumen mit maximal 100 Mill. Dollar beziffert, was allerdings noch nach oben geschraubt werden kann im weiteren IPO-Prozess. Diesen sollen Goldman Sachs, Morgan Stanley, Allen & Co sowie Barclays begleiten. Bei der letzten Finanzierung im Rahmen einer Series D vom Frühjahr 2019 nahm Lemonade 300 Mill. Dollar auf bei einer angeblichen Bewertung von 2 Mrd. Dollar.Seinerzeit konnten Fintechs allerdings noch mühelos inflationäre Bewertungen bei Venture-Capital-Investoren durchsetzen, was mit dem Platzen der Blase seit dem Wework-Debakel nicht mehr so einfach möglich ist. Viele müssen sich auf sogenannte Downrounds einstellen wie die britische Neobank Monzo, die Mitte Mai mit dem coronabedingten Abkippen des Geschäfts eine um 40 % auf 1,25 Mrd. Pfund reduzierte Bewertung akzeptieren musste. Investoren misstrauischerZudem werden bei öffentlichen Listings die Bewertungen von institutionellen Investoren insbesondere bei defizitären IPO-Kandidaten stärker hinterfragt. Und da steht Lemonade nicht so überragend da: Während sich der Umsatz 2019 auf 67,3 Mill. Dollar verdreifachte, verdoppelte sich der Nettoverlust auf 108,5 Mill. Dollar – und beim Ausblick merkt das Unternehmen an, der Verlust werde sich kurzfristig vergrößern. Per Ende März belaufen sich die kumulierten Verluste des Start-ups auf 235 Mill. Dollar. Schnelle SkalierungEin solcher Cash Burn ist normal für ein digitales Geschäftsmodell, das auf schnelle Skalierung setzt, um dann auf breiter Nutzerbasis und mit sinkenden Investitionen in Technologie und Vertrieb letztlich profitabler zu sein als die in papiernen Strukturen gefangene Konkurrenz.Lemonade ist aber auch mit den bestehenden, auf 250 Mill. Dollar geschätzten Barreserven ausreichend solvent für das absehbare Wachstum. Die Netto-Prämieneinnahmen beliefen sich 2019 auf knapp 64 Mill. Dollar, im ersten Quartal kamen schon gut 25 Mill. Dollar zusammen, was eine gute Geschäftsdynamik bei den Einnahmen belegt.Dass die Ausgaben anziehen, liegt auch daran, dass Lemonade schon früh in ihrer Entwicklung die Internationalisierung angegangen ist und dabei Deutschland seit Mitte 2019 als ersten ausländischen Zielmarkt betreten hat. Offeriert werden zunächst nur Hausrat- und Haftpflichtversicherung, ein in die App integrierter Wechselservice für bestehende Versicherungen rundet das Angebot ab, bei dem die Axa als Partner unterstützt. Vergleichsportale wie Check24 mit ihrem Revenue Share meidet Lemonade.Beim deutschen Publikum findet das Angebot bislang keinen großen Anklang: Wie “Finance Forward” mit Bezug auf Daten von “Priori Data” berichtet, fanden bislang schlappe 22 000 Downloads der Lemonade-App statt. In dem Zusammenhang werden auch Eckdaten deutscher Insurtechs genannt: Coya hat 2019 Einnahmen von gut 800 000 Euro erzielt und kommt auf eine Schadenquote von knapp über 100 %, was nicht so übel ist für ein Start-up. Der Nettoverlust beträgt allerdings saftige 15 Mill. Euro bei einem bisherigen Funding von 30 Mill. Euro. Auch Coya umschifft (noch) Check24.Bei One Insurance mit ihrer Mutter Wefox stehen für 2019 Prämieneinnahmen von 6,6 Mill. Euro zu Buche bei Schadensbeträgen von 2,7 Mill. Euro wird ein Nettoverlust von 2 Mill. Euro gezeigt – das sind bessere Relationen als bei Lemonade. Die börsennotierte Deutsche Familienversicherung hatte 2019 gebuchte Bruttobeiträge von 91 Mill. Euro (+37 %), mehr als 100 000 Neuverträge geschrieben und dabei einen operativen Fehlbetrag von gut 5 Mill. Euro verbucht. An der Börse wird sie mit 227 Mill. Euro bewertet. Aktionäre unter ErfolgsdruckDa wird Lemonade sehr viel mehr herausholen müssen, um ihre Anteilseigner glücklich zu machen. Insbesondere Softbank steht unter Druck, Erfolge vorzeigen zu können. Zu den weiteren Aktionären zählen Allianz, General Catalyst, Thrive Capital und GV (Google Ventures).