Low Carbon als Investitionsansatz für Pensionskassen
Annika MilzLeiterin Institutionelle Kunden Deutschland bei FidelityNachhaltiges Investieren ist derzeit in aller Munde. Auch institutionelle Investoren wie Pensionskassen suchen verstärkt nach Möglichkeiten, ihre Portfolioentscheidungen nachhaltig, beispielsweise nach ESG-Kriterien, auszurichten. Darunter fallen Umwelt- (Environment) und soziale Kriterien (Social) sowie Aspekte guter Unternehmensführung (Governance). Bei Rentenpapieren nähern sich Investoren jedoch erst allmählich ESG-Ansätzen an – auch weil ihnen häufig die Erfahrungen fehlen oder ihnen einfach zu wenig Informationen und Umsetzungsideen vorliegen. Ein möglicher erster Schritt hin zu ESG-Investments kann ein Low-Carbon-Ansatz sein, der hier vorgestellt werden soll.In vielen Kundengesprächen zeigen Pensionskassen zunehmend Interesse an sogenannten Green Bonds (“grüne Anleihen”). Doch auch wenn der Klimawandel eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts darstellt, bleibt der Anteil dieser Bonds am Anleihenmarkt bislang sehr übersichtlich. Manche umweltbewussten Anleger schrecken der Mangel an Standardisierung und die nicht wettbewerbsfähigen Erträge ab. Diesen Bedenken lässt sich dadurch begegnen, dass man, anstatt grüne Anleihen zu kaufen, auf die Reduzierung von CO2-Emissionen abzielt und dabei am Aktienmarkt verfügbare Daten nutzt. Dadurch verlagert sich der Fokus von einem regelbasierten Ansatz auf die tatsächlichen Umweltauswirkungen. So lässt sich eine bislang unattraktive Anlageklasse in einem ausgewogenen Anleiheportfolio erschließen, in dem der Schutz der Umwelt eine Kernstrategie darstellt.Der konventionelle Investmentansatz in Bezug auf den Klimawandel konzentriert sich auf die Meidung der Risiken von “Stranded Assets”. Dies sind Anlagen, die vorzeitig abgeschrieben werden müssen, hauptsächlich infolge geänderter Regulierung oder technischer Innovation; ein Beispiel sind mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke, die durch Begrenzungen von CO2-Emissionen obsolet werden.Unternehmen mit Stranded Assets können also aus dem Anlageuniversum herausgefiltert oder verkauft werden. Durch diesen Ausschlussansatz werden umweltschädliche Projekte weniger attraktiv. Doch damit ist noch kein Anreiz für Anleiheemittenten verbunden, umweltfreundlichere Projekte in Angriff zu nehmen. Hier kommen Green Bonds ins Spiel. Green Bonds ermöglichen die Finanzierung von Projekten, die Nutzen für die Umwelt stiften und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen – darin liegt ihr Hauptvorteil. Dem stehen allerdings zwei bedeutende Nachteile gegenüber: Es gibt keine allgemeingültige Definition dafür, was ein Green Bond ist. Zwar haben einige unabhängige Organisationen Leitlinien für Emittenten grüner Anleihen veröffentlicht, die für Transparenz sorgen. Jedoch kann theoretisch jeder eine Anleihe auflegen und diese als Green Bond bezeichnen. Mit den 2014 veröffentlichten Green-Bond-Grundsätzen wurden Standards der Weltbank formalisiert. Sie sind aber nicht verbindlich und bieten erheblichen Auslegungsspielraum. Im Jahr 2016 wurden 69 % der emittierten Green Bonds von unabhängiger Seite überprüft. Bei fast einem Drittel der Anleihen war dies demnach nicht der Fall. Das Emissionsvolumen von Green Bonds dürfte von 92 Mrd. Dollar im Jahr 2016 auf 100 Mrd. Dollar im Jahr 2018 steigen, wobei immer mehr neue Emittenten hinzukommen. Mit 41 % des Emissionsvolumens im laufenden Jahr haben staatliche und supranationale Emittenten einen erheblichen Anteil am Gesamtmarkt. Da sich diese Institutionen günstig verschulden können, halten sie die Renditen und Risikoaufschläge bei Green Bonds im Vergleich zum breiten Markt für Unternehmensanleihen niedrig. In einem Umfeld sehr niedriger Zinsen können viele Anleger es sich nicht leisten, auch nur einen kleinen Renditeabschlag bei grünen Anleihen zu akzeptieren, der den Emittenten eine günstigere Refinanzierung ermöglicht. Damit kämen Green Bonds nicht mehr als Kernposition im Portfolio in Betracht. Eine weitere Herausforderung ist die begrenzte Liquidität des Markts für grüne Anleihen. Dies gilt zwar nicht für Green Bonds öffentlich-rechtlicher Emittenten, aber für länger laufende Unternehmenspapiere, die von den Anlegern typischerweise dauerhaft gehalten werden. Verschärfend kommt hinzu, dass am Markt für grüne Anleihen nur wenige US-Emittenten aktiv sind. Das Fehlen amerikanischer Emissionen führt zu einer natürlichen Begrenzung des Wachstumspotenzials. Die Definition von Green Bonds ist nicht nur unscharf, sie ignoriert auch die große Bandbreite an umweltbewussten Anlageformen. Nach Schätzungen der Climate Bonds Initiative (CBI) würde durch Einbeziehung von “klimagerechten” Anleihen das Volumen des Gesamtmarkts für Green Bonds von 118 auf 694 Mrd. Dollar steigen. Allerdings leidet die CBI-Definition “klimagerechter” Anleihen an derselben Unschärfe wie diejenige grüner Anleihen. Der Markt für Green Bonds hat offenbar mit zunehmenden Schwierigkeiten zu kämpfen. Dennoch glauben wir, dass es eine Lösung gibt, bei der Anleger sowohl größere positive Umweltauswirkungen als auch eine höhere Rendite erwarten können. Bei dieser Lösung wird der Fokus auf die Senkung der CO2 Emissionen verlagert und damit auf die Umweltauswirkungen. Bezieht man neben grünen Anleihen auch Low-Carbon-Bonds ein, vergrößert sich das Anlageuniversum erheblich. Dies hat viele Vorteile: Green Bonds setzen positive Anreize für Emittenten zur Verfolgung umweltfreundlicher Projekte. Low Carbon Bonds benachteiligen weniger umweltbewusste Emittenten und setzen damit für sie negative Anreize. Zudem kommt ein quantifizierbares Maß der Umweltverträglichkeit: Ein Mandat zur Reduzierung der CO2-Emissionen beinhaltet ein klares, objektives Ziel. Dabei lassen sich am Aktienmarkt gängige Indizes für die CO2-Intensität der Unternehmensaktivitäten nutzen, um ein Portfolio mit messbar reduzierten CO2-Emissionen zusammenzustellen. Ein weiterer Vorteil ist die Abbildung der Charakteristik globaler Unternehmensanleihen: Bei der Konstruktion eines Portfolios mit CO2-Reduzierungsziel lässt sich gleichzeitig gezielt das Risikoprofil eines globalen Corporate-Bond-Index aufrechterhalten. Low Carbon Bonds – Dreistufiger Investmentprozess1. Schritt: Definition des AnlageuniversumsUm ein Portfolio aus grünen Anleihen und Low Carbon Bonds zu bilden, werden im ersten Schritt Unternehmen mit Stranded Assets ausgeschlossen. Gleichzeitig erfolgt eine positive Vorauswahl bei Green Bonds und problemlos verfügbaren Low-Carbon-Indizes. Zwar gibt es keine globalen Anleihen-Benchmarks, die sich auf Emittenten mit niedrigem CO2-Fußabdruck fokussieren. Jedoch lassen sich Aktienindizes, wie der MSCI Global Low Carbon Leaders Index, gut als Näherungslösung verwenden. Der Index soll den CO2-Fußabdruck der darin enthaltenen Emittenten gegenüber dem breiten Markt um mindestens 50 % reduzieren. Dazu werden die Unternehmen mit den höchsten CO2-Emissionen bzw. den größten Reserven an fossilen Brennstoffen aussortiert. Den verbleibenden Aktien werden entsprechende Anleiheinstrumente zugeordnet, um einen globalen Index für Unternehmenspapiere mit Investment-Grade-Rating und niedrigem CO2-Fußabdruck zu bilden. Das resultierende Portfolio deckt rund 70 % des Ausgangsuniversums ab und reduziert die CO2-Intensität um mehr als 40 %. 2. Schritt: Anwendung eines aktiven QualitätsfiltersDurch aktive Einzeltitelauswahl lässt sich das Renditepotenzial erhöhen, indem Verluste infolge von Rating-Herabstufungen und Zahlungsausfällen minimiert werden. Durch eine fundamentale Bonitätsanalyse kann das Portfoliomanagement darüber hinaus Emittenten geringerer Qualität aussortieren.3. Schritt: Optimierung des PortfoliosIm letzten Schritt wird das Portfolio im Hinblick auf Rendite, Duration und Bonität so ausgerichtet, dass es die wesentlichen Charakteristika eines globalen Index für Unternehmensanleihen aufweist. Auch Beschränkungen hinsichtlich Branchen, Ländern und Emittenten sowie der Liquidität können berücksichtigt werden. Bei der Optimierung wird ein Mindestmaß an Diversifikation auf Einzeltitelebene sichergestellt. Hierbei orientiert sich die Größe der Positionen am jeweiligen Bonitätsrisiko. Fazit: Das Interesse an grünen Anleihen nimmt zwar zu, doch leidet der Markt an unzureichender Standardisierung, niedrigen Renditen und eingeschränkter Liquidität. Eine Möglichkeit, dem Markt für Green Bonds zum Durchbruch zu verhelfen, ist die Ausweitung des Fokus auf die Umweltauswirkungen in Form reduzierter CO2-Emissionen. Damit lässt sich ein größeres und besser quantifizierbares Anlageuniversum für grüne Anleihen schaffen und das Risiko-Ertrags-Profil des globalen Markts für Unternehmensanleihen erhalten. Das Low-Carbon-Modellportfolio bietet bei einem Rating im Bereich Investment Grade höhere Renditen und Risikoaufschläge sowie eine längere Duration als der traditionelle Green-Bond-Index. Damit weist die Anlagelösung vergleichbare Eigenschaften wie globale Corporate-Bond-Indizes auf. Umweltbewusste Anleger müssen bei der Wertentwicklung ihrer Anleiheportfolios keine Nachteile in Kauf nehmen. Der hier vorgestellte Ansatz ist ein Weg zur Umsetzung von ESG-Kriterien, bei dem umweltfreundliche Anlagen im Rahmen eines ausgewogenen Anleiheportfolios zu einer praktikablen Kernstrategie werden können.