IM BLICKFELD

Liquidität im Euro-Clearing-Markt gerät in Bewegung

Von Dietegen Müller, Frankfurt Börsen-Zeitung, 10.10.2018 Trotz des anhaltenden Niedrigzinsumfelds spüren Börsenbetreiber und Dienstleister in Europa Rückenwind im Clearing-Markt. Die zentrale Verrechnung von Ansprüchen aus Zins- und...

Liquidität im Euro-Clearing-Markt gerät in Bewegung

Von Dietegen Müller, FrankfurtTrotz des anhaltenden Niedrigzinsumfelds spüren Börsenbetreiber und Dienstleister in Europa Rückenwind im Clearing-Markt. Die zentrale Verrechnung von Ansprüchen aus Zins- und Kreditderivaten sowie Währungskontrakten über einen zentralen Kontrahenten wird mehr genutzt. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Bank der Notenbanken, ist beispielsweise das Volumen zentral geclearter Kreditausfallderivate (CDS) global von 4,4 Bill. Dollar ausstehendem Nominalvolumen per Ende 2010 auf 5,1 Bill. Dollar per Ende 2017 gestiegen. Weil das Volumen des CDS-Markts stark geschrumpft ist, machen zentral verrechnete Geschäfte, in der Finanzkrise noch marginal, nun 55 % aus. Kaum Währungs-ClearingIm Zinsderivatemarkt macht zentrales Clearing laut BIZ rund 75 % des ausstehenden Volumens aus. Im Euro ist der Anteil mit 72 % noch etwas geringer. Fast kein Thema ist die Verrechnung über eine zentrale Gegenpartei (CCP) dagegen im Währungsmarkt. Nur rund 2 % der außerbörslich gehandelten FX-Kontrakte werden über einen CCP gecleart. Die BIZ meint, der Großteil davon entfalle auf Non-Deliverable Forwards, da diese im Währungsmarkt “eines der wenigen Instrumente sind, die CCP zum Clearing anbieten”.Der Clearing-Markt brummt insbesondere in Europa und den USA. Seit der Finanzkrise haben die Regulatoren stark auf Clearing-Pflichten gesetzt, um Systemrisiken auszuschalten. Daher wird heiß diskutiert, ob Clearing-Häuser selbst ein Risiko darstellen könnten. Ein Insolvenzfall im Strommarkt, die das Clearing-Haus Nasdaq Clearing und seine Kunden traf (vgl. BZ vom 15. September), hat die Aufseher auf den Plan gerufen. Doch dies wird das Wachstum nicht bremsen. In der EU müssen institutionelle Anleger wie Pensionsfonds ab September 2019 auch für kleinere Nominalvolumen, die nicht gecleart werden, eine Sicherheitsmarge (Initial Margin) stellen, was kostspielig ist. Dies dürfte die Nachfrage nach zentral geclearten Transaktionen erhöhen.Umgekehrt haben sich einige Clearing-Broker zurückgezogen. Die verbleibenden haben eine höhere Preismacht, und Kunden müssen neue Geschäftsbeziehungen aufbauen oder direkt Mitglied eines Clearing-Hauses werden. Für kleinere Marktteilnehmer bedeutet dies mitunter hohe Kosten. Sogenannte “gesponserte” Modelle im Markt, die geringere Kosten versprechen, wecken darum Interesse. Richard Thompson, Chief Operating Officer und Mitgründer von Sernova Financial, sagt im Gespräch, der Clearing-Markt verändere sich bereits seit einiger Zeit. “Das regulatorische Umfeld erschwert es Banken, Clearing-Dienstleistungen anzubieten. Die Kosten für die Bilanznutzung haben sich drastisch erhöht. Dies hat zum Marktaustritt von Clearing-Brokern geführt.” Thompson stellt auch fest, dass in einem zentralisierten Markt wie jenem für Euro-Zinsderivate, der bisher beim Londoner Clearing-Haus LCH konzentriert war, die Nachfrage nach einem direkten Zugang zu anderen Clearing-Häusern gestiegen ist. “Die Euro-Liquidität ist in Bewegung geraten”, so Thompson. Es gebe mehr Mitglieder bei der Frankfurter Derivatebörse Eurex, die nun im Zinskontraktgeschäft in der einen oder anderen Form täglich handelten. Der Ende März 2019 bevorstehende Brexit habe ein “enormes Maß an Interesse an Eurex” hervorgerufen, genauso wie ein Bedürfnis nach “flexibler Infrastruktur”, sagt Thompson. Zahlen von Eurex belegen dies, allerdings ist bisher vor allem kurzfristiges Geschäft aus dem Interbankenmarkt zu Eurex gewandert. Der Marktanteil an Transaktionen von Endkunden wie Buy-Side-Adressen ist noch überschaubar (vgl. BZ vom 22. August). Harter Brexit als Risiko”Aus unserer Sicht macht es viel Sinn, Direct Clearing Member an der Eurex zu werden und nicht über einen Clearing-Broker zu gehen, denn viele von diesen sind in London ansässig”, so Thompson. Diese Beziehungen könnten, falls es zu einem harten Brexit kommen, nicht so schnell und nahtlos umgesetzt werden. Als Clearing-Broker werde man nach dem Brexit nicht die volle Kapitalanerkennung der europäischen Aufsicht erhalten, wenn man nicht in der EU-27 eine Niederlassung hat. Die vom Broker erbrachte Dienstleistung verteuere sich dadurch.Thompson erwartet, dass Banken, die ihren Heimatmarkt in Europa haben, nach dem Brexit bei einem lokalen Clearing-Haus ihre Euro-Kontrakte verrechnen lassen, “vielleicht sogar auch ihre Sterling- und Schweizer-Franken-Kontrakte”. Kaum Auswirkungen dürfte der Brexit laut dem Clearing-Spezialisten auf das CDS- sowie Repo-Clearing haben, das vor allem über Paris laufe.Doch dürften laut Thompson künftig mehr und mehr Währungs- und Repo-Transaktionen zentral gecleart werden. Sernova ermögliche seinen Kunden, diese Anbindung zu übernehmen, und vereinfache etwa Default- oder Collateral-Management- sowie Stresstest-Prozesse: “Wir wollen mit unserer Lösung die Finanzmärkte demokratisieren.”Da regulatorisch bedingt wohl noch viel Volumen von Pensionsfonds zum CCP-Clearing wandern dürfte, werden auch vermehrt direktionale Positionen – also Absicherungen für Long-only-Portfolios – über Clearing-Häuser verrechnet werden. Thompson meint, dies bedeute inhärent, dass es zu einem Spread kommen werde – also einer Differenz zwischen Festzinszahlern und Festzinsempfängern. “Ich sehe noch nicht, wie dieses Risiko gemanagt wird”, so Thompson. Thomas Book, CEO der Eurex, sieht dies entspannter: “Je mehr Liquidität in den Markt kommt, desto besser ist das auch für die Preisbildung.” Es sei grundsätzlich sehr willkommen, wenn weitere Gruppen dazu kommen, wie Pensionsfonds. Es gebe da erst einmal keine Kapazitätsbeschränkung.