GASTBEITRAG

Machine Learning wird sich im Portfoliomanagement durchsetzen

Börsen-Zeitung, 16.8.2018 Das Thema Machine Learning elektrisiert die Finanzbranche schon länger. Wer regelmäßig Fachzeitschriften liest oder Meetups besucht, weiß, dass es an guten Ideen nicht mangelt, wie diese Form der künstlichen Intelligenz...

Machine Learning wird sich im Portfoliomanagement durchsetzen

Das Thema Machine Learning elektrisiert die Finanzbranche schon länger. Wer regelmäßig Fachzeitschriften liest oder Meetups besucht, weiß, dass es an guten Ideen nicht mangelt, wie diese Form der künstlichen Intelligenz sinnvoll genutzt werden kann. Kapitalverwaltungsgesellschaften versprechen sich viel vom Machine Learning. Sie erwarten einen zusätzlichen, bisher ungenutzten Beitrag in der aktiven Rendite. Initiative ins Leben gerufenDeshalb haben die Deka Investment und die Unternehmensberatung Cofinpro im November 2017 eine Initiative zum gemeinsamen Lernen im Bereich Maschinelles Lernen ins Leben gerufen. Ziel war das Validieren eines praxisnahen Anwendungsfalls von der Idee über Konzeption und Wissensaufbau bis hin zur prototypischen Umsetzung. Im konkreten Fall stand die Überprüfung folgender Hypothese im Mittelpunkt: Machine Learning eignet sich zur Steigerung der aktiven Rendite. Beteiligt daran waren ein interdisziplinäres Team aus dem quantitativen Portfoliomanagement und dem IT-Bereich der Deka sowie Fach- und IT-Berater der Cofinpro.Renditeprognosen für den Euro Stoxx 50 standen schnell als geeigneter Anwendungsfall fest. Zunächst wurde eine konkrete Blaupause gesucht. Dafür musste das nötige Wissen über potenzielle Algorithmen, Datenvorverarbeitung, Trainings- und Testperiode kollektiv nutzbar gemacht werden.Während man normalerweise einer Software genaue Regeln vorgibt, wie Daten verarbeitet werden sollen, werden bei der Verwendung des Maschinellen Lernens die Daten einem weitestgehend standardisierten Algorithmus zugeführt, welcher diese nach einem vorgegebenen Muster verarbeitet. Das Muster entspricht einer allgemeinen Vorgehensweise und keinen detaillierten Regeln. Start mit TrainingsphaseIn der Trainingsphase leitet sich der Algorithmus aus Daten und tatsächlichen Ergebnissen selbstlernend ab, welche Parameter für die Prognose des Ergebnisses wichtig oder vernachlässigbar sind. In der anschließenden Testperiode prognostiziert der Algorithmus auf Basis dieser Parameter das Ergebnis. Ein Abgleich zu dem tatsächlichen Ergebnis ermöglicht hier die Bestimmung der Prognosegüte: Es wird festgestellt, wie gut der Algorithmus das Ergebnis mit in der Trainingsphase unbekannten Daten vorhersagen kann. Als Datengrundlage nutzte das Team aus Deka und Cofinpro 32 öffentlich verfügbare Parameter und in Summe 85 000 Einzeldaten von April 2009 bis heute. Zum einen handelt es sich dabei um solche, die normalerweise zur Erklärung von Bewegungen an den Aktienmärkten herangezogen werden, wie beispielsweise Zinsspreads, Rohstoffpreise, Risikoindikatoren oder Konjunkturindikatoren. Darüber hinaus sind alternative Datenquellen nutzbar, die wiederum mit Hilfe von Machine-Learning-Systemen gewonnen werden. Zum Beispiel von Satellitenbildern abgeleitete Schiffsbewegungen in großen Häfen, Auswertung von Nachrichten oder Inhalten aus Social-Media-Kanälen hinsichtlich Absender, Häufigkeit und Relevanz der Beiträge. Die Nutzung innovativer Daten kann sich zum Wettbewerbsvorteil entwickeln. Dies wurde in der ersten Phase der vorliegenden Studie jedoch nicht weiter beleuchtet.Jedes Machine-Learning-System ist nur so gut wie die Input-Daten und deren Vorverarbeitung. Auch muss zwischen Zielvariable und erklärenden Variablen ein persistenter, also dauerhafter Zusammenhang bestehen. Demnach ist vor Abschluss eines Machine-Learning-Projekts nicht gewährleistet, ob sich in dem verwendeten Datensatz tatsächlich die gewünschte Information verbirgt.Nach Recherchephase und Datenselektion wurden die Daten als Input für den Algorithmus vorverarbeitet, und der Algorithmus wurde in einen Prototyp integriert. Dabei lag der Fokus auf der Prognose der kurzfristigen Aktienindexbewegungen. Für die Renditeprognose wurde dem Algorithmus die Vorhersage eines von drei Signalen vorgegeben: Kaufen, Verkaufen oder Halten. Wobei das Halten-Signal mit einer prognostizierten Kursbewegung zwischen -1 % und +1 % definiert wurde. Gutes ErgebnisDas Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit Hilfe eines Deep-Learning-Algorithmus erreichte die selbstlernende Software bei ihren Vorhersagen eine Prognosegüte von über 64 % – das heißt, in mehr als 64 von 100 Fällen wurde ein korrektes Signal für die nächste Woche vorhergesagt. Zum Vergleich: Eine gleich verteilte zufällige Prognose läge nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 % richtig. Die wichtigsten Erkenntnisse der Initiative: Das Datenverständnis und die Vorverarbeitung sind essenziell für ein leistungsfähiges Machine-Learning-System. Zudem ist die explorative Vorgehensweise bei der Parametrisierung des Algorithmus komplex und zeitintensiv. Es muss genau darauf geachtet werden, das Datenset in Trainings- und Testdaten zu trennen und die Anwendung nur auf den Trainingsdaten lernen zu lassen. Die Modellevaluierung erfolgt dann anhand der Testdaten. Damit der Algorithmus nicht “auswendig” lernt (Overfitting), ist es sinnvoll, die Anwendung auf zufällig ausgewählten Auszügen des Trainingsdatensets lernen zu lassen und die Ergebnisse dann zusammenzuführen (Cross-Validation). Bei Zeitreihen wie Aktienmarktprognosen kann das Trainingsset rollierend gewählt werden. So wird die Anwendung täglich mit den neuesten Daten gespeist und trainiert. Dadurch kann der Algorithmus veränderte Rahmenbedingungen kontinuierlich miteinbeziehen. Bei welchem Wert die Prognosequalität im produktiven Betrieb liegen wird, kann heute nicht genau vorhergesagt werden, es werden sich aber weitere Optimierungspotenziale ergeben. Manager wird unterstützt Maschinelles Lernen wird sich als eine von mehreren Methoden im Portfoliomanagement etablieren. Vermutlich werden bereits in zwei bis drei Jahren viele Häuser damit arbeiten. Der Portfoliomanager bleibt weiterhin verantwortlich: Er wird keineswegs überflüssig, sondern lediglich in seiner Entscheidungsfindung besser unterstützt. Ein Vorgehen, bei dem die Anlageentscheidung durch Machine Learning nicht nachvollziehbar ist, wäre auch aus Anlegersicht problematisch. —-Dominik Wolf, Portfoliomanager Deka Investment und—-Maximillian Kütemeyer, Senior Consultant Beratungsgesellschaft Cofinpro