Management stellt Strategie infrage
Vor dem Hintergrund eines enttäuschenden zweiten Quartals nimmt der Druck auf die Commerzbank zu. Mit der für den Herbst angekündigten Strategie für die Zeit nach 2020 muss das Institut ein Mittel gegen den anhaltenden Ertragsschwund finden. Die Devise “Wachstum um jeden Preis” hat ausgedient. Von Anna Sleegers, FrankfurtStrategie umgesetzt, Ziele in Gefahr – so lässt sich das Dilemma der Commerzbank zusammenfassen. Bei der Vorlage der enttäuschenden Halbjahreszahlen am Mittwoch ließ das Institut durchblicken, dass der für das Geschäftsjahr in Aussicht gestellte leichte Anstieg des Konzernüberschusses nicht mehr ohne Weiteres zu erreichen ist. Angesichts der sich spürbar eintrübenden gesamtwirtschaftlichen Lage und der Handelsstreitigkeiten sei das Ziel deutlich ambitionierter geworden, hieß es in der Mitteilung der Commerzbank.In einer Telefonkonferenz mit Journalisten mühte sich Finanzvorstand Stephan Engels gleichwohl, den Eindruck zu verwischen, dass die gestiegene Risikovorsorge die Folge steigender Kreditausfälle infolge der konjunkturellen Abkühlung sei. “Wir sehen derzeit noch keine Verschlechterung unseres Kreditportfolios”, sagte er. Es handele sich vielmehr um “weniger als eine Handvoll” Einzelfälle, die weder bestimmten Branchen noch einer bestimmten Region zuzuordnen seien, unterstrich er. Zudem mache sich ein Basiseffekt durch höhere Auflösungen im Vorjahr bemerkbar.Dass sich die schwache Entwicklung nicht mit den jüngsten Turbulenzen der Weltwirtschaft entschuldigen lässt, zeigt also, wie dringend die Commerzbank die für den Herbst angekündigte neue Marschroute braucht. Hatten die Vorstände bisher stets die Erfolge bei der 2016 ausgerufenen Strategie Commerzbank 4.0 hervorgehoben, waren Engels jetzt die Zweifel an deren Sinnhaftigkeit deutlich anzumerken.Zwar hatte die Commerzbank angesichts des Ausbleibens der Zinswende, die 2016 wohl von den meisten Marktteilnehmern erwartet worden war, einige der mittelfristigen Ziele der Strategie kippen müssen. Sowohl bei den Kosten als auch beim Kundenwachstum hat das Institut die eigenen Ziele für das Firmenkundengeschäft wie auch das Geschäft mit Privat- und Unternehmerkundengeschäft bislang jedoch weitgehend erreicht und das zum Teil früher als angekündigt.Bei der Summe der verwalteten Kundenvermögen, die seit Ende 2016 um gut ein Fünftel stieg, wurde die für Ende 2020 angepeilte Schwelle von 400 Mrd. Euro sogar vorzeitig genommen (siehe Grafik). Auch das Kreditgeschäft mit Privatpersonen und Selbständigen brummte, unter anderem wegen des Booms der Baufinanzierung. Der damit einhergehende Anstieg des Zinsüberschusses half Engels zufolge, den anhaltenden Margendruck zu kompensieren. Die Erträge der Sparte steigen zumindest leicht.Anders sieht es im Firmenkundengeschäft aus, wo die Commerzbank ebenfalls einen Teil der für Ende 2020 angepeilten Ziele vorzeitig erreichte. Hier lasteten nicht nur das Risikoergebnis und die geringer als im Vorjahr ausgefallenen Vorsorgeauflösungen auf dem operativen Ergebnis. Auch die Hoffnung, durch mehr Kundengeschäft höhere Erträge zu generieren, erfüllte sich zum wiederholten Male nicht.Angesichts der anhaltend niedrigen Erträge wird Engels zufolge im Rahmen der laufenden Strategiedebatte auch der Wachstumsfokus in Frage gestellt. “In Zukunft wollen wir uns darauf konzentrieren, das Cross-Selling auszubauen und damit unsere Kundenbeziehungen zu profitabilisieren”, sagte er.Weitere Details, wohin sich die Strategiedebatte entwickelten könnte, wollte sich der Finanzvorstand vorerst nicht entlocken lassen. In der schriftlichen Mitteilung des Instituts kam jedoch auch Vorstandschef Martin Zielke zu Wort, der vor den steigenden Herausforderungen für die Branche sowie für die Commerzbank warnte. “Dies wird vermutlich weitere Investitionen erfordern und genau das prüfen und bewerten wir im aktuellen Strategieprozess”, ließ Zielke sich weiter zitieren. Um welche Art von Investitionen es sich hierbei handeln könnte, blieb offen. Auf sich selbst gestelltDie Anleger waren jedenfalls nicht bereit, der angekündigten strategischen Neuausrichtung Vertrauen vorzuschießen. Nach dem Bekanntwerden der unter der Konsensschätzung der Analysten liegenden Quartalszahlen brach der ohnehin seit geraumer Zeit im Sinkflug befindliche Aktienkurs zwischenzeitlich auf ein neues Zweijahrestief ein.Trotz einer Bewertung von nur noch 6,7 Mrd. Euro wirkt es zunehmend unwahrscheinlich, dass sich ein Wettbewerber der angeschlagenen Bank annimmt. Die während der inzwischen ad acta gelegten Fusionsverhandlungen mit der Deutschen Bank aufgekommenen Gerüchte über ein Interesse der niederländischen ING Groep oder der italienischen Unicredit sind verstummt und auch das Finanzministerium hat versprochen, sich künftig herauszuhalten. Die Commerzbank wird sich wohl aus eigener Kraft neu erfinden müssen.