Lufax steuert die Wall Street an
Der Börsengang des chinesischen Fintech-Riesen Ant Group in Hongkong und Schanghai ist derzeit in aller Munde. Zugleich profiliert sich ein weiterer Anbieter namens Lufax mit einem Gang an die New Yorker Börse. Er wird es auf 2,4 Mrd. Dollar bringen – das 2020 bislang größte chinesische IPO an der Wall Street. nh Schanghai – Die vom chinesischen Lebensversicherer und Allfinanzriesen Ping An Insurance sowie einigen Finanzinvestoren maßgeblich kontrollierte Fintech-Plattform Lufax Holdings bringt ihr seit längerem geplantes Initial Public Offering (IPO) an der New York Stock Exchange (Nyse) auf den Weg. Die ursprünglich zu den führenden chinesischen Adressen im Geschäft mit sogenannten Peer-to-Peer-Kreditvergaben (P2P) zählende Lufax setzt mittlerweile Schwerpunkte bei der Vermittlung von Online-Krediten für Verbraucher und Kleinunternehmer durch etablierte Banken sowie bei Online-Vermögensverwaltungsaktivitäten. 33 Mrd. Dollar MarktwertLufax hatte ursprünglich mit dem Börsengang eine Kapitalaufnahme von mindestens 3 Mrd. Dollar anvisiert, wird nun allerdings etwas kleinere Brötchen backen. Wie aus einer Eingabe an die US-Wertpapieraufsichtsbehörde Securities Exchange Commission (SEC) hervorgeht, will Lufax 175 Millionen Aktienhinterlegungsscheine beziehungsweise American Depositary Shares (ADS) emittieren und zu einer Preisspanne zwischen 11,5 und 13,5 Dollar je ADS vermarkten. Nach dieser Maßgabe wird es das IPO auf einen Umfang von 2,4 Mrd. Dollar bringen. Allerdings winkt noch eine Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) über 26,25 Millionen ADS, mit der zusätzlich gut 350 Mill. Dollar bei den Anlegern eingesammelt werden könnten. Damit stellt Lufax in jedem Fall das größte chinesische IPO an der Wall Street in diesem Jahr. Bei einer Zuteilung am oberen Rand der Preisspanne würde es Lufax zum Emissionszeitpunkt auf einen Marktwert von rund 33 Mrd. Dollar bringen.Lufax hat mit Bank of America, Goldman Sachs, HSBC und UBS eine ganze Reihe von bekannten Investmentbanken als Emissionsbegleiter rekrutiert. Darüber hinaus wird noch das zu Ping An gehörende Hongkonger Brokerhaus China PA Securities an der Transaktion mitwirken. Der endgültige Emissionspreis soll am 29. Oktober verkündet werden, so dass am Freitag, 30. Oktober, mit einem Handelsstart an der Nyse zu rechnen ist.Lufax wird schon seit einigen Jahren als ein heißer IPO-Kandidat aus dem Fintech-Lager gehandelt, allerdings war man lange davon ausgegangen, dass die in Shenzhen nahe an der Grenze zu Hongkong beheimatete und selber bereits an der Hongkonger Börse notierte Ping An eher einen Aufschlag an der Börse Hongkong planen würde. Schließlich hatte Ping An erst im Dezember mit One Connect Financial Technology bereits einen kleineren Fintech-Ableger erfolgreich an die Hong Kong Exchanges gebracht, dessen Marktwert sich seit dem Listing mehr als verdoppeln konnte.Lufax beziehungsweise Ping An hat es jedoch anscheinend darauf abgesehen, mit US-Anlegern auf Tuchfühlung zu gehen, und rechnet mit hohen Bewertungsrelationen, die auch in diesem Jahr chinesischen Technologiefirmen an der Wall Street zugute gekommen sind. Möglicherweise will Lufax auch nicht im Windschatten des Mega-IPO des chinesischen Fintech-Riesen Ant Group stehen, die gegenwärtig zu einer voraussichtlich 35 Mrd. Dollar schweren Emission an den Börsen in Hongkong und Schanghai ansetzt.Abgesehen davon ist Lufax noch in einer anderen Hinsicht besonders geeignet, in transparente und offene Kommunikation mit US-Anlegern zu treten. Als CEO der Gesellschaft fungiert nämlich der fließend Chinesisch parlierende Amerikaner Greg Gibb. Lufax gibt als eine von einem US-Amerikaner gemanagte chinesische Gesellschaft eine absolute Rarität ab. Dreijähriger MarathonIn jedem Fall kann Lufax einen fast dreijährigen Marathon in Sachen IPO-Plänen mit einem Zieleinlauf in New York angemessen über die Bühne bringen. Die Verzögerung hängt in erster Linie damit zusammen, dass sich die ursprünglich als reine P2P-Plattform aufgezogene und dabei schnell zu den führenden Anbietern in China aufgestiegene Lufax veranlasst gesehen hat, ihr Geschäftsmodell gewissermaßen neu zu erfinden. Im Geschäft mit P2P-Krediten, bei denen Private Kreditmittel zur Verfügung stellen, war es in China nämlich zu einem gewaltigen Wildwuchs gekommen, dem die chinesischen Finanzregulatoren nach einer ganzen Reihe von Skandalen mit Millionen von geschädigten Anlegern mit einer ganzen Latte von Restriktionsmaßnahmen einen Riegel vorzuschieben wussten. Neue AktivitätenAngesichts dieser Herausforderung hat Lufax sich in den letzten Jahren immer weiter aus dem schlecht beleumundeten P2P-Geschäft zurückgezogen und sich unter den Fittichen von Ping An zu einer der führenden Plattformen für Online-Wealth-Management-Dienste gemausert. Diese bringt es gegenwärtig auf rund 12 Millionen aktive Nutzer im Reich der Mitte. Im Sommer streckte Lufax dann erste Fühler zu einer Expansion in den Hongkonger Markt aus und zog dort die Tochter Lu International (Hong Kong) auf. Über die neue Gesellschaft sollen Fondsprodukte von etablierten globalen Assetmanagern wie etwa Fidelity oder BlackRock bei chinesischen Anlegern vertrieben werden.Das frische Kapital aus dem Wall-Street-IPO will Lufax für weitere globale Expansionsschritte in Sachen Fondsverkauf und -marketing sowie eine technologische Aufrüstung nutzen, heißt es im Emissionsprospekt. Marktteilnehmer rechnen damit, dass die Mittel auch zum Aufbau einer Kriegskasse für Akquisitionen und Beteiligungen dienen werden.Zum Stand 30. Juni hat Lufax kumuliert bislang Retailkredite in einem Gesamtumfang von 519 Mrd. Yuan (65 Mrd. Euro) anbahnen können. Dabei wurden insgesamt 13,4 Millionen Kreditnehmer über die Plattform mit rund 50 Banken und Finanzinstituten verknüpft. In der ersten Geschäftsjahreshälfte 2020 kletterten die Einnahmen um knapp 10 % auf 3,6 Mrd. Dollar, heißt es im Emissionsprospekt. Der Gewinn nach Steuern ermäßigte sich allerdings geringfügig um 3 % auf 1,1 Mrd. Dollar.