SERIE: DIGITALE BÖRSENWELT (3)

Luminex und Plato schotten sich ab

Assetmanager in den USA und in Europa setzen Vehikel für Blocktrades auf - Dem Hochfrequenzhandel ein Schnippchen schlagen - Regulierung kappt Dark Pools

Luminex und Plato schotten sich ab

Alle großen Handelsplätze von Bats Chi-X Europe und London Stock Exchange bis hin zur Deutschen Börse sind bemüht, ihren Kunden aus dem Assetmanagement mit neuartigen Dienstleistungen für Blocktrades entgegenzukommen. Die sind aber weder mit den durch Regulierung begrenzten Dark Pools noch mit den vom Hochfrequenzhandel manipulierten traditionellen Börsenplätzen zufrieden. Um die gewünschte Liquidität und Anonymität im Vorhandel zu gewährleisten, geht die Fondsbranche – in der EU im Schulterschluss mit den Großbanken – nun die Schaffung der Handelsplätze Luminex und Plato an, die ihren Bedürfnissen entsprechen.Von Björn Godenrath, FrankfurtRund 40 Dark Pools gibt es in den USA neben den zwölf regulären Handelsplätzen. Mit Luminex ist nun ein weiterer Anbieter hinzugekommen, der als Alternative Trading System (ATS) zwar wie ein Dark Pool funktioniert, aber nicht von Banken, sondern von den großen Assetmanagern betrieben wird. Entstanden ist Luminex als eine Defensivmaßnahme gegen die ausgedünnte Liquidität für Blocktrades. Zudem fühlen sich die Geldverwalter vom Hochfrequenzhandel (HFT) benachteiligt, der mit seinen manipulativen Möglichkeiten beim blitzschnellen Einstellen von Aufträgen im Vorhandel den Fondsmanagern ein Stück Marge im Handel stibitzt. Der Frust über diese strukturellen Veränderungen des Umfelds im Wertpapierhandel für Assetmanager ließ beiFidelity die Idee reifen, einen eigenen, abgeschotteten Handelsplatz für die speziellen Trading-Bedürfnisse der Branche zu schaffen. 2014 begannen dann die Vorarbeiten für einen exklusiven Handelsplatz, der neben Liquidität auch die gewünschte Fairness des Handels gewährt – folglich wurde entschieden, dass die auf Bid-Ask-Signale reagierenden Hochfrequenzhändler ausgesperrt werden, auch wenn es damit schwerer wird, die erforderliche Liquidität auf den Handelsplatz zu bringen. Da auch die Dark Pools nach Ansicht der Luminex-Betreiber nicht in der Lage sind, große Aufträge mit der erforderlichen Anonymisierung der Handelsabsicht ins System zu stellen, musste ein maßgeschneiderter Handelsplatz allein für die Buyside her.Dabei kommt Luminex als recht exklusiver Club daher: Einlass findet nur, wer mindestens 1 Mrd. Dollar Assets under Management hat und dabei eine langfristig orientierte Investment-Strategie nachweisen kann – ein Teil der Hedgefonds-Industrie ist damit außen vor. Per Ende Oktober sind 84 Adressen zum Handel auf Luminex zugelassen, 19 Interessenten wurde der Zugang verweigert. Allein die neun Mitglieder des Gründungskonsortiums vereinen 40 % des US-Fondsgeschäfts auf sich, insgesamt sind bei Luminex 68 % der US-Assets aus Investmentfonds angeschlossen. Fidelity hält 60 % an der Gesellschaft, die übrigen Eigner jeweils 4,9 %. Über den Preis angreifenUm sich gegen Konkurrenz wie Liquidnet, Bids Trading und ITG Group zu behaupten, die alle selbst an erweiterten technologischen Angeboten für Blocktrades arbeiten, greift Luminex auch über den Preis an. Berichten zufolge kostet ein Aktientrade auf Luminex nur einen Viertelcent gegenüber 1 bis 2 Cent auf Blocktrading-Plattformen. Mindestgröße für die Ordereinstellung sind 5 000 Aktien oder ein Gesamtwert von mindestens 100 000 Euro – das durchschnittliche Handelsvolumen am US-Markt beträgt der Securities and Exchanges Commission (SEC) zufolge rund 200 Aktien. Seit Anfang November läuft der geschützte Handel auf Luminex, über die Nutzung wurde bislang nichts bekannt.In der Branche werden Luminex gute Erfolgschancen eingeräumt, stehen doch große Adressen mit einem berechenbaren Handelsbedarf hinter dem Unternehmen. Und noch etwas spricht für Liquidität: Bislang internalisieren Fonds in der Regel ihre Trades, indem sie Verkaufspositionen unter Umgehung eines Handelsplatzes direkt an einen anderen Fonds weiterreichen, der in diesem Papier eine Position aufbauen will. Ein Teil solcher Transaktionen könnte nun über Luminex laufen – allein, weil so eine Dokumentation für die datenhungrigen Regulatoren entsteht. Die US-Behörden wollen mehr über das Herdenverhalten der Assetmanager in Phasen des Marktstresses wissen, um die Crashgefahr zu lindern. Die ist wegen der Marktfragmentierung mit Verteilung der Liquidität auf viele Handelsplätze strukturell gestiegen. Dem soll ja in der EU das Mifid-II-Regelwerk entgegenwirken, indem der Handel wieder stärker auf die regulären Plätze geleitet wird, die alles über zentrale Clearinghäuser durchleiten und damit einen für die Aufseher zugänglichen Datenschatz schaffen.Dark Pools sind aber auch grundsätzlich wegen ihrer mangelnden Transparenz mit verborgenen Transaktionsdaten bis zum Abschluss des Trades ins Visier der Regulierer geraten. Deshalb wird der Anteil von Dark Pools am Handelsaufkommen zumindest in der EU mit zweierlei Obergrenzen belegt. Mit Umsetzung von Mifid II ab 2018 darf ein Dark Pool in der EU dann nur noch 4 % des monatlichen Handels in einer Aktie abwickeln, über alle Dark Pools darf das kumulierte Volumen nicht 8 % überschreiten. Wie sich das Volumen bislang verteilt, darüber variieren die Angaben – gängige Schätzungen gehen davon aus, dass in Europa 9 % auf Dark Pools entfallen, in den USA 40 %.Klarheit im EU-Datensatz soll 2016 die Umsetzung des Emir-Regelwerkes bringen. Untersuchungen derLondon Stock Exchange (LSE) zufolge würde bei fast allen der FTSE-100-Titel der Schwellenwert im Dark-Pool-Handel überschritten. Research von Bats Chi-X Europe hat ebenfalls ergeben, dass der Handel in den meisten Blue-Chip-Titeln betroffen wäre. Sind die Obergrenzen verletzt worden, darf der betroffene Einzeltitel für sechs Monate in keinem Dark Pool gehandelt werden. Alle wollen reinAllein wegen der Mifid-Restriktionen sind europäische Assetmanager gezwungen, sich eine neue Heimat für ihre kursschonenden Blocktrades zu suchen – auch wenn gewisse Großorders nicht auf die Dark-Pool-Obergrenzen angerechnet werden sollen. In der Summe würden Blocktrades dann aber mangels Alternative an Euronext,Deutsche Börse und Co ausgesteuert werden. Die haben die Wünsche der Blocktrade-Kundschaft wohl registriert und dafür zwar nicht den Hochfrequenzhandel ausgesperrt, aber neue Fenster geöffnet: So wird die London Stock Exchange (LSE) ab Februar eine mittägliche Auktion durchführen, bei der Ordergrößen verborgen werden. Turquoise, eine Tochter von LSE und zwölf Banken, hat seit über einem Jahr einen speziellen Blocktrade-Service. Und dem an die Börse strebenden Bats-CEO Mark Hemsley zufolge entwirft auch Bats Chi-X Europe eine Blocktrading-Lösung, eventuell sogar in Zusammenarbeit mit der auf diese Orders spezialisierten US-Plattform Bids Trading.Die Deutsche Börse ist da schon ein Stück weiter und hat auf Xetra ein Feature namens “Volume Discovery Order” (VDO) aufgesetzt, um großvolumige Aufträge mit minimalem Markteinfluss ausführen zu können. Die Lösung stelle sicher, dass diese Handelsströme nicht auf die Mifid-Obergrenzen angerechnet werden, werben die Eschborner. Basis sind die Funktionalitäten der Iceberg Order, wobei beim VDO ein zweites Limit für den verborgenen Teil der Order gesetzt sowie eine Funktion namens “Minimum Executable Quantity” sicherstellt, dass nur entsprechend große Orders in den Matching-Prozess eingespielt werden. Die Aufseher haben dem VDO-Modell eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Dieses Verbergen der Vorhandelspreise und Ordergrößen kommt den gewünschten Blocktrade-Funktionalitäten schon nahe.Ob das ausreicht, um die Assetmanager zufriedenzustellen? Eine Gruppe von sieben Assetmanagern und acht Großbanken hat diese Frage mit Nein beantwortet und mit demPlato Project ein europäisches Pendant zu Luminex ins Leben gerufen. Denn auch sie sehen ihre Handelsbedürfnisse weder von den regulären Plätzen noch den Dark Pools befriedigt und wollen Buyside und Sellside effektiver zusammenbringen.Dass Verbesserungsbedarf besteht, ist offensichtlich, haben sich die Handelsbedingungen doch zum Nachteil der auf der Buyside befindlichen Assetmanager verändert: Während zur Jahrtausendwende Blocktrades von 7 Mill. bis 10 Mill Pfund über die Londoner Börse gehandelt wurden, kann ein Assetmanager heute schon froh sein, wenn er einen Broker findet, der eine Position von unter 500 000 Pfund über die Zeit abwickelt – mehr gibt die ausgedünnte Liquidität im Blocktrade-Segment nicht mehr her. Und da die eigentlich als Ausweichmöglichkeit bereitstehenden Dark Pools von der neuen Regulierung im Order-flow beschnitten werden, will die Buyside die Sache nun selbst in die Hand nehmen.Die Wahl des Technologie-Partners fiel auf Turquoise, an der die sechs Plato-Banken als Teil des Gründerkonsortiums noch 49 % halten. Die Mehrheit liegt bei der LSE. Aufgestellt ist Plato als Non-Profit-Organisation, Gewinne aus dem Handel mit Aktien und ETF sollen in die akademische Forschung zur Reduktion von Handelskosten fließen. Im ersten Halbjahr 2016 soll es losgehen auf Plato – mit Stephen McGoldrick (Deutsche Bank) ist der Projektleiter aber im Oktober von Bord gegangen. Einen Nachfolger gibt es noch nicht, zuletzt hieß es nur, dass Plato eine neue Phase bei der Definition ihres Marktmodells erreicht habe. Das lässt Raum für Spekulationen. Zum einen lässt mit der Verschiebung der Mifid-II-Umsetzung der Handlungsdruck auf der Zeitschiene nach. Zum anderen macht das Projekt nur Sinn, wenn Plato genug Liquidität anzieht, was kein Selbstläufer ist.Andererseits scheinen die Plato-Eigner durchaus eine Konsolidierung der Dark-Pool-Landschaft auf ihrer Plattform anzustreben: Gründungsmitglied Norges Bank Investment Partners ließ wissen, dass es idealerweise nur einen Dark Pool im Euroraum geben müsse. Für die Startphase müssen die Plato-Eigentümer jedenfalls bereit sein, Verluste aufzufangen. Die vom Dark-Pool-Veteran Alastair Hayes vor knapp zwei Jahren gegründete PlattformAquis Exchange werde es nicht schaffen, wie erhofft, innerhalb von drei Jahren schwarze Zahlen zu schreiben, ließ der Gründer von ITG Posit kürzlich wissen. Mit 15 Kunden hatte Aquis zur Jahresmitte einen Marktanteil von 0,5 % in Europa erreicht; eine erste Lizenz für die Nutzung der Technologie wurde verkauft – bevor Plato sich für Turquoise entschied, stand auch Aquis in der engeren Auswahl. Fragmentierter MarktIn einem dermaßen kompetitiven und gleichzeitig fragmentierten sowie von Regulierung mit Limits eingepferchten Markt dürfte nicht jede Plattform ihre Nische finden können. Von Banken betriebene Dark Pools wurden zuletzt wiederholt mit Geldstrafen belegt für Transparenzverstöße. Und mit dem Buyside-Vehikel Burgundy ist ein skandinavisches Bankenkonsortium schon vor Jahren dabei gescheitert, einen paneuropäischen Handelsplatz zu etablieren, was in einen Verkauf an die Osloer Börse 2012 mündete. Bis heute ist das Handelsvolumen mit 0,01 % des europäischen Aktienmarktes so gering, dass man den Handelsplatz eigentlich abschalten kann. In den USA haben Anbieter wie Bids Trading, an der Bloomberg beteiligt ist und die ebenfalls mit Blocktrade-Funktionen punkten wollen, schlechte Karten, wenn Luminex reüssiert.Allerdings hat bislang noch keine der historischen Buyside-Initiativen zum Aufbau eines Handelsplatzes Früchte getragen. Das Umfeld war aber wohl noch nie so gut wie jetzt, um Liquidität unter Ausschluss von Intermediären (Broker Dealer) sowie Opportunisten (Hochfrequenzhandel) zu poolen.—-Zuletzt erschienen: – Börsen wollen Vorsprung durch Technologie (30. Dezember)- Der IT-Fortschritt fordert die Börsen heraus (29. Dezember)