"Liebe auf den zweiten Blick" ist nicht ausgeschlossen

Banken müssen Weiterentwicklung der SEPA-Verfahren zeitnah angehen

"Liebe auf den zweiten Blick" ist nicht ausgeschlossen

Am 31. Januar 2014 endet – nach exakt sechs Jahren – die Übergangsphase zur Ablösung der nationalen Zahlungsverfahren und -formate in Europa. Die Single Euro Payments Area (SEPA) ist aber nach wie vor bei vielen Marktteilnehmern unbeliebt. Nach Ablauf von rund 85% der Migrationsphase werden in Deutschland erst ca. 3% aller Zahlungen im SEPA-Verfahren abgewickelt. Während die Projekte der Banken weitgehend abgeschlossen sind, planen viele Unternehmen ihre Umstellungsprojekte “just-in-time” zum Stichtag zu beenden. Dies wird zu Problemen führen.Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs wird häufig als “unsexy” und als “Brot-und-Butter-Geschäft” mit hohem “Hygienefaktor” gesehen: Neben dem Kredit gehört kein anderes Produkt so unbestritten zu den Kernaufgaben einer Bank. Aber auch bei keinem anderen Produkt sind Automatisierung und Wettbewerb vergleichbar hoch. Dies führt zu niedrigen Preisen und geringer Aufmerksamkeit. Wenn Probleme auftreten, ist Detailwissen gefragt und die Aufregung ist oft groß – zum Beispiel wenn Lieferanten oder Mitarbeiter auf ihr Geld warten müssen.Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, dass viele Migrationsprojekte von Unternehmen auf die lange Bank geschoben werden. Eine aktuelle Umfrage der Commerzbank zeigt, dass zahlreiche Unternehmen auf die mit SEPA einhergehenden Änderungen nur schlecht vorbereitet sind (Siehe Grafik 1). Einige Experten zeichnen daher ein pessimistisches Bild, in dem der Wirtschaftskreislauf ins Stocken geraten könnte, weil Abnehmer ihre Lieferanten nicht bezahlen können, die dadurch ihrerseits in Liquiditätsprobleme geraten könnten.Während die Güter bzw. Dienstleistungen in der schematisch dargestellten Wertschöpfungskette von links nach rechts fließen, fließen Zahlungsströme von rechts nach links (Siehe Grafik 2). Unternehmen haben in den letzten Jahren, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, viel Energie darauf verwendet, beide Wertschöpfungsketten zu optimieren – sowohl jeweils für sich betrachtet sowie in ihrer Verzahnung. Dabei hat sich die technische Basis, auf der Banken Services für die Abwicklung der finanziellen Wertschöpfungskette anbieten, in den vergangenen Jahren nur wenig verändert. SEPA ändert diese “Spielregeln” so grundlegend, dass alle Unternehmensteile betroffen sind, die in irgendeiner Form mit Zahlungsströmen in Verbindung stehen.Unbestritten bringt die Migration auf SEPA-Zahlungen Aufwand mit sich. Neben der Umstellung auf IBAN und BIC stellen insbesondere die neuen Vorlauffristen, mit denen Lastschrift-Einreicher die Zahlungsdateien bei ihren Banken einreichen müssen, viele Unternehmen vor größere Herausforderungen. Zahlreiche Gespräche mit Unternehmensvertretern belegen zudem, dass es wichtig ist, vor allem zwei emotionale Aufgaben auf dem Weg zur SEPA zu bewältigen: Es gilt, SEPA als Chance zu begreifen und die Geschäftsleitung von der Dringlichkeit der anstehenden Aufgaben zu überzeugen.Die deutschen Banken unternehmen derzeit große Anstrengungen, ihre Kunden für SEPA zu sensibilisieren. Dabei steht die fristgerechte aktive Umstellung im Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund des nahenden Stichtages werden von den Kunden dabei in vielen Fällen die technologischen, funktionalen und strategischen Chancen und Vorteile, die mit SEPA einhergehen, zurückgestellt. Viele Unternehmen haben jedoch erkannt, dass es sinnvoll ist, die jetzt für die “regulatorischen SEPA-Muss-Projekte” notwendigen Aufwände wiederzuverwenden bzw. zu “hebeln” um im Nachgang chancenorientierte “SEPA-Plus-Projekte” anzugehen.Um die “regulatorische” SEPA-Fähigkeit zu erzielen, bieten die Banken detaillierte Beratungen, Checklisten und Handlungsempfehlungen sowie Kundenveranstaltungen und dezidierte Test- und Migrations-Services an. Dennoch kann man vor dem Hintergrund der enttäuschenden Nutzungsquoten von SEPA, dem Feedback vieler Kunden aus bilateralen Gesprächen und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zitierten Umfrage wenig optimistisch sein, dass es alle Unternehmen schaffen werden, sämtliche betroffenen ein- und ausgehenden Zahlungsströme fristgerecht auf SEPA umzustellen.Daher sollte sich der Finanzdienstleistungssektor darauf vorbereiten, für einen Übergangszeitraum technische Services zur Verfügung zu stellen, die es Unternehmen ermöglichen, die SEPA-Zahlungsinstrumente zu nutzen, ohne dabei zunächst auf die SEPA-Formate umstellen zu müssen. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass es sich dabei – auch im Wortsinn – lediglich um das “Kaufen” von Zeit handelt, denn auch für solche Übergangslösungen kann es kein vollständiges “Plug & Play” von einem auf den anderen Tag geben: Auch solche Übergangslösungen müssen getestet werden und es müssen Regelungen für die Fälle gefunden werden, für die die Übergangslösungen nicht nutzbar sind, zum Beispiel weil die Datenqualität der vorhandenen Stammdaten nicht ausreicht. Vor allem können Unternehmen von den skizzierten Vorteilen nur dann nachhaltig profitieren und auf zukünftige Änderungen im Bereich des Zahlungsverkehrs flexibel reagieren, wenn die Umstellung auf SEPA ohne “Workarounds” erfolgt.Dies wird umso sichtbarer, wenn man sich verdeutlicht, dass sich SEPA derzeit sinngemäß in einer Art “Version 1.0” befindet – weitere Ausbaustufen werden folgen und für Unternehmen weitere Vorteile bringen. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass zukünftige Zahlverfahren für Electronic und Mobile Commerce für Bezahlungen im Internet und per Mobiltelefon wesentlich auf SEPA basieren werden (“E- & M-Payments”). Die Banken haben in diesem Zusammenhang übrigens – durchaus selbstkritisch – erkannt, dass auch sie noch Hausaufgaben zu erledigen haben: Neben den genannten “E- & M-Payments” sind dies vor allem die sogenannten “E-Mandate”, die es Unternehmen und Konsumenten ermöglichen werden, online rechtswirksame Vereinbarungen über die Nutzung von SEPA-Lastschriften zu treffen ohne ein schriftliches Mandat auszutauschen.Egal ob mit “Workarounds” oder mit “echter” Umstellung – Zeit und Ressourcen auf Unternehmens- und Bankseite werden knapp und auch bei den Übergangslösungen wird es auf manches Detail ankommen. Unternehmen sind also gut beraten, so schnell wie möglich aktiv auf die neuen Lösungen umzustellen um frühzeitig Erfahrungen zu sammeln.Aber auch die skizzierten Aufgaben der Banken zur Weiterentwicklung der SEPA-Verfahren sind zeitnah anzugehen, um die Attraktivität der SEPA-Produkte aus Sicht der Zahlungsnutzer zu erhöhen. Vielleicht wird es ja dann eine “Liebe auf den zweiten Blick” zwischen Unternehmen und SEPA.