Licht am Ende des Tunnels
Von Thomas Spengler, Stuttgart
Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase sehen sich die 18 deutschen Bausparkassen weiterhin einem permanenten Belastungstest ihres Geschäftsmodells ausgesetzt. Nach dem Grundgedanken des kollektiven Bausparmodells sollten die Zinserträge aus Bauspardarlehen zwar die Hauptertragsquelle der Bausparkassen darstellen. Doch weil die Zinsaufwendungen der Institute seit der Jahrtausendwende allmählich begannen, die Zinseingänge zu übertreffen, sucht die Branche nach Wegen aus der Zwickmühle. Während auf der Passivseite ihrer Bilanzen immer noch hochverzinsliche Bauspareinlagen den Ertrag schmälern, kann dies durch Zinserträge für Bauspardarlehen auf der Aktivseite nicht immer ausgeglichen werden.
„Die Verzinsung der Spareinlagen auf der Passivseite schmilzt langsamer ab, als die Darlehenszinsen auf der Aktivseite gesunken sind“, sagt dazu Stefan Siebert, Chef der LBS Südwest. Durch den Ausbau des margenträchtigeren Geschäfts mit außerkollektiven Baudarlehen versucht das Gros der Kassen, das Abbröckeln ihrer Zinsergebnisse einzudämmen. Da die alten, für die Branche teuren Bausparverträge Jahr für Jahr weniger werden, sehen manche Institute inzwischen auch wieder Licht am Ende des Niedrigzinstunnels.
Wie sehr das Bausparmodell vielfach aus den Fugen geraten war, macht der Vorstandsvorsitzende der Wüstenrot Bausparkasse, Bernd Hertweck, anhand des Anlagegrads klar. Als die Zinsen in den 2000er Jahren immer stärker zurückgingen, mutierten die Kassen zu reinen Verwahrinstituten von zinsträchtigen Altverträgen, so dass gerade mal 10% der Einlagen als Bauspardarlehen ausgereicht wurden. „Dieses Missverhältnis galt es schließlich, wieder in eine Balance zu bringen“, sagt Hertweck. Betrachtet man den aktuellen Anlagegrad im engeren Sinne, liegt dieser für die gesamte Branche bei nur 6%. Berücksichtigt man aber neben den Bauspardarlehen auch die Vor- und Zwischenkredite, die allesamt von einem Bausparvertrag unterlegt sind, ergibt sich in Relation zu den Bauspareinlagen eine Quote von 74% (Anlagegrad II).
Neben der Ausgabe von Sofortfinanzierungen hat auch die Einführung neuer Tarife zur Verbesserung der Lage beigetragen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber den Kassen von 2015 an mehr Freiheitsrechte einräumte. Seitdem ist bei guter Bonität des Kunden die Vergabe von Tilgungsdarlehen erlaubt. Außerdem dürfen Pfandbriefe zur Refinanzierung ausgegeben werden. Dies hat Anfang April mit der erneuten Emission eines Benchmark-Pfandbriefs über 500 Mill. Euro die Bausparkasse Schwäbisch-Hall getan, die nach eingelöstem Neugeschäft mit 30,1% weiterhin als Marktführer gilt.
Wie der Vorstandsvorsitzende Reinhard Klein der Börsen-Zeitung sagte, sollten sich die Kassen auf das konzentrieren, wofür sie gegründet wurden – nämlich Kunden zu ermöglichen, Eigenmittel zum Erwerb der eigenen vier Wände ansparen zu können und anschließend die Immobilie mitzufinanzieren. „Zurück zum Ursprungsgedanke“, nennt es Klein, der zugesteht, dass der Altbestand seiner Kasse weiterhin belastend wirke. Dies spiegelt sich auch in den bauspartechnischen Rückstellungen für Alttarife wider, die laut dem Finanzbericht von Schwäbisch Hall nochmals um 318 Mill. Euro auf 1425 Mill. Euro aufgestockt wurden.
Gleichzeitig sackte das Vorsteuerergebnis des Branchenprimus 2020 weiter auf 81 Mill. Euro (i.V. 189 Mill. Euro) ab. Das operative Geschäft zeige sich dagegen robust, heißt es dazu bei der Muttergesellschaft DZ Bank. Sofern es nicht noch negative Überraschungen im Zuge der Pandemie gibt, geht der Vorstand davon aus, 2022 den Tiefpunkt des Ergebnisrückgangs zu erreichen. „Im Anschluss erwarten wir, dass es wieder nach oben geht“, sagt Klein. Einen signifikanten Beitrag leiste hierfür ein neuer Tarif mit einer Abschlussgebühr von 1,6%, der für Kunden mit einem langfristigen Finanzierungswunsch gedacht ist. „Unser Neugeschäft in diesem und den folgenden Jahren ist gut profitabel“, macht der Vorstand klar, wie überhaupt die Profitabilität insgesamt gesteigert werden soll. Dazu diene neben der Steigerung der Baufinanzierungen auch der Ausbau der Digitalisierung und die laufende Kostenoptimierung.
Indessen reichen die Anfänge einer Restrukturierung bei Wüstenrot laut CEO Hertweck bis 2006/2007 zurück, was sich unter anderem in einem Tarifportfolio mit immer niedrigeren Darlehenszinsen manifestiert hat. Seitdem habe sich das Neugeschäft, das wieder Erträge generiert, auf 13 Mrd. Euro verdoppelt. Damit mache das „profitable Geschäft“ seiner Kasse rund 70% des Bestands aus, sagt Hertweck. Den Altbestand, der dagegen Geld kostet, beziffert er auf noch 30%. „Letzterer wird im Übrigen jedes Jahr ein bisschen kleiner“, so der Vorstandschef. Bekanntlich können die Kassen übersparte, in der Regel hochverzinsliche Bausparverträge und solche, die zehn Jahre zuteilungsreif sind, durch Kündigung loswerden.
Eventuelle Altansprüche seitens der Kunden spiegeln sich in den leicht sinkenden bauspartechnischen Rückstellungen in Höhe von 972 Mill. Euro wider. Damit ist die Last der Alttarife eingepreist, die Zinswunden können also langsam heilen. Vor diesem Hintergrund plant Wüstenrot für das laufende Jahr wieder mit leicht steigenden Erträgen. „Wir sind überm Berg“, resümiert Hertweck. Wüstenrot hat keinen Tarif mit 1,6% Abschlussgebühr, sondern bietet durchgängig eine Abschlussgebühr von 1%. „Wir haben dafür Angebote mit einer hohen Optionalität“. Dieser Variantenpreis kostet zusätzlich 0,5%. Dafür erkauft sich der Kunde eine höhere Flexibilität, mit der eine Senkung der Darlehenssumme oder eine höhere Zuteilung möglich sind.
Dagegen agiert die LBS Südwest bei neuen Tarifen mit einer von 1,0 auf 1,6% erhöhten Abschlussgebühr. „Es tritt sofort eine Entlastungswirkung ein, wodurch wir im Zeitverlauf eine bessere Ausbalancierung der Liquidität bekommen“, sagt CEO Siebert, der sich auf die Stabilisierung des Zinsergebnisses fokussiert. Noch leide man unter einer durchschnittlichen Verzinsung der Einlagen bei etwas über 1%. In zwei oder drei Jahren aber werde dieser Effekt auslaufen, sagt er. Der Trend nach unten löse sich langsam auf und gehe in eine Seitwärtsbewegung über. „Die derzeitige Konstellation gleicht einem Tassenboden, an dessen Ende es wieder langsam nach oben gehen wird,“ sagt Siebert. Dabei machen die neuen Bauspartarife bereits einen wachsenden Anteil von 60% am Neugeschäft und 15% des Bestands an Bausparverträgen aus.
Relativ früh hat nach eigenen Worten die BHW Bausparkasse in Hameln auf das sinkende Zinsniveau reagiert. „Seit 2013 haben wir das Tarifportfolio grundlegend überarbeitet“, sagt BHW-Chef Henning Göbel. Hinzu kommt auch hier das zweite Standbein des margenträchtigeren Finanzierungsgeschäfts mit Wachstumsraten von zuletzt 18%. Damit sei die Kasse im Neugeschäft sehr profitabel, was Göbel insbesondere auf die eher atypische Bilanzstruktur der zum Deutsche-Bank-Konzern gehörigen Kasse zurückführt. So stehen bei der BHW den rund 40 Mrd. Euro Kundenforderungen Bauspareinlagen von knapp 24 Mrd. auf der Passivseite gegenüber. „Wir haben also keine überschüssigen Mittel.“ Daraus resultiert ein seit drei Jahren steigender Zinsüberschuss, der 2020 inklusive laufender Erträge um 1,9% auf 516 Mill. Euro zulegte. „Und unsere mittelfristige Planung über fünf Jahre sieht eine weitere Steigerung des Zinsüberschusses vor“, sagt der BHW-Chef.
Insgesamt summierte sich per Ende 2020 die Zahl der Bausparverträge aller 18 privaten und öffentlich-rechtlichen Kassen auf 25,1 Millionen mit einer aggregierten Bausparsumme von 919 Mrd. Euro. Insbesondere die kleinen Häuser bleiben wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase, aber auch aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen etwa an die hauseigenen Meldesysteme stark unter Druck.