IM BLICKFELD

Magere Zeiten für Chinas Großbanken

Von Norbert Hellmann, Schanghai Börsen-Zeitung, 3.9.2015 Chinas staatliche Großbanken stehen unter dem latenten Verdacht, gefährliche Altlasten aus Kreditvergabeexzessen in den Boomjahren nach der Finanzkrise mit sich herumzuschleppen, die sich in...

Magere Zeiten für Chinas Großbanken

Von Norbert Hellmann, SchanghaiChinas staatliche Großbanken stehen unter dem latenten Verdacht, gefährliche Altlasten aus Kreditvergabeexzessen in den Boomjahren nach der Finanzkrise mit sich herumzuschleppen, die sich in einer Verlustlawine entladen könnten. Von einem solchen Schreckensszenario ist man zwar noch weit entfernt, doch sehen die führenden Kreditinstitute im Zuge des laufenden Konjunkturabschwungs im Reich der Mitte immer ungemütlicheren Herausforderungen entgegen, die ihrer Ertragskraft schwer zusetzen. Stagnierende GewinneChinas Wirtschaftswachstum hat sich auf ein Niveau herabgekühlt, wie man es bislang nur auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise erlebt hat, und mit den Bankergebnissen sieht es ähnlich aus. Bei den vier größten direkt von der Zentralregierung kontrollierten Banken des Landes war in der ersten Geschäftsjahreshälfte ein Gewinnanstieg um 1 % das höchste der Gefühle (siehe Grafik). Er impliziert, dass die Gewinne im zweiten Quartal für sich genommen praktisch auf der Stelle getreten sind.Chinas Konjunkturtrend zeigt trotz geld- und fiskalpolitischer Stimulierungsversuche weiter nach unten, und die Kreditwirtschaft muss sich auf magere Zeiten einstellen. Im traditionellen Kredit- und Einlagengeschäft, das nach wie vor den Löwenanteil der Erträge bringt, bläst nun ein immer härterer Wind. Das Kreditwachstum ist seit neun Quartalen rückläufig, während die Ausfallrisiken kräftig anschwellen.Sowieso stehen Chinas Großbanken unter einem anhaltenden Margendruck. Er ist einerseits auf die stark vorangeschrittene Zinsliberalisierung zurückzuführen, mit der die Habenzinsen beweglicher geworden sind und einen stärkeren Wettbewerb um Einlagen mit sich bringen. Andererseits hinterlassen fünf Leitzinssenkungen seit November, denen in den kommenden Monaten weitere folgen könnten, immer deutlicher Spuren.Beim Marktführer Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) wurde die Nettozinsmarge im zweiten Quartal um weitere 7 Basispunkte (BP) auf 2,53 % zurückgedrängt, bei der Nummer 2 China Construction Bank schrumpfte sie um 10 BP auf 2,62 %. Die Bank of China (BOC) rechnet mit einem anhaltenden Abwärtsdruck auch in der zweiten Jahreshälfte, nachdem die Nettozinsmarge dort um 8 BP auf 2,22 % zurückgekommen ist. Schlummernde KreditrisikenAnalysten betonen, dass das Großbankenquartett genügend Marktmacht aufweist, um sich einem gravierenden wettbewerbsgetriebenen Margenverfall zu entziehen. Als härtere Belastungsprobe dürften sich die Kreditausfallrisiken erweisen. Bei allen Großbanken ist die Kreditausfallquote als Anteil notleidender Kredite am gesamten Forderungsbestand deutlich angeschwollen (siehe Grafik). Bei ICBC, CCB und BOC, die jahrelang hochsolide Ausfallquoten von unter 1 % für sich beanspruchen konnten, liegt sie nun schon bei 1,4 %, während die stark im problematischen Landwirtschaftssektor engagierte Agricultural Bank of China auf über 1,8 % kommt. Im internationalen Vergleich sind dies zwar noch äußerst solide Werte, aber sie vermitteln nur ein unscharfes Bild der noch schlummernden Kreditrisiken in den großen Häusern.So findet sich in den Bankbilanzen eine weitere Schublade der “Special Mention Loans”. Das sind Engagements, die zwar Zahlungsrückstände aufweisen, aber nicht offiziell als notleidend eingestuft werden. Zum Halbjahresstichtag 2015 hat sich die Kategorie bei der ICBC auf 420 Mrd. Yuan (60 Mrd. Euro) quasi verdoppelt und entspricht etwa dem Dreifachen der als echt notleidend ausgewiesenen Kredite.Freilich haben die chinesischen Banken die Kreditvorsorge in den vergangenen Jahren stark erhöht und forcieren Abschreibungen. Bei ICBC etwa haben sich die Kreditabschreibungen in der ersten Jahreshälfte von 12,7 auf 31,3 Mrd. Yuan fast verdreifacht und entsprechend auf den Gewinn gedrückt. Die Frage ist allerdings, ob solche Bilanzsäuberungsaktionen ausreichen. Denn mittlerweile steigt das Volumen der faulen Kredite stärker als die dafür betriebene Vorsorge. Bei allen Großbanken sieht man eine sinkende Abdeckungsquote für faule Kredite durch entsprechende Reserven, für die Chinas Regulator ein Minimum von 150 % fordert. Bank of China liegt derzeit bei “nur noch” 157 %, die anderen Institute weisen erstmals weniger als 200 % auf.Hätten die Großbanken ihre Abdeckungsquoten auf dem alten Niveau gehalten, wären ihre Gewinne im ersten Halbjahr um etwa 30 % geschrumpft, rechnen Analysten vor. Da die Anforderungen des Regulators sehr hoch sind, sollte man Chinas Großbanken deshalb nicht gleich als wackelig einstufen. Es zeigt sich aber, dass ihr Gewinntrend stark nach unten zeigen könnte, wenn auch künftig eine ultrasolide Abdeckung der Kreditrisiken verlangt wird.